Politische Forderungen zum Rückkauf der Unikliniken Gießen und Marburg formieren sich
Marburg 4.8.2012 Pm/red) Bei den Auseinandersetzungen um die Zukunft des UKGM gibt es keine Sommerpause. Die Probleme bewegen weiter Menschen zu den gesundheitspolitische Montagsgebeten in die Elisabethkirche. Aktuell gibt es Beschlüsse und Verlautbarungen von Parteien aus dem Oppositionslager und der Gewerkschaft ver.di mit Forderungen nach Rückkauf. „Gesundheit darf keine Ware sein“ fordern gemeinsam der hessische ver.di-Fachbereich Gesundheit sowie Landesvorstand und Landtagsfraktion der Partei DIE LINKE Hessen. Nach Angaben des ver.di Gesundheitsexperten Georg Schulze-Ziehaus sei die ungenügende Finanzierung von notwendigen Bauinvestitionen in vielen Fällen die Ursache für finanzielle Schieflagen und letztendlich den Verkauf von kommunalen Kliniken an private Konzerne. Investitionen in die Bausubstanz von Kliniken müssten zwar nach geltender Rechtslage die Länder zahlen, in der Regel lägen die öffentlichen Mittel aber noch nicht einmal bei 50 Prozent der notwendigen Investitionssummen. Was fehlt, müsse dann aus „Eigenmitteln der Kliniken aufgebracht werden, das bedeutet bei gleichen Fallpauschalen (DRG) für jede Klinik in aller Regel den weiteren Abbau von Pflegekräften und anderem nichtärztlichen Personal.
„Geld für eine bessere finanzielle Grundlage der Krankenhäuser ist genug da! Anstatt die öffentliche Haushalte durch die unsinnige Einführung von ‚Schuldenbremsen‘ kaputt zu sparen, ist eine höhere Besteuerung von privaten Vermögen, Konzernen und Banken unbedingt notwendig, um die öffentliche Infrastruktur im Interesse der Menschen zu erhalten und auszubauen. Darum unterstützen wir gemeinsam mit ver.di den bundesweiten Aufruf ‚Umfairteilen-Reichtum besteuern‘, und rufen zur Großdemonstration am 29. September 2012 in Frankfurt auf“, artikuliert die Landtagsabgeordnete Marjana Schott (DIE LINKE) dazu.
ver.di und DIE LINKE wollen in Hessen gemeinsam für ausreichende öffentliche Klinikinvestitionen und gesetzliche Personalmindeststandards eintreten. „Wir wollen kommunale Kliniken in kommunaler Hand belassen und zukünftig keine Baustellen mehr durch den Abbau von Personalstellen finanzieren“ fasst der hessische Fachbereichsvorsitzende Matthias Dippel die ver.di-Positionen zusammen. Bereits privatisierte Kliniken müssen wieder zurück in öffentliche Hände, fordert die stellvertretende Landesvorsitzende der LINKEN in Hessen Gabi Faulhaber. Für das Universitätsklinikum Gießen-Marburg fordern ver.di und DIE LINKE die hessische Landesregierung auf, alle rechtlichen Möglichkeiten zum Rückkauf der Kliniken zu nutzen, denn Unikliniken, so Faulhaber „dürfen nicht zur Handelsware an der Börse verkommen. Ministerpräsident Volker Bouffier hätte jetzt die einmalige Chance, einen Kardinalfehler seines Vorgängers Roland Koch rückgängig zu machen und das Uniklinikum wieder in Landeseigentum zurückzuführen!“
Auch Piratenpartei für Rückkauf
Die Piratenpartei Hessen ist der Ansicht, dass die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) nach sechs Jahren privater Trägerschaft als gescheitert zu betrachten ist, da entgegen ursprünglicher Versprechungen massive Verschlechterungen der Patientenversorgung sowie der Bedingungen für Forschung und Lehre festzustellen sind. Das Land Hessen sollte daher alle Möglichkeiten zur Rückführung des UKGM in Landeseigentum prüfen und die hierfür bestehenden Optionen öffentlich zur Diskussion stellen.
