Wie Menschen auf gleicher Wellenlänge kommunizieren
Marburg 17.7.2012 (pm/red) Wie gelingt es Menschen in Gesprächen, sich wechselseitig so auszurichten, dass die Kommunikation weitgehend ohne Missverständnisse und Störungen gelingt? Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Sonderforschungsbereichs 673 ‚Alignment in Communication‘ der Universität Bielefeld ist es eine besondere Fähigkeit von Menschen, sich im Dialog aufeinander einzustellen. Ihre bisherigen Befunde zu diesem Thema präsentieren die Wissenschaftler auf der Konferenz ‚Ausrichtung in der Kommunikation: Ansätze zu einer neuen Kommunikationstheorie‘ vom 19. bis 21. Juli im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Sie diskutieren dort mit Forscherinnen und Forschern aus 13 Ländern.
‚Ausrichtung in der Kommunikation‘ ist eine neue Richtung in der Kommunikationsforschung, die seit 2006 in dem gleichnamigen Bielefelder Sonderforschungsbereich (SFB) untersucht wird. Der SFB ist auf zwölf Jahre angelegt und wurde zuletzt 2010 für vier Jahre verlängert. Die Wissenschaftler erforschen, wie es Menschen unkompliziert und mühelos möglich ist, sich im Dialog aufeinander auszurichten und auf gleicher Wellenlänge zu kommunizieren. Diese Ausrichtung läuft in vielen Fällen ‚automatisch‘ und unbewusst ab. Ein Beispiel für die gegenseitige Ausrichtung von Gesprächspartnern hängt mit Gesten zusammen. Wenn eine Person ihr Gegenüber am Kaffeetisch bittet, das Milchkännchen links abzustellen, dann muss mit sie einer Rückfrage rechnen: „Meinst du links von dir aus oder von mir aus?“ Erfolgt die Aufforderung mit einer Handbewegung, ist die Rückfrage unnötig. Ebenfalls deutlich wird die Ausrichtung in der Kommunikation, wenn zwei Dialogpartner sich im Lauf des Gesprächs im Sprachrhythmus angleichen und sich so müheloser verstehen.
„Zur Halbzeit unserer Forschungsagenda stellt die Tagung unsere bisherigen Erkenntnisse einem internationalen, interdisziplinären Expertenkreis zur Diskussion und Kritik“, sagt Prof. Ipke Wachsmuth, Sprecher des Sonderforschungsbereichs, der dieses Amt am Ende der Tagung an seinen Kollegen Prof. Jan de Ruiter übergeben wird. Die Bielefelder Wissenschaftler gehen davon aus, dass Kommunikation zwischen Menschen zu komplex, flexibel und unvorhersagbar ist, um allein als Austausch von Nachrichten erklärt werden zu können. „Es gibt derzeit keine Kommunikationstheorie, die umfassend und konkret genug ist, um die Vielzahl der beobachteten Phänomene zu erklären und auch Vorlagen für künstliche kommunikationsfähige Systeme zu liefern“, sagt Ipke Wachsmuth. Jan De Ruiter sieht die Chance, dass die Konferenz Impulse für eine neue Theorie beisteuert: „Wir hoffen, eine Diskussion zwischen den aktuell vorherrschenden Strömungen in der Kommunikationsforschung und Dialogtheorie in Gang zu setzen, um Ansätze zu einer neuen Kommunikationstheorie zu entwickeln.“
Der Sonderforschungsbereich ‚Alignment in Communication‘ arbeitet interdisziplinär, indem er Informatiker, Linguisten, Psychologen und Neurowissenschaftler zusammenbringt. Zum Einsatz kommen Methoden der Kommunikationsanalyse und der Neurolinguistik ebenso wie die experimentelle Methodik der Psychologie. Die Forscherinnen und Forscher analysieren zum Beispiel Augenbewegungen von Sprechern und Zuhörern. Diese geben Auskunft über den aktuellen Aufmerksamkeitsfokus und erlauben so Rückschlüsse auf Wahrnehmungs- und Denkprozesse der jeweiligen Person. Auch die nichtsprachlichen Mittel Mimik und Gestik erkunden die Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs, um den Denkprozessen auf die Spur zu kommen, die dafür sorgen, dass ein Dialog gelingt. Gleichzeitig wenden sich die Forscher dem ‚Misalignment‘, also den Fehlschlägen in der Ausrichtung zu. Denn auch diese Störungen lassen Rückschlüsse auf die Prozesse zu, mit denen sich Menschen wechselseitig abstimmen, wenn sie kommunizieren. Für die Modellierung und Simulation solcher Prozesse werden linguistische Ansätze mit Verfahren der Informatik, Robotik und Künstlichen Intelligenz kombiniert.