Impulse für die Zukunft des Botanischen Gartens
Marburg 8.8.2012 (yb) Die konkrete Zukunft des Botanischen Gartens auf den Lahnbergen ist ungeklärt. Die Situation und mögliche Perspektiven sind Gegenstand eines externen Gutachtens, das der Bochumer Biologe Prof. Thomas Stützel im Auftrag des Unipräsidiums vorgelegt hat. Präsidentin Prof. Katharina Krause mag sich derzeit zu dem Thema nicht äußern. Sie lässt auf vorher zu leistende Abstimmungsgespräche mit dem Wissenschaftsministerium in Wiesbaden verweisen. Hinter den Kulissen wird also nachgedacht, verhandelt und womöglich entschieden. Zugleich werden dazu universitäre Gremien wie der Senat und der Personalrat erst noch zu beteiligen sein. Denn im Wesentlichen geht es um Arbeitsplätze. Konkret um den Abbau von Arbeitsplätzen. Nur damit lassen sich Kosten in relevantem Umfang einsparen. Dass es zu Etatkürzungen kommen wird, ist bereits bekannt, der Botanische Garten existiert im Moment mit so etwas wie einer Gnadenfrist, die aus Wiesbaden gesetzt wurde, um tragfähige Entscheidungen entwickeln und vorlegen zu können. Dies ist zunächst Angelegenheit der Philipps-Universität. Der Botanische Garten ist bisher Teil davon, ein wissenschaftlicher Bereich, der so nicht mehr ‚gebraucht‘ wird. Zugleich besuchen und nutzen jährlich rund 100.000 Menschen diese grüne Institution mit Gewächshäusern und weitläufiger wie ein Park anmutender Pflanzenlandschaft.
Es gibt in Marburg und in der Region ein lebhaftes Interesse am Erhalt des Botanischen Gartens gerade als Institution der Umwelt- und Naturbildung. Dafür steht unter anderem die ‚Grüne Schule‘, wohin sich jährlich viele Schulklassen auf den Weg machen, um botanisches Wissen im Gewächshaus, im Freilandbereich und im Biologielabor anzueignen. Dass mit dem Botanischen Garten noch weitere Aufgaben und Leistungen verbunden sind, wurde jetzt dem Marburger Landtagsabgeordneten Thomas Spies anschaulich. Er hatte seinen Kollegen Timo Gremmels als umweltpolischen Sprecher der SPD-Fraktion eingeladen, um die Institution unter Führung ihrer Mitarbeiter genauer kennen zu lernen.
Der Besuch habe ihm wichtige Einblicke und neue Erkenntnisse gebracht, berichtete Thomas Spies als Resümee des Besuchs. Insbesondere die vorhandenen Sammlungen, deren wissenschaftliche Bedeutung für den Naturschutz und zum Artenerhalt in Hessen seien bisher viel zu wenig in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, konstatierte Spies. Timo Gremmels zeigte sich beeindruckt vom Besuch im viertgrößten Botanischen Gartens in Deutschland. Auf 20 Hektar Fläche seien hier mit 14.000 Pflanzenarten viele Aufgaben und Funktionen einer ganzheitlichen Umweltbehandlung vereint, sagte der umweltpolitische Sprecher der Hessischen Sozialdemokraten.
„Wir sollten es parteiübergreifend angehen die drohende Kürzung der Mittel zu kürzen“ meinte Gremmels und hatte eine Idee, die als Initiative in Wiesbaden Umsetzung finden könnte. Gegenwärtig stehen für die Finanzierung der Arbeit des Botanischen Gartens rund 1,8 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land will zukünftig lediglich noch 600.000 Euro jährlich zur Verfügung stellen. Doch zumindest weitere 600.000 Euro, so der Direktor Andreas Titze, würden benötigt um einigermaßen als Einrichtung weitermachen zu können. „Ich denke, dass es durchaus möglich sein müsste aus dem Topf für Naturausgleichszahlungen den fehlenden Betrag für den Botanischen Garten loszueisen“ meinte Gremmels. Es könne nicht sein, dass „alle Welt Bidodiversität gut findet und fordert und hier in Marburg ist eine herausragende Einrichtung genau dafür gefährdet.“
Die beiden MdL wollen sich bei den kommenden Haushaltsberatungen für eine entsprechende Etaisierung einsetzen. Auch Oberbürgermeister Vaupel stellte – mit der Einschränkung städtischerseits nicht für die ‚Beerdigungskosten‘ aufkommen zu wollen – eine wirksame finanzielle Unterstützung seitens der Stadt Marburg in Aussicht. „Ich kann mir dann durchaus einen schon sechsstelligen Betrag im Jahr vorstellen“ sagte Marburgs Stadtoberhaupt. Ein solch freiwilliges Engagement der Stadt Marburg setze allerdings das Vorliegen eines Gesamtkonzepts voraus, bei dem eine Grundfinanzierung von 1,2 Millionen seitens des Landes gesichert wäre.
Damit liegt der Ball dort, wo er hingehört – beim Land Hessen. Die wichtigste Spielerin dabei ist allerdings Universitätspräsidentin Prof. Katharina Krause. Sie war bei diesem Gespräch nicht anwesend, hatte auf Gespräche mit Wiesbaden verwiesen. Doch vor Ort ist klar geworden, dass es nicht alleine finanzielle Defizite zur Zukunft des Botanischen Gartens gibt. Wäre dessen Zukunft so einfach zwischen Unileitung und Wissenschaftsministerium hinter verschlossenen Türen zu regeln, hätte dies längst gemacht sein können und müssen.
So werden Elisabeth Bohl für den Freundeskreis Botanischer Garten, die bereits annähernd 10.000 Unterschriften dafür gesammelt hat, und die Öffentlichkeit gut beraten sein für die Einrichtung weiterhin offensiv einzutreten. Präsidentin Krause hat viele Unterstützer an ihrer Seite – wenn sie denn diese haben will.
Es kann nicht sein, dass an ein und derselben Universität Millionen für das Chemikum neu investiert werden und zugleich das ‚Botanikum‘ – wo sich Werte in Größenordnung von Zig Millionen ausmachen lassen – durch die ‚kalte Küche‘ platt gemacht wird. Eine Lösung und Perspektiven samt wichtiger Unterstützer sind da. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit von Entscheidungsprozessen – gar deren Konfrontation mit fertigen Beschlüssen – kann nicht gelingen.