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Ausgeprägtes Zuhörerinteresse für Vortragsreihe zur Biodiversität im Alltag

Gastbeitrag von Dipl. Geograph Ulf Marold
Marburg 22.3.2011 (red/gb) Anlässlich des UN-Jahres der Biodiversität 2010 lief in Marburg von Oktober 2010 bis Februar 2011 die 12-teilige Veranstaltungsreihe Vielfalt des Lebens – Biodiversität im Alltag. Initiatoren der Reihe waren der gemeinnützige Verein Spielraum UmweltBildung e.V. und die Initiative nachhaltige Entwicklung der studentischen Unternehmensberatung Phlink e.V. Die Kooperation beider Vereine hatte sich bereits in der Vorgängerreihe „Welt im Wandel – Wege in die Nachhaltigkeit“ (Winter 2009/2010) bewährt, so dass beschlossen wurde, mit dieser guten Erfahrung weiter zu machen.

Zum Thema Biodiversität hat es sich angeboten, nicht nur theoretische Konzeptionen in eine Vortragsreihe einzubringen, sondern ganz bewusst auch den Bezug zum Alltag der Gäste herzustellen. Daraus resultierte eine Aufteilung der Vorträge in einen eher theoretischen ersten Teil, der philosophische, ökonomische, ethische und ästhetische Aspekte der Biodiversität beleuchtete. In einen zweiten Teil kamen praxis- und alltagsnähere Themen zum Zug. Dabei wurde, wenn möglich und sinnvoll, der Bezug zur Region Marburg hergestellt.

Die Veranstaltungsreihe begann mit einer einführenden Exkursion in die Interkulturellen Gärten Marburg-Richtsberg durch Dipl.-Geograph Ulf Marold, selbst langjähriger Bewohner des Richtsbergs und stolzer Besitzer einer Parzelle im Interkulturellen Garten. Bei Tee aus frischen Kräutern konnten die Teilnehmer in der letzten Herbstsonne biologische und kulturelle Vielfalt an einem Ort vereint genießen.

Zum Einstieg übergeordnete Betrachtungen

Nach diesem alltagsnahen Einstieg begannen die Vorträge philosophisch. Biodiversität als Begriff und Methapher von Prof. Mathias Gutmann (KIT Karlsruhe) eröffnete den Zuhörern einen ungewohnten Blick auf das Schlagwort „Biodiversität“.

Wem nützt und wer bezahlt für Artenvielfalt? fragte Dr. Thomas Falk vom Marburger Institut für Kooperation in den Entwicklungsländern und beleuchtete damit die ökonomische Dimension der Biodiversität am Beispiel der Kleinbauern. Diskutiert wurde insbesondere die Frage, wie und welche ökonomischen Anreize das Konsumverhalten des Einzelnen lenken können, um auf diese Weise positive Effekte zum Schutz der Artenvielfalt zu erzielen.

Frau Prof. Lindemann-Matthies der Pädagogichen Hochschule in Karlsruhe stellte in ihrem Vortrag über Wahrnehmung und Wertschätzung biologischer Vielfalt empirische Studien vor, welche die ästhetische Bedeutung biologischer Vielfalt belegen und verdeutlichen, dass Biodiversität nicht nur einen ökologischen Wert im engeren Sinne hat, sondern zu unserem eigenen Wohlbefinden beitragen kann.

Ethische Aspekte der Artenvielfalt besprach unser Gast der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen, Dr. Ute Eser. Ihr Vortrag mit dem Titel Klugheit, Gerechtigkeit und Glück – Gute Argumente für die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt verdeutlichte, dass Biodiversität Aspekte aufweist, die nicht nur im natur- und wirtschaftswissenschaftlichen Kontext anzutreffen sind. Die Frage, wie solche weichen Argumente zum Schutz der Artenvielfalt eingesetzt werden können, wurde anschließend leidenschaftlich diskutiert.

Praktische Fragen zur Biodiversität

Schnecke mit Haus auf Gräsern unterwegs (Foto Hartwig Bambey)

Mit der Frage Warum brauchen wir naturnahe Gewässer? eröffnete Dipl.-Ing. Herbert Diehl vom Regierungspräsidium Gießen, Abteilung Umwelt, den Teil der Vortragsreihe, der sich praktischen Aspekten der Biodiversität widmete. Mit vielen anschaulichen Beispielen aus der Region Marburg zeigte der Referent, wie durch Renaturierung die strukturelle Vielfalt unserer Fließgewässer wieder hergestellt werden kann, um verschiedene Lebensgrundlagen für Wasserorganismen bereitzustellen. Die Maßnahmen, die zu einem gesunden Gewässer beitragen können, waren dabei oftmals verblüffend einfach.

