Thomas Spies: Zur zukünftigen Wohnungspolitik in Hessen
Marburg 26.9.2012 (red) Am 14. September hat auf Einladung der lokalen Agendgruppen Gruppen ein Informationsabend zum Sozialen Wohnungsbau in Marburg stattgefunden. Inbesondere Sprecher dreier Wohnungsbaugesellschaften haben zur Situation in Marburg referiert. Zu diesem Thema hat der zur Veranstaltung verhinderte Landtagsabgeordnete Thomas Spies (SPD) schriftlich eine Stellungnahme übermittelt, worin sich die Sichtweise seiner Partei für Hessen beschrieben findet:
Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen, angemessener Wohnraum in einem guten Umfeld zu den Grundrechten eines jeden Menschen. Bezahlbarer Wohnraum und ein gutes soziales Umfeld im Quartier sind deshalb zwei Seiten der gleichen Medaille. Der soziale Wohnungsbau als zentraler Baustein des vorsorgenden Sozialstaates leistet hier einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung guter Lebensbedingungen. Gute, stabile Wohnumfelder sind ein zentrales Instrument für eine präventive Sozialpolitik. Sie schaffen sozialen Zusammenhalt und fördern Gemeinsinn und soziales Verantwortungsbewusstsein. Ein gutes Umfeld beugt zahlreichen sozialen Problemlagen vor oder hilft bei ihrer Bewältigung.
In vielen Regionen Hessens ist die Wohnungsversorgung von diesen Ansprüchen zunehmend entfernt. Prekäre Wohnsituationen, Gettoisierung und Segregation nehmen eher zu. Auch quantitativ ist der soziale Wohnungsbau unzureichend ausgebaut: Aktuelle Zahlen belegen, dass in Hessen derzeit nur etwa ein Drittel des Bedarfs von rund 400.000 Sozialwohnungen tatsächlich vorhanden ist. Es besteht ein zusätzlicher Bedarf von über 270.000 Sozialwohnungen in Hessen. Seit der Föderalismusreform liegt die Gesetzgebungskompetenzfür den Wohnungsbau überwiegend bei den Ländern. Das macht eine innovative hessische Wohnungspolitik umso dringender, die auch den demographischen und den Klimawandel beachtet. Wohnungspolitik muss den sozialen Wohnungsbau und den Mieterschutz regeln und verbessern, die soziale Ausgewogenheit in den Stadtteilen sichern und neue Akzente in zukunftsweisenden Wohnformen setzen. Hessen braucht deshalb ein Wohnungsbaugesetz, in dem Wohnen und die damit verbundenen Fragen (Wohnungsneu- und -umbau, Mieterschutz, energetische Situation, alternative Wohnmodelle, Finanzierung etc.) umfassend geregelt sind.
Die von der SPD-Landtagsfraktion vorgelegten ‚Eckpunkte für ein hessisches Wohnungsbau-förderungsgesetz‘ zeigen auf, mit welchen Bausteinen jedem Menschen in Hessen ein bedürfnisbefriedigendes Wohnen ermöglicht werden kann und soll. Die zentralen Punkte dieses Konzeptes sind:
- 1. Wohnraum für die Haushalte zu schaffen und zu erhalten (Wohnungsumbau), die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Das Landeswohnungsbauvermögen bildet dafür eine solide Finanzierungsgrundlage. Es muss in seiner Funktionsfähigkeit uneingeschränkt erhalten bleiben. Dazu ist eine angemessene Finanzausstattung durch die auf das Land Hessen entfallenden Kompensationszahlungen des Bundes für die Komplementärmittel des Landes in gleicher Größenordnung notwendig.
- 2. die Förderung muss am regionalen Bedarf für preiswerten Wohnraum ausgerichtet werden, wie insbesondere den wirtschaftlichen Wachstumsregionen und den Universitätsstädten mit ihren angespannten Wohnungsmärkten.
- 3. Der Kreis der Anspruchsberechtigten muss ausgeweitet werden So werden einseitige Miet- und Sozialstrukturen vermieden. Das Recht auf eine Sozialwohnung sollten alle Haushalte haben, deren Einkommen um bis zu 50 % über den bisherigen Basiseinkommensgruppen des Bundes liegt. Damit wird eine weitere Stigmatisierung des sozialen Wohnungsbaus vermieden. Gleichzeitig wird den 1-2 Personenhaushalten mit Erwerbseinkommen wieder die Chance eröffnet, eine öffentlich geförderte Wohnung zu beziehen. Die breitere soziale Zusammensetzung trägt zur Stabilisierung von Stadtteilen mit überforderten Nachbarschaften bei.
- 4. Die städtebauliche Funktion von Wohnquartieren soll erhalten und gestärkt werden. Bei der sozialen Wohnraumförderung und der Sicherung der Zweckbestimmungen des geförderten Wohnungsbestandes werden insbesondere Familien und Haushalte mit Kindern, Alleinerziehende, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung unterstützt. Dazu gehört auch die Ausweitung eines altersgerechten und barrierefreien Wohnungsangebotes in den Städten und in jedem Quartier. So können Menschen so lange wie möglich in ihren Wohnungen bleiben oder zumindest in ihrem Stadtteil bleiben.
- 5. Die wohnungsnahe Infrastruktur für Jung und Alt muss als gleichberechtigter Fördergegenstand aufgenommen werden. Dazu gehören z. B notwendige Betreuungseinrichtungen für das Wohnen im Alter wie Sozialstation, Pflegestützpunkte, Gäste-Wohnungen für Angehörige etc.. Auch die Förderung und Betreuung für Kinder und Jugendliche wie Kindergarten, und außerschulische Einrichtungen gehören hier her. Sie sollen sowohl bei neuen Wohnungsbauprojekten als auch der Anpassung der Umstrukturierung von bestehenden Wohnsiedlungen und Stadtquartieren finanziert werden können.
- 6. Die energetische Anpassung erfolgt durch eine Verpflichtung zur energetischen Sanierung bei Neu- und Umbau und deren Förderung. Die mit Fördermitteln des sozialen Wohnungsbaus finanzierten Neubauprojekte sollen im Niedrigenergiehaus-Standard oder Passivhaus-Standard ausgeführt werden damit die Heizkostenbelastung für untere und mittlere Einkommensgruppen tragbar bleibt. 7. Zu den ökologischen und sozialen Standards gehört auch, dass Fördermittel des Landes nur für Mietwohnungsbauprojekte gewährt werden sollten, die sich im Einzugsbereich eines leistungsfähigen ÖPNV-Netzes befinden.
- 8. Der Mieterschutz wird zentraler Bestandteil des Landesrechts anerkannt. Dies umfasst auch eine Verbesserung des Kündigungsschutzes und die Höhe der Umlage im Falle von Modernisierungsmaßnahmen in Wohnungen.
- 9. Stärkung der kommunalen Wohnungsbauunternehmen. Diese sind Partner und Akteure der Stadtentwicklung und haben mit ihren Angeboten und Leistungen eine zentrale Rolle für die Stabilisierung von Stadtteilen mit besonderen Herausforderungen. Sie dürfen nicht privatisiert werden.