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UKGM, Land Hessen und ein paar Tausend Beschäftigte

Informationsabend zur Rechtslage mit Marita Kruckewitt, Gewerkschaftssekretärin ver.di, Georg Schulze-Ziehaus, ver.di-Landesbezirk Hessen, Prof. Jens Schubert, Berlin, und MdL Thomas Spies. (Foto Hartwig Bambey)

Marburg 25.3.2011 (yb) Der Beschluß des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 25. Januar 2011 hat Beschäftigte des Universitätsklinikum Gießen Marburg (UKGM) in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Das Land Hessen hat Arbeitnehmerrechte in gravierend unzulässiger Weise verletzt und beschnitten, indem es den Bediensteten ein Widerspruchsrecht vorsätzlich vorenthalten hat. In der Urteilsbegründung findet sich dies in einem Satz ausgeführt.
„Das Land war daher nicht berechtigt, sich selbst kraft Gesetzes seiner arbeitsvertraglichen Bindungen zu entziehen und von der Notwendigkeit zu entlasten, die gewünschte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin im Streitfall im Einklang mit den allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften herbeizuführen.“ (Beschluss Erster Senat BverfG vom 25.1.2011 – 1 BvR 1741/09 -)

Verfassungsgericht bestätigte ursprüngliches Urteil vom Arbeitsgericht Marburg

Dieses Urteil wurde nach seiner Veröffentlichung als Ohrfeige für das Land Hessen bezeichnet und bewertet. „Das ist mehr als eine Ohrfeige. Das Bundesverfassungsgericht hat ganz massive Kritik am Land Hesssen geübt. Es hat ausdrücklich ausgeführt, das das Land sich seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen durch ein Gesetz entzogen hat.“ Diese Aussage vom Direktor des Marburger Arbeitsgerichts Hans Gottlob Rühle im Gießener Anzeiger vom 23.3.2011 kommt zugleich von dem Arbeitsrichter, der eine Klägerin in der Sache erstinstanzlich bestätigt hatte. Sein Urteil wurde vom Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht später verworfen – zu Unrecht, wie das BverfG nunmehr festgestellt hat.

Die rechtliche Bewertung und Prüfung der Konsequenzen des Urteil ist noch im Gange. In jedem Fall ist dem Land Hessen aufgegeben bis 31.12.2011 ein diesbezüglich neues Gesetz (bezogen auf die verfassungswidrigen Regelungen) vorzulegen. Arbeitnehmerrechte am UKGM sind damit nachdrücklich gestärkt worden. Das ist wichtig für die nichtwissenschaftlichen Beschäftigten in Gießen und Marburg. Zugleich können vom Beschluss des BverfG positive Folgen für mögliche ähnlich gelagerte Privatisierungspläne, etwa in Hamburg, ausgehen.

Land Hessen mißbrauchte seine Möglichkeiten als Gesetzgeber

Zugleich hat der höchstrichterliche Beschluss den Doppelcharakter im Handeln der Hessischen Landesregierung entlarvt und bloßgestellt. Das Land als Arbeitgeber wollte sich als Gesetzgeber, der es zugleich ist, seiner grundgesetzlich auferlegten Pflichten als Arbeitgeber, gewissermassen von hinten durch die Kalte Küche, entledigen. Dies zu betreiben war in hohem Masse sozialstaatswidrig und wirft ein harrsches Licht auf das damalige Privatisierungsgeschehen in Gießen und Marburg.

Informationsveranstaltung von ver.di interessiert die Klinikmitarbeiter

Auch darüber wurde in einer von etwa 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Uniklinikums besuchten Veranstaltung informiert. Eingeladen in das TTZ hatte die Gewerkschaft Vereinigte Dienstleistungen (ver.di) zusammen mit dem SPD Unterbezirk. So saß mit Gewerkschaftssekretärin Marita Kruckewitt von ver.di Thomas Spies, zugleich gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, auf dem Podium des Informationsabends. Aus Berlin angereist und mit dankbarem Applaus begrüsst wurde Prof. Jens Schubert, der für ver.di das Klageverfahren von insgesamt neun Klageführern, allesamt ver.di-Mitglieder, begleitet hatte.

Zu der komplexen Materie und konkreten rechtlichen Konsequenzen versuchte Schubert einen Überblick zu geben. In jedem Fall liegt die Bringschuld bei der Landesregierung und dem Hessischen Landtag. Eine einfache Lösung ist dabei nicht in Sicht. Selbst eine denkbare Rückkehr in Dienstverträge des Landes würde, jedenfalls einzelnen, Beschäftigten nicht die Gewähr gesicherter Arbeitsplätze bringen. Dies würde die Existenz solcher Arbeitsplätze voraussetzen. Und eben solche fehlen beim Land Hessen. Im Uniklinikum Frankfurt könnte es allenfalls Arbeitsplätze in geringer Anzahl geben. Damit würde eine betriebsbedingte Kündigung des Landes denkmöglich.

Hessische Landesregierung sieht 3.800 Mitarbeiter betroffen

Zugleich ergeben sich positive Wirkungen, die auf verschiedene Weise gelöst werden können. Darüber informierte Georg Schulze-Ziehaus von ver.di-Landesbezirk Hessen. In jedem Fall wäre es für betroffene Mitarbeiter, das Land geht dabei von insgesamt 3.800 Beschäftigten aus, falsch voreilig neue Verträge zu unterzeichnen. Es könnten zur Regelung tarifvertragliche Vereinbarungen getroffen werden. Bei Verbleib bzw. Rückkehr in ein formales Beschäftigungsverhältnis mit dem Land Hessen könnte es Gestellungsverträge mit dem Rhön-Klinkum geben. Darüber müsste das Land Einvernehmen mit dem Klinikbetreiber herstellen. Ob solche Arbeitsverhältnisse von langer Perspektive wären, wurde als anzweifelbar bezeichnet.

In gemeinsamen Autreten liegt die Chance guter Verhandlungsergebnisse

Wirkliche Macht in starker Verhandlungsposition könnten die heutigen Beschäftigten des UKGM nur entfalten, wenn sie in großer Zahl und gemeinsam auftreten würden. Dann wären sie für den Betrieb des Klinikums unverzichtbar. Einzelne und wenige Mitarbeiter dagegen bleiben immer austauschbar. Insoweit bietet der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad ein gute Grundlage. Doch all das sei schwer einzuschätzen und müsse sorgfältig abgewogen werden, sagte Schulze-Ziehaus. „In jedem Fall rate ich Jedem in Falle anstehender Veränderungen vorher Rechtsauskunft einzuholen und bei uns nachzufragen, ehe irgend etwas unterschrieben wird“ betonte der ver.di-Vertreter.

Die große Teilnehmerzahl an diesem Informationsabend bis hin zu Arbeitsgerichtsdirektor Hans Gottlob Rühle und Oberbürgermeister Egon Vaupel machte anschaulich, dass es oben auf den Lahnbergen um Einiges geht. Derzeit können sich die MitarbeiterInnen nicht einfach zurücklehnen und ihre Arbeit machen. Wobei viele Beschäftigte im Pflegedienst und in anderen Bereichen in den Jahren seit der Privatisierung eine erhebliche Arbeitsvedichtung hinzunehmen haben. So ist es für sie konkret und vordringlich, dass die ihnen in Karlsruhe zugesprochenen Rechte mit materiellem Gehalt gefüllt werden.

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