Als ersten Vortrag im Jahr 2011 referierte Dr. Reinhard Witt zu Wildpflanzen in Stadt und Garten. Der Gründer und Vorstand des Vereins Naturgarten e.V. zeigte an vielen farbenprächtigen Beispielen, dass es sich lohnt, auch in Stadt und Garten „mehr Natur zu wagen“. Dank eines Gastes der Vortragsreihe wurde an diesem Abend die Alltagsnähe der Vortragsreihe besonders greifbar, denn der Hobbygärtner brachte spontan eine vielfältige Sammlung von Wildblumensamen aus seinem eigenen Garten mit, die er an alle interessierten Gäste weitergab.

Einen spannenden Einblick in den Bienenstock lieferte Dr. Werner von der Ohe vom Bieneninstitut in Celle mit seinem Vortrag über Stressfaktoren im Bienenvolk. Besonders eindringlich im Kontext des vorherigen Vortrags erschien vielen Zuhörern die Tatsache, dass Bienenvölker Stressfaktoren und Krankheiten besser kompensieren können, wenn sie vom Nektar und Pollen möglichst vieler verschiedener Blütenpflanzen profitieren können. Das heißt, je vielfältiger wir unsere Gärten, Balkons und Grünflächen gestalten, desto widerstandsfähiger werden die Bienen, auf die wir wiederum für die Befruchtung unserer Nutzpflanzen dringend angewiesen sind.

Reifer Apfel am Baum (Foto Erika Hartmann / pixelio.de)

Dr. Norbert Clement gab mit seinem Vortrag Süße Vielfalt – Obstsorten im Landkreis Marburg-Biedenkopf einen faszinierenden Einblick in die ungeheure Vielfalt heimischer Kultursorten. Er berichtete von dem Projekt der Hessenwiese im Marburger Stadtteil Michelbach, auf welcher Lokalsorten eine einzigartige Zusammenstellung der hessischen Streuobstvielfalt zeigen. Er gab einen unterhaltsamen Einblick in die spannende Fahndung nach Sorten, die im Laufe der Zeit (fast) aus dem Gedächtnis und von der Bildfläche verschwunden sind.

Melanie Kreutz vom BUND-Projektbüro Grünes Band zeigte in ihrem Vortrag das Erlebnis Grünes Band und verdeutlichte „wie Geschichte, Kultur und (Natur-)Tourismus die Artenvielfalt schützen.“ Mit vielen Illustrationen und Beispielen beschrieb sie den Weg vom einstigen Todesstreifen hin zu einem einmaligen Biotopverbund quer durch Deutschland und betonte das Potenzial für Naturtourismus, Umweltbildung und den Erhalt der Artenvielfalt. Ein besonderer Appell, mit diesem Stück Natur und Deutscher Geschichte umsichtig umzugehen.

Kinder entdecken Natur (Foto Sarah Knecht)

Dr. Mara Meske vom Projekt Natur-Wissen schaffen der Universität Bremen verdeutlichte in ihrem Vortrag Natur ist für mich die Welt – Die Naturbilder von Kindern die Entstehung und Entwicklung von Naturbildern. Im Vortrag zeigte sie, wie wichtig für Kinder ein Umfeld ist, in dem Naturräume – und sei es der eigene Garten – zum Spielen aufgesucht werden können. Darüber hinaus ist das Gespräch mit anderen über diese Naturerlebnisse unentbehrlich für ein reflektiertes und ganzheitliches Naturbild. Denn dadurch kann es gelingen, sich selbst als Naturbestandteil zu begreifen, was wiederum Auswirkungen auf einen umweltgerechten Umgang mit der Natur hat.

Mit dem abschließenden Vortrag wurde der Blick noch ein Mal nach Marburg gerichtet. Dr. Kerstin Demuth stellte mit ihrem Vortrag „Weltweite Artenvielfalt erleben – Die Grüne Schule des Botanischen Gartens in Marburg“ die Grüne Schule als eine Marburger Institution mit einem besonderen Potenzial für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung vor. Es war nicht verwunderlich, dass die schwierige finanzielle Lage des Neuen Botanischen Gartens die an den Vortrag anknüpfende Diskussion dominierte und sich zeigte, dass viele Zuschauer die Bedeutung des Neuen Botanischen Gartens nicht nur für die Universität, sondern als wesentlichen Bestandteil der Marburger (Bildungs-)Landschaft sehen.

