Was Atomkraft tatsächlich kostet
Marburg 24.3.2011 (mm/yb) In der heutigen Ausgabe vom Handelsblatt findet sich die Titelgeschichte „Die wahren Kosten der Kernenergie“ zu lesen. Der Bericht beginnt mit den 17,4 Milliarden Euro Notkredit, den die japanische Kraftwerksfirma Tepco benötigt. Für Tschernobyl werden als Schadenssumme 234 Milliarden Dollar benannt, womit zugleich anschaulich wird, dass und warum es die Assekuranz ablehnt diesbezüglich überhaupt Versicherungen anzubieten. Bezug genommen wird im Handelsblatt auch auf die behaupteten 20 Euro Kosten zur Erzeugung einer Megawattstunde Strom im Atomkraftwerk im Verhältnis zu den bis zu 40 Euro Erzeugungskosten in Gas- und Kohlekraftwerken.
Ein GAU in Deutschland könnte 5 Billionen Euro Schäden bringen
Nunmehr dämmert Volkswirten allmählich, dass eine volkswirtschaftliche Betrachtung und Gesamtrechnung nicht länger verdrängt werden kann.
So kommen Wissenschaftler in Münster zu dem Ergebnis „ein Kernschmelzunfall in Deutschland könne Schäden in Höhe von 5 Billionen Euro verursachen“, was das Doppelte des Bruttoinlandsproduktes ausmachen würde. Ganz anders sieht es bei der Haftung aus.
Gerade mal 256 Millionen Euro würde eine eigene Haftpflichtversicherung der Kernkraftwerksbetreiber abdecken. Dazu kämen 2,2 Milliarden Euro aus einem gemeinsamen Pool der Betreiber. Darüber hinaus müsste der einzelne Betreiber haften.
Sollte das benannte Risiko von 5 Billionen Euro versichert werden, wäre ein jährliche Haftpflichtprämie von 287 Miilliarden Euro fällig.
Das Risiko ist damit unbezahlbar und sowieso nicht versicherbar.
Ist oder wäre Atomstrom unbezahlbar?
Im Handelsblatt wird resümiert, dass Atomstrom unbezahlbar wäre. In Japan werden die im Moment noch völlig unabsehbaren Schäden jedoch bezahlt werden müssen. Aus Erdbeben und Tsunami sind bereits Schäden von rund 220 Milliarden Dollar benannt. Allmählich wird es kritisch für Tokio, die dort lebenden Menschen. Zudem ist mit Tokio eine Global City gefährdet. So machen bereits Befürchtungen um einen nächsten weltweiten Finanzcrash die Runde. Die Kosten des Fukushima-Reaktor-Unfalls finden sich im Handelsblatt mit über 100 Milliarden Dollar beziffert.
Ob es nun als Trost oder Genugtuung angesehen wird, dass Ökonomen beginnen das Ganze ins Auge und in Kalkulation zu nehmen, bleibt nachrangig. Die genannten Zahlen sind ökonomischen Betrachtungen entnommen. Schäden an Mensch, Leid und Zukunftsfolgen, etwa in Japan der Ausfall ganzer Regionen für landwirtschaftlichen Anbau und Bewohnbarkeit, sind darin längst nicht enthalten.
Die Haftung der Betreiber ist eine Papierbetrachtung
Die Energiekonzerne haften in voller Höhe ihres Vermögens. Bei EON sind das derzeit 120 Milliarden Euro. Doch dieser Wert setzt Funktion und momentane Wirtschaftstätigkeit voraus. Genau diese würde von einem GAU beeinträchtigt, schwer beschädigt und mehr oder weniger außer Kraft gesetzt.
Immerhin, es liegen damit Zahlen auf dem Tisch – von Ökonomen, nicht von Atomkraftgegnern. Schnell wird dabei klar, dass so wie bei der Bankenrettung, dem Euro-Pakt und großen Katastrophen es nur einen geben kann, der haften und bezahlen muss: den Steuerzahler.
Dabei würde die Anwendung marktwirtschaftlicher Prinzipen eine Risikobetrachtung einschließen müssen. Jedem Autofahrer ist die Haftung Pflicht, eben in Gestalt der unerlässlichen Haftpflichtversicherung. So ist das mit den Großen und den Kleinen. Der allerorten zu vernehmende Ruf Abschalten hat also sehr wohl eine ökonomische Begründung und Berechtigung – und dies vor dem Hintergrund mit Nachdruck auszubauender Alternativen mit regenerativen Energieträgern.
20 Euro Kosten für eine Megawattstunde aus Atomkraftwerken sind eine Milchmädchenrechnung.
Von den langfristigen Kosten der Entsorgung ist bei alledem überhaupt noch keine Rede. Zur Online-Ausgabe des Handelsblatt, wo die Titelgeschichte der Druckausgabe allerdings nicht veröffentlicht ist.
Im Kommentar zur Titelgeschichte des Handelsblatt vom 24.3.2011 resümiert Paul J.J. Welfens: „Wenn die Betreiber von Atomanlagen nicht durch den Staat – in Deutschland, in Frankreich, in Japan, in den USA und vielen anderen Ländern – von den wesentlichen Haftungsrisiken freigestellt wären, gäbe es gar keine Atomkraftwerke.“ Dem ist nichts hinzu zu fügen.
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Studie und Materialien von Greenpeace zum Thema
Sehr lange schon und gründlich beschäftigt sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace mit dem Thema Kosten und Subventionierung von Atomkraft.
Es lassen sich im Internet dazu viele Informationen finden. Hier wird eine Übersicht von Greenpeace wieder gegeben.
Zur Vertiefung finden sich Materialien im Internet, zum Beispiel unter Greenpeace Themen. Dort kann eine Studie runtergeladen werden.