Grundlagen für personalisierte Krebstherapie: Mutationen des Tumorgens TP53 charakterisiert
14.01.2025 (wm/red) Ein Forschungsteam der Philipps-Universität Marburg hat umfassende Erkenntnisse über das TP53-Gen gewonnen, das als das am häufigsten mutierte Gen bei Krebserkrankungen gilt. Berichtet wird, dass erstmals nahezu das vollständige Spektrum der Mutationen dieses Gens systematisch analysiert wurde.
Mithilfe moderner CRISPR-Technologie konnten die Wissenschaftler um Dr. Julianne Funk und Prof. Dr. Thorsten Stiewe vom Institut für molekulare Onkologie die Auswirkungen von über 9.000 Mutationen im TP53-Gen auf die Fitness von Tumorzellen detailliert charakterisieren. Darüber berichten sie im Fachmagazin „Nature Genetics“.
Neue Perspektiven für Diagnostik und Therapie
Das TP53-Gen ist ein sogenanntes Tumorsuppressorgen, das Zellen vor unkontrolliertem Wachstum schützt und somit die Entstehung von Krebs verhindert. Mutationen in diesem Gen führen bei etwa der Hälfte aller Krebspatienten zu einem Verlust dieser Schutzfunktion. Werden solche Mutationen vererbt, können sie zudem das Risiko für Tumorerkrankungen im Laufe des Lebens erheblich erhöhen. Doch die Vielfalt an TP53-Mutationen – über 2.000 Varianten sind bekannt – hat bisher eine gezielte Nutzung in der klinischen Praxis erschwert. „Die Ergebnisse unserer Studie bieten nun eine solide Grundlage, um die klinische Relevanz jeder einzelnen Mutation besser einzuordnen“, erklärt die Erstautorin der Studie, Dr. Julianne Funk.
Grundlagen für personalisierte Krebstherapien
„Unsere Arbeit ermöglicht eine präzisere Bewertung, ob eine vererbte Mutation das Krebsrisiko erhöht oder harmlos ist. Das ist ein entscheidender Fortschritt für die humangenetische Beratung“, erklärt Institutsleiter Prof. Dr. Thorsten Stiewe.
Darüber hinaus konnten therapeutisch relevante Mutationen identifiziert werden, die das Ansprechen auf Chemotherapie, Bestrahlung oder moderne molekulare Therapeutika beeinflussen. Einige dieser Mutationen eröffnen vielversprechende Ansätze für neuartige Therapien: Mutationen, die das RNA-Spleißen verändern, konnten mit Splice-Switching-Oligonukleotiden korrigiert werden. Ferner, Mutationen, die die Proteinstruktur destabilisieren, wurden durch Arsen-Verbindungen, wie sie bereits routinemäßig in der Therapie von Leukämien eingesetzt werden, wieder stabilisiert. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten, Behandlungen individuell auf Patienten mit spezifischen TP53-Mutationen abzustimmen.
Interdisziplinäres Team mit innovativer Forschungsmethodik
Die Studie zeichnet sich durch eine innovative Methodik aus: Statt Mutationen künstlich zu überexprimieren, wurden diese erstmals direkt im Erbgut der Zellen erzeugt.
„Durch den Einsatz der CRISPR-Technologie konnten wir das komplexe Zusammenspiel zwischen Mutationen und ihrer Funktion im natürlichen Zellkontext analysieren“, sagt Dr. Mariia Klimovich, die die methodischen Grundlagen während ihrer Promotion legte.
Die Studie wird als Ergebnis einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit beschrieben. Dr. Julianne Funk leitete die Hochdurchsatz-Screenings, unterstützt von der Core Facility Genomics der Philipps-Universität Marburg. Die bioinformatische Analyse wurde von Dr. Marco Mernberger und Katharina Humpert umgesetzt. Ergänzend trugen Strukturbiologen der Universität Frankfurt zur Interpretation von Struktur-Funktionsbeziehungen bei, während Epidemiologen der Pariser Universität Sorbonne TP53-Mutationsdaten von mehr als 100.000 Patienten analysierten und bereitstellten.
Originalpublikation: Julianne Funk, Thorsten Stiewe et al (Nature Genetics), DOI 10.1038/s41588-024-02039-4