Zur Teilzeitstelle für die Dezernentin und anderen Themen
Marburg 6.9.2012 (yb) Bei der vergangenen Stadtverordnetensitzung ging es ziemlich rund. Das war Anträgen und Themen, also politischen Inhalten, geschuldet. Dazu kamen Taktisches, Unzufriedenheit, ja Frust und der subjektive Faktor. Zunächst einige nachzuberichtende Fakten. Ganz hinten auf der Tagesordnung – in einem Zeitbereich, der keine Diskussionen über Anträge mehr zulässt sondern alleine deren Abstimmung – hatte Rot-Grün zwei Anträge zur Teilung der Dezernentinnenstelle Kerstin Weinbachs platziert. Dies wollten die Oppositonsparteien verhindern. Erfolglos, aber nicht folgenlos. Der erste und konkrete Antrag wurde als Tagesordnungspunkt 15.21 abgestimmt:
1. Die Stadtverordnetenversammlung nimmt zur Kenntnis, dass die hauptamtliche Dezernentin Dr. Kerstin Weinbach, nach dem Ende ihrer Elternzeit zum 1. November 2012 ihre Arbeitszeit dauerhaft um 50 Prozent reduzieren wird. Damit verbunden ist eine entsprechende Reduktion ihrer Verantwortlichkeiten.
2. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, die dadurch frei werdende halbe Stelle einer hauptamtlichen Stadträtin / eines hauptamtlichen Stadtrats zum nächstmöglichen Zeitpunkt auszuschreiben.
3. Wenn diese Ausschreibung nicht möglich sein sollte., wird die Stadtverordnetenversammlung die Hauptsatzung der Universitätsstadt Marburg um eine halbe Stelle eines Stadtrates / einer Stadträtin ergänzen.
Mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN wurde der Antrag bei Enthaltung der Marburger Linken und Gegenstimmen aller bürgerlichen Stadtverdordneten angenommen. Dieses Vorgehen, also das ‚Durchpauken‘ ohne Diskussion im Parlament, wurde von den meisten Parteien der Opposition heftig kritisiert. Dies veranlasste den Fraktionssprecher der GRÜNEN, Dietmar Göttling, dann spontan dazu den zweiten Antrag – mit Inhalt in Richtung Land Hessen zur Änderung der Gemeindeordnung initiativ zu werden – zurück zu stellen. „Wir haben keine Angst vor einer Debatte“ kam dazu von Göttling.
Die Reihenfolge in der Tagesordnung hatte also provoziert und war zugleich Ausdruck der Mehrheitsverhältnisse und eines politschen Willens. Das muss nicht einfach hingenommen werden. So schlug der Abgeordnete Becker – früher SPD-Fraktionsvorsitzender und heute bei der Marburger Bürgerliste – Krach, als sich die Gelegneheit bot. Er wollte Schluß der Debatte mit dem Redebeitrag des Stadtverordneten, dessen Redezeit bereits über 21.00 Uhr hinausging. Der Stadtverordnetenvorsteher wollte noch die beiden vor 21.00 Uhr eingegangenen Meldungen zu Wort kommen lassen. Dissenz, Widerspruch, Sitzungsunterbrechung, Tagung Ältestenrat mit Beschluß auf Ende der Debatte. —> siehe Bericht dazu in das Marburger.
Dieser Ärger war vorprogrammiert. Bereits vor Beginn der Sitzung berieten Stadtverordnete informell darüber ob und wie sie die Tagesordnung (per Vertagung von Tagesordnungspunkten) verkürzen könnten, um eine Aussprache der Anträge zur Dezernentinnenstelle zeitlich zu ermöglichen. Das wurde nichts. Stattdessen suchte sich der Frust sein Ventil in einer Verfahrensfrage und hatte es auch gefunden.
Davon geht die Welt nicht unter. Nicht mal in Marburg. Doch vorher gab es bereits ein Vorkommins, worauf die Marburger Linke inzwischen reagiert hat. —> siehe den Bericht dazu. Es war also allerhand ‚Zoff in der Bude‘ am letzten Augusttag, was von zuhörenden Bürgerinnen und Bürgern mit Kopfschütteln quittiert wurde. Dazu kam die Reaktion des Stadtverordneten Wüst (FDP), der nach der Sitzuung informell seinen Rücktritt als Stadtverordneter („mich frustriert die Arroganz der Macht“) ankündigte. Er wird ersetzt werden.
Im Nachgang der Sitzung befleißigte sich die Abgeordnete Sundheim-Pichler (Bürger für Marburger) darin Funktionen des Regierungspräsidenten oder eines Verwaltungsrichters wahrnehmen zu wollenmüssen. Sie verlautbarte gegen den Beschluss der Stadtverordnetenmehrheit Rechtsmittel einzulegen (wofür es nun einmal eine Dienstaufsicht beim RP und andere Rechtskundige mit Mandat gibt). Auch aus den Reihen der uneinigen bürgerlichen Oppositionsabgeordneten waren rechtliche Einwände als ‚Argumente‘ gegen den politischen Weg und Willen zur (grundsätzlichen) Einführung von teilbaren Dezernentenstellen artikuliert worden. Solche Stadtverordnete vergessen oder ignorieren, dass Politik nun einmal Gestaltungsaufträge wahrnimmt, auch solche das Recht zu ändern und weiter zu entwickeln. Dass diese Mandatsträger dabei unversehens in eine reaktionäre – das heißt in deutsch rückwärtsgewandte – Position geraten, scheinen sie entweder nicht zu wissen oder sie nehmen es in Kauf.
Es gibt und gäbe noch mehr zu berichten. Dies läuft allerdings Gefahr ins Plappern oder Schwadronieren zu geraten, wofür sich die Redaktion von das Marburger. nicht berufen sieht. Na klar hatte der Oberbürgermeister Recht (und das Recht nach der Hessichen Gemeindeordnung) auch nach Beschluss auf Ende der Debatte im Ältestenrat noch einmal zur Versammlung zu sprechen. Das negierte der Stadtverordnetenvorsteher. Dem widersprach formal der OB. Der Rest kommt später, ist jedoch durchaus keine Streitfrage in der Marburger SPD, wie eine Überschrift in der Lokalzeitung suggerieren sollte.
Es ist spannend in der Marburger Kommunalpolitik. Diese müsste allerdings endlich wieder sach- und themenorientiert rübergebracht werden. Dazu muss die Blockade zwischen SPD und GRÜNEN überwunden werden, wofür die Augustsitzung des Stadtparlament kein überzeugender Audruck gewesen ist. Alles Weitere wird man sehen und seitens der Opposition wird es weiterhin auftrags- und pflichgemäß begleitet. Punkt.
Mal sehen wie lange sich der vormalige PIRAT Sascha Klee im Stadtparlament als Individuum berufen fühlt. Mal sehen, wer Nachrücker bei der FDP wird und substantiierte Einbringungen leistet. Es lohnt sich also dran zu bleiben.