Zu den Besonderheit dieser Vortragsreihe zählte, dass die meisten Referenten im Anschluss an den Vortrag noch für einen weitergehenden Austausch im gemütlichen Rahmen, also bei Essen und Trinken in einem Marburger Restaurant, gewonnen werden konnten. Zu diesem Anlass wurden auch die Zuhörer eingeladen und einige nutzten diese Möglichkeit, das Thema des Vortrages noch weiter zu vertiefen oder aber auch über ganz andere Dinge zu sprechen, sich kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Dies wurde von den Teilnehmenden stets als Bereicherung empfunden.

Artenvielfalt im Gemüsegarten (Foto Ulf Marold)

Als die Veranstalter kurz vor Beginn der Vortragsreihe erfuhren, dass das diesjährige Studium Generale der Universität ebenfalls unter dem Banner der Biodiversität stand, wurde befürchtet, dass diese Veranstaltungen miteinander konkurrieren könnten. Diese Befürchtung traf nicht ein. Einige Zuhörer besuchten sowohl mittwochs die Veranstaltung des Studium Generale als auch donnerstags die Reihe Vielfalt des Lebens – Biodiversität im Alltag im Hörsaalgebäude. Weiterhin zeigte ein Vergleich beider Programme, dass beide Reihen – auch wenn sie unter dem gleichen Schwerpunktthema standen – völlig verschiedene Aspekte beleuchteten und so thematisch eher als Ergänzung denn als Wiederholung begriffen werden konnten.

Sehr dankbar sind die Veranstalter den Unterstützern der Vortragsreihe. Ohne sie wäre die Realisierung des Konzeptes nicht möglich gewesen. Finanziell unterstützt wurde die Reihe durch die Stadt Marburg, der Heinrich-Böll-Stiftung Hessen sowie von der Sparkasse Marburg-Biedenkopf. Dank gebührt außerdem dem Graduiertenzentrum Lebens- und Naturwissenschaften und der Universität Marburg für die umfangreiche infrastrukturelle Hilfestellung, nicht zuletzt den Hausmeistern des Hörsaalgebäudes, die bei technischen Schwierigkeiten stets zur Stelle waren. Der Verein artgerecht unterstützte die Veranstaltung durch das fachkundige Design der Poster und Flyer.

Eine Vortragsreihe mit vielen Unterstützern

Neben den Sponsoren und Unterstützern der Reihe danken die veranstaltenden Vereine insbesondere Michael Hebenstreit für die Idee und erste Konzeption. Bis er just zu Beginn der Veranstaltung für die Durchführung seines Promotionsprojektes – übrigens zum Thema Das ökonomische Wertkonzept im Verhältnis von Gesellschaft und Biodiversität – nach Göttingen wechselte, wirkte er wesentlich an der Gestalt der Reihe mit.

Rererent Herbert Diehl vom Regierungspräsidium Gießen (Foto Ulf Marold)

Vor allem freuen wir uns als Veranstalter über die rege Teilnahme der Zuhörer. Diese fanden sich nicht nur in meist erfreulich hoher Zahl im Hörsaalgebäude ein, sondern beteiligten sich rege an den Diskussionen. Je nach Vortragsthema war das Publikum mal mehr, mal weniger studentisch geprägt. Einige Gäste kamen nur zu bestimmten Themen, andere fanden sich regelmäßig zur Reihe ein. Selbst die Tatsache, das am 11. November 2010 direkt vor der Vortragszeit das Zentrum des Sturmtiefs Carmen über Marburg zu hängen schien und sich nur die Wackersten auf die Straße trauten, hielt zahlreiche Marburger Zuhörer nicht davon ab, sich durch Wind und Wetter zur Vortragsreihe zu kämpfen.

Gerne möchten wir dazu einladen im Nachhinein über die Themen der Vortragreihe zu diskutieren oder uns jeweilige Besuchereindrücke zur Reihe mitzuteilen. Nachrichten an info@sub-marburg.de sind willkommen. Über weitere und zukünftige Veranstaltungen informieren die Internetseiten der Veranstalter. Hier ein weiterer Link zum Veranstalter. Wer Interesse hat, den halten wir per E-Mail auf dem Laufenden. Ulf Marold

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