»Unser vorrangiges Ziel ist es, die Qualität der Patientenversorgung sowie der Forschung und Lehre wieder sicherzustellen«, erklärt Christoph Steltner, einer der Initiatoren eines Meinungsbilds bei Parteimitgliedern. Der 26 Jahre alte Medizinstudent ist ehemaliger Schatzmeister des Kreisverbands Marburg-Biedenkopf und engagiert sich in der Lokalpolitik.
Ein Universitätsklinikum hat nach Meinung der PIRATEN einen wichtigen gesellschaftlichen Versorgungsauftrag und muss entsprechend hohen Ansprüchen gerecht werden. Aus diesem Grund ist die öffentliche Trägerschaft von Universitätskliniken oder zumindest eine vertragliche Absicherung der Qualität von Patientenversorgung sowie Forschung und Lehre unabdingbar.
Im Rahmen eines so genannten virtuellen Meinungsbilds wurden alle hessischen Piraten per E-Mail zu diesem Thema befragt. Nach öffentlicher Diskussion der Inhalte stimmten 70,5 Prozent für die Verabschiedung des Positionspapiers. Die Beteiligung an dieser Umfrage lag bei 23,9 Prozent.
98 Prozent für Rückkauf des Uniklinikums durch das Land
In Marburg nutzte DIE LINKE ihren diesjährigen Infostand bei 3 Tage Marburg (3TM), um Besucher zur Zukunft des Universitätsklinikums Gießen Marburg (UKGM) zu befragen und Unterschriften gegen den geplanten Personalabbau zu sammeln. Die Interessierten konnten entweder einen roten Stimmzettel mit dem Text „Ich will, dass das Klinikum in privater Hand bleibt“ oder einen grünen mit „Ich will, dass das Land das Klinikum zurückkauft“ in zwei Glasurnen werfen.
Die Sprecherin des Stadtverbandes der LINKEN Inge Sturm, die am Samstag Abend den Informationsstand in der Barfüßerstraße betreute, war überrascht von den Reaktionen des Festpublikums. „Die Empörung über die Folgen der Privatisierung des UKGM ist so groß, dass wir nicht lange bitten mussten, abzustimmen oder zu unterschreiben.“ Sie konnte sich nicht erinnern, dass an einem Stand er LINKEN bei 3TM ein politisches Thema auf derart großes Interesse gestoßen sei.
Nico Biver machte sich Sorgen über die Glaubwürdigkeit der Abstimmung weil anfangs niemand für den Verbleib des Klinikums in privater Hand votierte. Aus diesem Dilemma habe aber der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union Marburg-Biedenkopf Stephan Klenner herausgeholfen, der den ersten von insgesamt fünf roten Stimmzetteln in die Urne der Privatisierungsbefürworter warf. In dem anderen Gefäß waren am Sonntag Abend 242 grüne Stimmzettel. 98 Prozent hatten damit für den Rückkauf des UKGM durch das Land gestimmt.
Über 100 Menschen hatten außerdem den Aufruf gegen Personalabbau des Bündnisses ‚Gemeinsam für unser Klinikum‘ unterschrieben.
Mit den Forderungen gegen Personalabbau und für einen Rückkauf stehen die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Partei DIE LINKE und die PIRATEN nicht allein da.
In Aktivitäten des Bündnisses ‚Gemeinsam für unser Klinikum‘ artikuliert sich darüber hinaus eine breit getragene Bewegung für den Rückkauf des privatisierten Uniklinikums.
Bei alledem halten sich SPD und GRÜNE auffällig zurück. Ob die Abstinenz zur Forderung nach Rückkauf des UKGM taktischen Überlegungen folgt, muss als Frage dabei gestellt werden.
Womöglich denkt man an die Zeit nach der Landtagswahl und möchte nicht selbst so etwas wie eine ‚Hypothek‘ in Gestalt einer Forderung nach nach Rückkauf produzieren.