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Kontingentierung der Plätze im Bundesfreiwilligendienst erfährt deutliche Kritik von Verbänden

Wiesbaden, Marburg 17.2.2012 (pm/red) Im Zuge der Aufhebung der Wehrpflicht in Deutschland im Jahr 2011 ist auch der Zivildienst als Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer entfallen. Damit sind in vielen Verbänden kostengünstige Arbeitskräfte nicht mehr tätig und rekrutierbar. In Hessen haben zeitweise knapp 5.000 junge Männer ihren Zivildienst abgeleistet. Um diesem Wegfall entgegen zu wirken, ist zum 1. Juli 2011 der Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingeführt worden. Von vielen Stellen wurde in den vergangenen Monaten lebhaftes Interesse an Stellen im BFD gemeldet, seitens Freiwilliger und an der Ableistung sozialer Arbeiten Interessierter ebenso, wie von Seiten der Träger. Für Hessen wird eine  aktuelle Zahl von 1.500 Freiwilligen im BFD gemeldet, die von Verbänden und Einrichtungen gewonnen werden konnten. Doch jetzt drohen Probleme, weshalb mehrere Verbände an die Öffentlichkeit gegangen sind.

Zum 15. Januar dieses Jahres wurde bundesweit ein sofortiger Stopp für den Bundesfreiwilligendienst ausgerufen, denn die vom Bundesfamilienministerium geplante Platzzahl von 30.000 finanzierten Plätzen für die erste Jahreshälfte 2012 war erreicht. Zum Juni 2012 sollen 5.000 weitere für die zweite Jahreshälfte folgen. Damit wäre eine Planzahl von insgesamt 35.000 Plätzen erfüllt.  Problem ist, dass alle sozialen Dienste, deren schon genehmigte Plätze noch nicht mit Freiwilligen besetzt waren oder deren Einsatzstellen sich noch im Genehmigungsverfahren befanden, jetzt leer ausgehen sollen. Freiwillige, die sich bereits auf ihren Einsatz vorbereitet hatten, mussten nach Hause geschickt werden. Wie die vielen sozialen Unterstützungstätigkeiten, die ehemals von Zivildienstleistenden und jetzt von Freiwilligen des Bundesfreiwilligendienstes geleistet werden sollen, bleibt offen berichtet der PARITÄTISCHE Hessen in einer Pressemitteilung.

Initiative von Hessischem Landkreistag, Hessischen Städtetag, Hessischen Städte- und Gemeindebund und PARITÄTISCHER Hessen

Der PARITÄTISCHE Hessen hat früher federführend Zivildienstleistende in soziale Organisationen vermittelt und leistet dies jetzt bei Freiwilligen im BFD. Doch dem derzeit großen Interesse von Einsatzstellen und Bewerber/innen am Bundesfreiwilligendienst kann aufgrund des Einstellungsstopps des Bundesfamilienministeriums jetzt nicht mehr entsprochen werden. Daher hatte der PARITÄTISCHE Hessen zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund, dem Hessischen Landkreistag sowie dem Hessischen Städtetag nach Wiesbaden eingeladen.

„Angesichts des Bewerberansturms ist eine Kontingentierung der Plätze zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal!“, sagte Günter Woltering, Geschäftsführer des PARITÄTISCHEN Hessen. „Freiwilliges Engagement ist enorm wichtig für soziale Arbeit in allen Lebensbereichen, zumal die Plätze im Bundesfreiwilligendienst den schmerzlichen Wegfall des Zivildienstes ohnehin schon nicht kompensieren können. Wir fürchten außerdem, dass die Ablehnung zum jetzigen Zeitpunkt Bewerberinnen und Bewerber abschreckt, sich auch weiterhin freiwillig sozial zu engagieren.“ Für viele soziale Einrichtungen sei der Stopp extrem schwierig, da sie auf die Unterstützung durch die Freiwilligen angewiesen sind. Nicht mal die Möglichkeit, die Freiwilligen selbst zu finanzieren in der Rechtsform des BFD bleibe ihnen, da der Rechtsrahmen des BFD explizit nur für staatlich subventionierte Plätze Geltung hat

