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Modellprojekt gegen Millionendefizit an Philipps-Universität

Marburg 21.5.2012 (yb) 29,4 Millionen Euro Defizit in der Jahresrechnung 2011 der Philipps-Universität  wurden gemeldet. Das ist happig und hat das Ministerium in Aktion gebracht. In der letzten Senatssitzung gab es Auskünfte zum Jahresabschluss 2011 von Kanzler Friedhelm Nonne. Der ‚kaufmännische Verlust‘ sei nicht gleichbedeutend mit einem ebensolchen Fehlbetrag in der Kasse. Die Liquidität der Marburger Uni sei nicht gefährdet. Zuvor hatte Ministerin Kühne-Hörmann die Unipräsidentin und den Kanzler zum Rapport nach Wiesbaden einbestellt. Und das nicht ohne Konsequenzen. Die Universitätsleitung muss ein externes Beratungsunternehmen akzeptieren, von dem die Finanzlage analysiert werden soll. Das ist happig.

Zunächst einmal zu den Zahlen, in denen es gleich mehrere ‚Einmaleffekte‘ geben soll. 7,1 Millionen Euro seien Rückstellung für Vergütungsansprüche, die nach einen Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Lasten der Universität fällig werden können. 9,5 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt seien als Belastung zu buchen. 9,2 Millionen Euro seien für Nachzahlungen für Leistungen an das Uniklinikum bereit zu stellen. Dazu gebe es ein ’strukturelles Defizit‘ von 7 Millionen Euro. Diese Aufschlüsselung ist freilich keine Erklärung über deren Zustandekommen. Das Versagen des Controllings wurde in der Senatssitzung denn auch deutlich kritisiert.

Ministerium und Universitätsleitung bekunden Einigkeit in der Einschätzung, „dass die Finanzlage der Universität vertieft untersucht werden“ muss. Zum Problem kann dabei für die Marburger Universität werden, dass ein externes Beratungsunternehmen das Heft in die Hand nehmen soll. Das bedeutet einen klaren Autonomieverlust. So, wie die Hochschule eine Haushaltshoheit hat, sollte sie auch die Hoheit haben und behalten eigene finanzielle Probleme zu analysieren. Doch das war nach dem Zoff mit der Ministerin wohl nicht mehr drin.

Na klar, in der Pressemitteilung wird Einvernehmen mitgeteilt. „Die Universität und das Ministerium sehen das Vorhaben als ein Modellprojekt, mit dem für eine Universität mit finanziellen Strukturproblemen Handlungsmöglichkeiten in einem betont wettbewerbsorientierten System der Hochschulfinanzierung dargestellt werden sollen“, gibt es zu lesen. Als ‚Modellprojekt‘ wird kapriziert, was der Universität und ihren Akteuren empfindliche Folgen bescheren kann.
Die Pressemitteilung ist dabei durchaus deutlich: „Um bestehende Organisationsdefizite im Haushalts- und Rechnungswesen der Universität unverzüglich abzustellen, wird sich die Universität kurzfristig um einen Wissenstransfer von anderen Universitäten bemühen und außerdem die einschlägigen Verwaltungsstrukturen reorganisieren.“ ‚Organisationsdefizite im Haushalts- und Rechnungswesen‘  werden damit eingestanden. Das ist kein Pappenstiel, vielmehr ein tiefgreifendes Problem an sich.

Dabei hat die Universitätsleitung offenbar keine Chance eingeräumt bekommen ihre eigenen Probleme zunächst einmal selbst zu erkennen, um sie dann aus der Welt zu schaffen. Das ist nicht als selbstverständliche Konsequenz zu betrachten. Es erfolgt ein massiver Eingriff in die Autonomie der Hochschule, ihre Verwaltung und ihr Recht sich geeignete und adäquate Strukturen zu schaffen. Es sollen strukturelle Veränderungen in der Verwaltung und im Studienangebot in Betracht gezogen werden, findet sich dann noch zu lesen. Das ist knapp vor dem Offenbarungseid, um es einmal so auszudrücken. Ministerin Kühne-Hörmann hat sich offenbar ganz und gar durchgesetzt.

Dies findet sich abschließend wie folgt umschreiben: Ferner wird die Philipps-Universität ihre bereits eingeleiteten Konsolidierungsmaßnahmen verstärken. Für 2012 strebt die Hochschulleitung ein ausgeglichenes Jahresergebnis an. Ohne zusätzliche Schritte sind jedoch weitere Verluste für die Folgejahre nicht auszuschließen. Vor diesem Hintergrund ist auch eine verstärkte Liquiditätsplanung notwendig. Die Hochschulleitung und das Ministerium werden sich kontinuierlich über die weitere Entwicklung austauschen.

So wird zu beobachten sein, wie dieser euphemistisch als ‚Modellprojekt‘ bezeichnete Durchgriff des Ministeriums von statten gehen wird. Kommt demnächst ‚Ernst & Young‘ nach Marburg, um das universitäre Haushalts- und Rechnungswesen gründlich unter die Lupe zu nehmen? Unabhängig davon, wer die externe Beratungsfirma sein wird, wird damit eine neue Stufe neoliberalen Regimes über die Marburger Uni gestülpt.

Präsidentin und Kanzler können nur gute Miene zum bösen Spiel machen. Ihnen wird die Haushaltshoheit entzogen. Sie – und verknüpft damit die Gremien der Philipps-Universität – bekommen einen wesentlichen Gestaltungsbereich entzogen. Bei alledem ist kein Wort zu den Ursachen, den Zahlen, beispielweise zu geringen Landeszuweisungen in Zeiten steigender Studierender, zu vernehmen. Deutlicher geht es kaum. Alles nur Panne und Versagen der Haushälter und des Controllings – innerhalb der Universität?

Die Philipps-Universität steht nicht nur dumm da. Sie ist angeschlagen und in wichtigem Bereichen der Gestaltungshoheit beraubt. Das lässt nichts Gutes erwarten. Zu den völlig ungelösten Problemen um das Scheitern der Privatisierung des Uniklinkums kommt jetzt dieser massive Eingriff. Oder gibt es hier einen Zusammenhang? Hat Unipräsidentin Krause über aus dem Ruder gelaufene Finanzen zum Thema UKGM jetzt einen Maulkorb?

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