Resümee aus Ausbildungsreport 2012: Geltendes Recht in Betrieben einfordern
Marburg 14.9.2012 (pm/red) Nicht einmal jedes vierte Unternehmen bildet aus. Vielen Betrieben mangelt es an der nötigen Ausbildungsreife, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Auch die Qualität der Berufsschulen kann noch erheblich verbessert werden. Zu diesen Ergebnissen kommt der diesjährige Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Gemessen an dem lauten Klagen der Arbeitgeber über einen Mangel an Auszubildenden hat sich überraschend wenig getan. Die Probleme von Auszubildenden sind in den letzten Jahren leider nicht geringer geworden“, erklärte Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, zur Veröffentlichung des Ausbildungsreports 2012 am Dienstag in Berlin.
In dem siebten Ausbildungsreport wird die Qualität der Ausbildung anhand verschiedener Kriterien untersucht, wie zum Beispiel den Arbeitszeiten, der Vergütung und der fachliche Anleitung. „Der DGB-Ausbildungsreport zeigt, was gut läuft und was nicht, in welchen Branchen die Auszubildenden gut betreut werden und wo fachliche Anleitung fehlt“ erklärte Sehrbrock. Der Report sei eine Orientierungshilfe für junge Menschen: „Er soll ihnen helfen, sich auf dem Ausbildungsmarkt besser zurechtzufinden.“
Nur jeder zweite bewertet Qualität der Berufsschulen als gut oder sehr gut
Das Sonderthema der diesjährigen Befragung war die Qualität der Berufsschulen. Zwar bewertet eine knappe Mehrheit der befragten Auszubildenden (56,3 Prozent) die fachliche Qualität der Berufsschulen als ‚gut‘ oder ’sehr gut‘. Gegenüber dem Vorjahr sei der Anteil der positiven Bewertungen um mehr als fünf Prozentpunkte zurückgegangen. Mehr als ein Viertel bezeichnet die Unterrichtsqualität als ‚befriedigend‘ (29,1 Prozent), immerhin 14,6 Prozent bewerten sie nur als ‚ausreichend‘ bis ‚mangelhaft‘.
Einen starken Einfluss auf die Bewertung hat die Ausstattung der Berufsschulen mit technischen Geräten und Unterrichtsmaterialien. Etwa zwei Drittel der Befragten sind mit der Ausstattung an ihrer Schule zufrieden. Von ihnen bewerten 67,4 Prozent die Qualität der Berufsschule positiv. Deutlich kritischer sind die Auszubildenden, die mit der Ausstattung unzufrieden sind. Ein Fünftel (21,7 Prozent) bewertet die Qualität der Berufsschule ‚gut‘ oder ’sehr gut‘.
Auch die Klassengröße spielt eine wesentliche Rolle bei der Bewertung. Je größer die Klasse, desto negativer wird die Lernatmosphäre bewertet. In Klassen mit bis zu 15 Auszubildenden sind vier von fünf Azubis (78,8 Prozent) ‚immer‘ oder ‚häufig‘ mit der Lernatmosphäre zufrieden, bei Klassen mit mehr als 25 Auszubildenden ist es nur noch ein Drittel (32,2 Prozent). „Die Befragung zeigt: kleine Klassen und eine zeitgemäße Ausstattung der Berufsschulen mit Unterrichtsmaterial, Schulbüchern und technischen Geräten ist unabdingbar, wenn das Lernen im Unterricht erfolgreich unterstützt werden soll“, erklärte hierzu DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf.
Rote Laterne bleibt beim Hotel- und Gaststättengewerbe
Wenige Veränderungen gab es im Ranking der 25 häufigsten Ausbildungsberufe. Die besten Beurteilungen für die Qualität der eigenen Ausbildung gab es erneut von angehenden Bank- und Industriekaufleuten sowie Mechatronikern. Auf den letzten drei Rängen sind wie im Vorjahr die Ausbildungsgänge für Fachverkäufer/innen im Lebensmittelhandwerk, Restaurant- und Hotelfachleute gelandet. Die rote Laterne bleibt damit beim Hotel- und Gaststättengewerbe.
Entsprechend hoch sind dort auch die Abbrecherquote sowie der Anteil an unbesetzten Stellen. Beispiel Restaurantfachleute: Fast jeder zweite Ausbildungsvertrag (47,6 Prozent) wird vorzeitig aufgelöst, ein Viertel der Ausbildungsplätze ist nicht besetzt. „Es ist offensichtlich, dass zwischen der Ausbildungsqualität auf der einen und der Abbrecherquote sowie dem Bewerbermangel auf der anderen Seite ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Nur Konsequenzen werden nicht gezogen“, sagte Sehrbrock.
