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Wohin die Hochschulabsolventen gehen – Bildungsrendite auf den Prüfstand

Kassel, Marburg 8.5.2021 (pm/red) Dass Regionen von Hochschulabsolventen profitieren, wird weithin angenommen. Aber gibt es auch ‚Ausbildungsregionen‘, deren Absolventen abwandern und andere Städte oder Regionen Nutznießer sind? Dieser Frage gehen Wissenschaftler der Uni Kassel nach. Die Ergebnisse der Studie, die 2014 abgeschlossen wird, könnten der Diskussion um die Hochschulfinanzierung eine neue Richtung geben. Forscher des Fachgebiets Allgemeine Wirtschaftspolitik der Universität Kassel wollen erstmals auf einer breiten Datenbasis ermitteln, ob sich die Investitionen in die Hochschulausbildung für die Regionen auszahlt. In welchem Ausmaß und auf welche Weise profitieren Universitätsregionen wirtschaftlich von Hochschulabsolventen, wie mobil sind Hochschulabsolvent(inn)en und wohin gehen diese gegebenenfalls nach Studienabschluss mit ihrem Wissen?

Das Wissenschaftlerteam unter Leitung von Prof. Guido Bünstorf und Dr. Stefan Krabel will fünf Hochschulregionen in den alten Bundesländern untersuchen, darunter etwa Hamburg und Nordhessen. Untersucht werden Hochschulen in Metropolen, in gering besiedelten Regionen, in aufstrebenden wie in wirtschaftlich eher schwachen Regionen, um möglichst allgemeingültige Ergebnisse zu erhalten. Das Forschungsprojekt ‚REBILD – Regionale Bildungsrenditen durch Beschäftigung von HochschulabsolventInnen‘ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 250.000 Euro gefördert.

Verzahnung zwischen Wirtschaft und Hochschule
Die Kasseler Wissenschaftler wollen ermitteln, inwieweit die Universität und die regionale Wirtschaft verzahnt sind. Sie befragen auch zehn bis fünfzehn der größten Unternehmen der jeweiligen Region, regionale Wirtschaftsförderer und Hochschulmitarbeiter. Ziel ist es unter anderem zu klären, welche Verbindungen und Kooperationen zwischen Hochschulen und großen Wirtschaftsakteuren der Region bestehen und in welchem Ausmaß die Privatwirtschaft lokal ausgebildete Hochschulabsolventen beschäftigt.

Klar sei, dass Universitätsstandorte in Metropolen allein wegen der Größe ihres Arbeitsmarkts Vorteile hätten, sagt Projektmitarbeiter Dipl.-Pol. Nicolas Winterhager. Der Doktorand untersucht im Rahmen des Projekts, welche Bedeutung die Hochschulausbildung für die regionalen Wirtschaftsunternehmen besitzt. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Unternehmen beispielsweise Studierende unternehmensspezifisch qualifizieren – etwa durch Praktika, Trainee- oder duale Studienprogramme – oder ob die Chefs lieber ihre Jungakademiker aus anderen Hochschulregionen abwerben.

Wie mobil sind Jung-Akademiker?
Wie es um die Mobilität der Jung-Akademiker bestellt ist und inwieweit diese bereit sind, nach dem Abschluss der Region ihrer Hochschule den Rücken zu kehren, ist eine weitere Fragestellung. Da sie meist jung sind, gut ausgebildet und noch ohne Familie, gelten Hochschulabsolventen meist als hochgradig mobil. „Empirisch lässt sich diese Annahme bislang nicht belegen“, sagt Diplomökonom Norman Vogt vom Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik. Die bislang vorliegenden Daten legten einen anderen Schluss nahe: „Knapp 60 Prozent der Absolventen der Universität Kassel verbleiben nach ihrem Studium in Nordhessen.“ Für die Studie können die Wirtschaftswissenschaftler auf Daten von rund 120.000 Absolvent(inn)en zurückgreifen, die das Internationale Zentrum für Hochschulforschung der Universität Kassel (INCHER) regelmäßig an rund 50 Hochschulen in 13 Bundesländern erhebt.

Bindung an den Hochschulstandort
Wie nachhaltig ein Hochschulstandort seine Absolventen an die Region bindet, will Vogt in seiner Doktorarbeit durch eine umfassendere Datenauswertung klären. Er verfolgt den Werdegang und Arbeitsplatzwechsel von Uniabsolventen anhand von amtlichen Arbeitsmarktdaten über Jahrzehnte zurück. Sollte sich bestätigen, dass Absolventen auch mittel- und langfristig eine starke Präferenz für eine Berufstätigkeit am Studienort haben, dann ist das regionale Angebot an Studienplätzen eine wesentliche Voraussetzung dafür, zukünftig ausreichend viele hochqualifizierte Arbeitnehmer an die Region zu binden.

Verteilungsgerechtigkeit?
Die Ergebnisse der Kasseler Forscher könnten spürbare Auswirkungen auf die Hochschul- und Strukturpolitik der Länder haben. Ließe sich nachweisen, dass die Mehrzahl der Studierenden nach dem Abschluss einen Job am Studienort oder zumindest in dessen Nähe sucht, müssten neue Hochschulstandorte dort geschaffen werden, wo in den kommenden Jahrzehnten ein drastischer demographischer Wandel droht.

Ließen sich dagegen große Wanderungsbewegungen der Hochschulabsolventen zwischen den Bundesländern nachweisen, dürfte dies die Debatte um die Hochschulfinanzierung neu anfachen. „Wenn sich eine systematische Verzerrung der Bildungsrenditen ergibt, könnte man an einen Bildungsfinanzausgleich denken“, sagt Krabel. Das könnte bedeuten: Wer viel in die Hochschulbildung investiert, aber wenig davon profitiert, bekommt Geld von den Ländern zurück, die diese Früchte ernten.

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