Energiewende, Benzinpreise und die Sonntagsbrötchen
Marburg 17.4.2011 (yb) Die Energiewende ist in aller Munde und hat zu Politikerverlautbarungen bei den Regierungsparteien CDU und FDP geführt, die ebensowenig vorhersehbar waren wie sie einer Sacheinschätzung der Möglichkeiten regenerativer Energieerzeugung entspringen. Es hat offenbar erst der Katastrophen von Fukishima in Japan bedurft, um das gesamtgesllschaftliche Kräfteverhältnis zwischen der überkommenen Fraktion von Industrie- und Kapitaleignern, Stichwort Atomlobby, und den neuen Exponenten regenerativer Energieträger zu verschieben – trotz und wegen des erst kurz zuvor versuchten Atom-Moratoriums von Schwarz-Gelb. Um so mehr müsssen und können Äußerungen von vorweggehenden Unionspolitikern und einzelner Liberaler frappieren. Green Capitalism ist jetzt angesagt. Dass dabei die Eigner der großen Vier, von Eon, RWE, EnBW und Vattenvall, nicht schlechterdings hinten runterfallen, belegt eine ökonomische Einschätzung aus dem Hause RWE. Dort ist man zwar von der Biblis-Stillegung betroffen, hat jedoch einige Kohlekraftwerke in Betrieb, die sich verstärkerter Auslastung erfreuen werden. Was in der einen Hand verloren geht, nimmt die andere zusätzlich ein.
Mit den Osterferien hat das durchaus berechtigte, zugleich hochrituelle und scheinheilige Gejammer um die pünktlich erhöhten Benzinpreise begonnen. Da müssen Autofahrer eben durch – mit ihren spritsaufenden übermotorisierten Limousinen in Erfinderland des Automobils und heutigem mehrfachen Weltmarktführerstandort BRD. Wer weiter verreist in den Ferien, kann in Polen und anderen kontinentalen Nachbarländern deutlich billiger auftanken. Das ist eine Seite bei den Spritpreisen, von Energiewende kann keine Rede sein.
Ebensowenig ist offenbar ein sonderlich geändertes Verbraucherverhalten in Sicht. Vorhin beim Sonntagsbrötchen holen, beim Bäcker, nicht an der Tanke, was nicht wenige Zeitgenossen für nomal halten. Also vorhin, die Glocken hatten gerade zum sonntäglichen Kirchgang geläutet, standen fünf oder sechs Wartende vor dem Verkaufstresen für das Sonntagsbackwerk. Ein jünger Mann hatte bezahlt, wendete sich zum Ausgang, stutzte, begrüßte dann mit freundlichem Hallo eine Nachbarin aus seiner Wohnstraße. „Bist du mit dem Auto hier?“ entfuhr es seinem Mund. Die Angesprochene grüßte freundlich zurück und sagte mit gewisser Befangenheit „ja, ich bin auch gefahren.“ Der motorisierte Sonntagsbrötchenholer ging (zu seinem Automobil) und die motorisierte Sonntagsbrötchenholerin übermittelte ihre Brötchenwünsche.
Es bleibt, möglichst vielen Lesern einen erholsamen Sonntagsspaziergang zu wünschen.