Herber Rückschlag für soziale Einrichtungen und motivierte Freiwillige

Vom Geschäftsführenden Direktor des Hessischen Städtetages, Dr. Jürgen Dieter, wird die Kontingentierung als  „herber Rückschlag“ bezeichnet. „Die Städte haben große Anstrengungen unternommen, um Freiwillige zu gewinnen und zu qualifizieren. Diese haben ein großes Interesse an der Arbeit in Kindergärten, Ganztagsschulen, Senioren- und Pflegeheimen, Sportvereinen oder Rettungsdiensten. Die Einrichtungen sind auch alle auf Freiwillige angewiesen, um qualitativ hervorragende Arbeit leisten zu können.“ Der Bund müsse deshalb zusätzliche Mittel zum Ausbau der Plätze und damit zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vorsehen. Jeder in dieses Engagement investierte Euro sei eine gute Investition in die Zukunft des Landes, meint der Sprecher des Städtetages.

„Wer Beschränkungen beim Bundesfreiwilligendienst akzeptiert, nimmt damit auch billigend Verschlechterungen in der kommunalen Infrastruktur in Kauf“, kommt als Mahnung vom Geschäftsführenden Direktor des Hessischen Landkreistages, Dr. Jan Hilligardt. „Jeder aktive Freiwillige mehr hilft den Landkreisen, Städten und Gemeinden sowie den sozialen Einrichtungen und Diensten, die großen Ausfälle nach dem Wegfall des Zivildienstes auszugleichen. Und dies ist zwingend notwendig, um die gewachsene soziale Infrastruktur für die Menschen vor Ort aufrecht zu erhalten.“ Mit einer Aufhebung der Kontingentierung könne Signal dafür gesetzt werden, dass freiwilliges soziales Engagement erwünscht und die Aufrechterhaltung der sozialen Strukturen gewollt sind.

„Das kommunale Gemeinwesen ist in vielen Bereichen auf freiwillige Helfer angewiesen“ ergänzt Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes.   Der BFD sei gerade Jugendlichen mit Verweis auf eine Orientierungsphase vor der Berufswahl und zur Stärkung ihrer sozialen Kompetenz empfohlen worden. Diesen Jugendlichen nun eine Absage zu erteilen, würde eine nicht wieder gut zu machende Wirkung entfalten, die unbedingt vermieden werden müsss. Daher sollten die Finanzmittel unbedingt aufgestockt und weitere BFD-Plätze ermöglicht werden, lautet der Vorschlag von Schelzke.

Gemeinsamer Vorschlag: Kontingentierung im BFD aufheben

Alle Verbände treten vehement dafür ein, dass die Kontingentierung aufgehoben und das Haushaltsbudget für den Bundesfreiwilligendienst in 2012 erhöht wird. Weiterer Vorschlag von Seiten der Verbände in Hessen ist eine Übertragbarkeit des Rechtsrahmens auf Freiwillige, die von den Institutionen selbst finanziert werden, zu ermöglichen.
Welche Motive das Bundesfamilienministerium bei solch knapper Kontingentierung der Plätze leitet, ist unklar. Der Wegfall des Zivildienstes ist eine bekannte Tatsache mit etwa für Träger freier Wohlfahrtspflege bekannten Nachteilen. Darüber hinaus gibt es viele Kommunen und soziale Institutionen mit schwacher Finanzausstattung, zugleich aber hohen und wachsenden Aufgaben in sozialen Bereichen.

Auch vor diesem Hintergrund bietet sich an – sollte Mensch mit Blick auf den viel beschworenen Sozialstaat meinen – den Bundesfreiwilligendienst angemessen auszustatten. Dies gilt für die Anzahl der Plätze, die Finanzmittel und für einen sinnvollen Rechtsrahmen. Die sich gerne alert gebende Familienministerin Kristina Schröder sollte dieser Initiative und Kritik aus Hessen zum BFD angemessene Aufmerksamkeit geben. Hier droht womöglich bald viel mehr Ärger bald auch noch aus anderen Bundesländern.

Hintergrundinfo zum BFD
Beim Bund als Träger des BFD sind für 2012 Haushaltsmittel von 170 Millionen Euro eingeplant. Das entspricht einer Obergrenze von 35.000 Plätzen. Eine Aufstockung auf zum Beispiel 60.000 Plätze würde den Bund weitere 100 Millionen Euro kosten. Wohlfahrtsverbände hatten erklärt, dass sie in 2012 mit bis zu 60.000 Bewerbern für den neuen Dienst rechnen würden. Der Staat zahlt für jeden Platz rund 550 Euro im Monat.

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