Überstunden, ausbildungsfremde Tätigkeiten und fachliche Betreuung
Der Anteil der Auszubildenden, die regelmäßig Überstunden leisten müssen, ist gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen, von 40,6 Prozent in 2011 auf 38,1 Prozent in diesem Jahr. Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben erhält fast jeder Fünfte weder einen Freizeitausgleich noch eine entsprechende Vergütung für die geleisteten Überstunden.
Fast jeder oder jede zehnte Auszubildende (10,8 Prozent) muss nach eigenen Angaben ausbildungsfremde Tätigkeiten erledigen – ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr (9,8 Prozent). Auch bei der Betreuung durch eine Ausbilderin oder einen Ausbilder gibt es Defizite: Fast jeder zehnte Befragte hat gar keinen Ausbilder (8,2 Prozent), bei weiteren 10,1 Prozent steht die Ausbilderin oder der Ausbilder selten oder nie zur Verfügung.
Ingrid Sehrbrock sieht hier vor allem die Kammern in der Pflicht. „Angesichts der beinahe unveränderten Verstöße gegen gesetzliche Regelungen stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der Kontrollen. Missstände müssen schneller erkannt und beseitigt werden und bei besonders gravierenden Fällen dürfen die Kammern auch vor Sanktionen nicht zurückschrecken.“
Schlechtere Bedingungen in weiblich dominierten Berufen
Nach wie vor gibt es auffällige geschlechterspezifische Unterschiede in der Ausbildung. Noch immer entscheiden sich Frauen und Männer für unterschiedliche Ausbildungen, was zu deutlich männlich und weiblich dominierten Berufen führt. Zu den ‚Männerberufen‘ gehören unter anderem Metallbauer, Anlagenmechaniker und Elektroniker, Frauen entscheiden sich häufiger für eine Ausbildung zur Friseurin, Kauffrau für Bürokommunikation oder Medizinischen Fachangestellten.
Das hat Folgen für die Vergütung. Frauen erhalten in den von ihnen bevorzugten Berufen weniger Geld. Während männliche Auszubildende im Durchschnitt 721 Euro (West) und 658 Euro (Ost) verdienten, erhielten weibliche Auszubildende durchschnittlich 688 Euro (West) und 614 Euro (Ost). Eine Annäherung gab es bei den Überstunden. Zwar leisten Auszubildende in den weiblich dominierten Berufen nach wie vor häufiger Überstunden, der Unterschied zu den männlich dominierten Berufen ist aber geringer ausgefallen als im Vorjahr (2012: 38,4 zu 36,3 Prozent, 2011: 44,2 zu 36,9 Prozent). Deutliche Unterschiede gibt es aber weiterhin beim Überstundenausgleich. In den von Männern favorisierten Ausbildungsgängen erhalten drei von vier Azubis (74,9 Prozent) einen Freizeitausgleich oder eine entsprechende Vergütung, bei den ‚Frauenberufen‘ sind es lediglich 60 Prozent.
Übernahme oft ungeklärt
Sehr problematisch für die Auszubildenden ist die oft ungeklärte Übernahmesituation. Zum Zeitpunkt der Befragung wusste ein gutes Viertel der Befragten (26,8 Prozent), dass sie übernommen werden, knapp jeder Zehnte (8,7 Prozent) hatte bereits eine Absage. Die Mehrheit von fast zwei Dritteln (64,4 Prozent) wusste noch nicht, wie es nach der Ausbildung weitergeht. Dazu René Rudolf: „Junge Menschen werden nach der Ausbildung zunehmend atypisch und prekär beschäftigt. Was sie aber brauchen, sind Perspektiven und Planungssicherheit. Es passt einfach nicht zusammen, dass die Arbeitgeber ständig über Fachkräftemangel klagen, aber gleichzeitig die Fachkräfte, die sie selber ausbilden, nicht für ihren Betrieb sichern.“
Gewerkschaftliches Engagement für bessere Ausbildungsqualität
Um die Ausbildungsqualität zu verbessern, engagieren sich die Gewerkschaften auf unterschiedlichen Ebenen. Die Gewerkschaften setzen sich für tarifliche Regelungen ein, die über den gesetzlichen Rahmen hinaus die Qualität der Ausbildung sichern sollen. Auch die betrieblichen Interessensvertretungen werden unterstützt und beraten, um entsprechende Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Da gerade die Auszubildenden mit den größten Problemen oftmals keine Interessenvertretung haben, ist es wichtig, auch diese Auszubildenden über Besuche an der Berufsschule oder das Online-Beratungsangebot von www.dr-azubi.de zu erreichen und über ihre Rechte zu informieren.
Der Ausbildungsreport des DGB erscheint jährlich. Für die repräsentative Befragung wurden in diesem Jahr 12.039 Auszubildende aus den laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 25 häufigsten Ausbildungsberufen befragt. Damit haben über 2.500 Menschen mehr teilgenommen als im vergangenen Jahr.