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Für eine Befreiung Marburgs von seiner Autobahn

Marburg 6.8.2011 (red) Als polemisch-provozierend bezeichnet der jüngste* Autor eines Gastbeitrags seine Ausführungen, seine Gedankenführung und seine Konklusion zu den vorherrschenden Marburger Verkehrsverhältnissen, vulgo zum Thema Automobilisierung, und konkret zum „leidigen Thema Stadtautobahn“, wie er in knappen Worten in der E-Mail an die Redaktion geschrieben hat. Er ist der übermittelten Anschrift nach ein Marburger. Die Mail lag frisch (*zu diesem Wochenende) im Postfach. Dankeschön sagt die Redaktion und veröffentlicht gerne und ohne Verzug.

Gastbeitrag von Felix Proksch. Die Flehenden. Die Marburger Altstadt in trübem Nebel, davor etwas, das man von hier oben für eine Carrera-Rennbahn halten könnte – so flitzt es da. Dazu eine einzigartige Geräuschkulisse. Schaut da jemand Formel-1 und hat seinen Fernseher zu laut gedreht? Wer in Spiegelslust seine wohlverdiente Naherholung zu praktizieren bestrebt ist, kann sich leicht fragen, ob da nicht der Name des ehrenwerten Herrn von und zu Spiegel verunglimpft wird: Spiegelslust? – Spiegelsqual!
Wenigstens steht er nicht allein da, denn an Orten, wo man diesen oder ähnliche Eindrücke gewinnen kann, mangelt es in Marburg glücklicherweise nicht.



Zwei Lager haben sich in der altehrwürdigen Universitätsstadt also gebildet:
Die einen, nennen wir sie die Befürworter, sitzen entweder im Rathaus, hängen an den Lippen desselben, wohnen jedenfalls meist weit genug von der Autobahn entfernt – diese Befürworter werden nicht müde ihren Leierkasten in fast schon religiösem Eifer zu leiern: Wir brauchen sie, die Autobahn! Arbeitsplätze! Infrastruktur! Verbindung der Ballungsgebiete! Nein, auch Tempo 80 schadet schon der Wirtschaft, schadet der Region! Ein törichter Menschenverachter, der all dies nicht sieht oder sehen will! (Die Ausrufezeichen werden nicht mitgeleiert, dafür ist der Leierkasten schon zu abgeleiert.)
Kaum ist der letzte Ton verklungen, erheben sich schon die anderen, nennen wir sie die Gegner, von ihren Sesseln, um gleich darauf vor dem Rathaus auf die Knie zu fallen, den Rücken krümmen und zu wimmern: Bitte, Bitte! Wir flehen Euch an, gebt uns doch wenigstens Tempo 80! Von einem Tunnel will ich gar nicht erst reden, Majestät! Der Feinstaub, die Natur! Die Lebensqualität, die Gesundheit! Wir empfehlen uns ehrerbietig! (Hier werden die Ausrufezeichen gesprochen oder eher gewinselt.)

Die Gegner warten angespannt und tatsächlich geschieht etwas: Ein Fenster des Rathauses öffnet sich kurz, jemand ruft mit gelangweilter Stimme: Wir prüfen das. – und das Fenster geht zu. Ein paar Monate später, die Gegner knien noch immer mit gekrümmten Rücken auf dem Kopfsteinflaster, tritt jemand aus dem hohen Haus heraus und hebt zur Erklärung an: Es tut uns leid, aus dem und dem Grund, Sie wissen schon … Zuständigkeit, Paragraf 10a, verwaltungstechnisch nicht möglich … ich hoffe Sie verstehen, wir haben alle Möglichkeiten geprüft, aber es tut uns leid.
Die Enttäuschten ziehen gesenkten Hauptes ab und überlegen, ob sie es das nächste mal nicht vielleicht vor einem anderen, höheren Haus probieren sollten. (Fortsetzung folgt)

An der Situation in Marburg wird sich nichts ändern, solange es bei Bittschriften und halbherzigen Forderungen bleibt.
Warum nur Tempo 80?
Warum nur Tempo 60?
Warum nur einen Tunnel?
Das Abgas verschwindet dadurch nicht und das grundsätzliche Problem bleibt. Dieses Problem ist nicht nur die Marburger Stadtautobahn, sondern ein generelles, eines, das direkt von dem ersatzreligiösen Fortschrittsglauben herrührt.

Beispiel Energiewende: Wo wendet sich denn da eigentlich die Energie? Nirgends. Die Atommeiler werden ausgeschaltet und statt dass man es dabei belässt, werden Unmengen neue Stromkraftwerke (welcher Art auch immer) gebaut. Am Ende muss es sogar mehr Energie geben als vorher mit den Atommeilern, schließlich schreitet ja alles fort.
Wenn das Problem lautet: Gestank, Abgas, Lärm, Klimaerwärmung – dann kann die Lösung nicht heißen: Fahrt bitte langsamer verehrte Mitbürger, wir gehen inzwischen in den Keller und schauen mal, ob wir vielleicht ein besseres Auto basteln können – mit Strom oder so.

Und wo soll der Strom für die Abermillionen tollen neuen Autos dann herkommen? Solche Lösungen sind keine. Fortschritt heißt vor allem Fortschritt der Zerstörung. Fortschritt = Weitermachen.

Es ist das scheinbar Undenkbare, Unaussprechliche, das man wollen und vor allem umsetzen muss: Autos weg.
Bittschriften haben selten etwas bewirkt. Eher haben sie die Mächtigen am Ende noch gestärkt.

Nur durch Taten lässt sich etwas bewirken. Genauso wie wir normalerweise von den Herrschern vor vollendete Tatsachen gestellt werden, genau auf diese Weise sollten wir auch vorgehen und sie endlich auch mal in den Genuss einer alternativlosen, vollendeten Tatsache stellen: Autobahn beschlagnahmen, Brücken abreißen, größte Promenade Marburgs einweihen.

Wenn wir stärker sind, werden wir auch siegen. Wenn nicht, haben wir es auch nicht verdient. Wozu auf Politiker, auf Parlamente, auf welche Institution auch immer vertrauen, wenn man selbst einen Willen hat?

Für eine Befreiung Marburgs von seiner Autobahn,

Yiihaa!

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