Protektionistische Ausgabenpolitik des Staates ist kontraproduktiv
Marburg 3.10.2012 (pm/red) Eine international ausgerichtete Ausgabenpolitik des Staates liegt im nationalen wirtschaftlichen Interesse. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie, die Prof. Mario Larch (Universität Bayreuth) zusammen mit Dr. Wolfgang Lechthaler (Kieler Institut für Weltwirtschaft) veröffentlicht hat. Bei ihren Berechnungen haben sich die beiden Autoren an makroökonomischen Modellen orientiert, die heute in der internationalen Fachwelt weithin anerkannt sind; zugleich haben sie diese theoretischen Grundlagen in verschiedene Richtungen modifiziert, um möglichst robuste Ergebnisse zu erhalten. Die internationale Finanzkrise hat in den westlichen Industrieländern dazu geführt, dass die Staatsausgaben wieder stärker im Mittelpunkt öffentlicher Debatten stehen. Politische, aber auch wissenschaftliche Kontroversen drehen sich um die Frage, wie nationale Regierungen ihre Ausgabenpolitik so gestalten können, dass der öffentliche Nutzen möglichst hoch ist. Populär ist die Forderung, die Regierung solle das Geld ihrer Bürger nur für Waren und Dienstleistungen ausgeben, die im Inland hergestellt wurden. Aber ist eine derartige Beschränkung vorteilhafter als eine Politik, die öffentliche Gelder auch für Produkte aus dem Ausland ausgibt? Handeln Regierungen tatsächlich im öffentlichen Interesse, wenn sie der Devise ‚Buy National‘ folgen?
‚Buy National‘-Politik kann steigende Staatsausgaben rechtfertigen
Ein zentraler Abschnitt der Studie bezieht sich auf den Umfang der Staatsausgaben, der im Hinblick auf das Gemeinwohl als optimal angesehen werden kann. Wann ist dieser Wert erreicht? Genau dann, wenn eine weitere Steigerung der Staatsausgaben dazu führen würde, dass die dadurch verursachten Kosten höher sind als der Nutzen für die Allgemeinheit. Die beiden Autoren kommen zu dem Ergebnis: Falls eine Regierung eine konsequente ‚Buy National‘-Politik verfolgt, ist dieser Wert höher, als wenn sie neben den im Inland produzierten Gütern auch Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland kauft. Anders gesagt: Der Punkt, an dem steigende Staatsausgaben das Gemeinwohl nicht länger fördern, wird – falls dieses Geld nur für national produzierte Güter ausgegeben wird – vergleichsweise spät erreicht. Bis es soweit ist, lässt sich der Anstieg mit einem öffentlichen Interesse rechtfertigen.
Der Grund dafür liegt darin, dass eine strikte ‚Buy National‘-Politik die Nachfrage nach ausländischen Waren und Dienstleistungen verringert und damit die Preise für diese Güter sinken lässt. Davon wiederum profitieren die Bürger im Inland, die jetzt als Privatverbraucher auf ein breiteres Angebot von relativ preisgünstigen Gütern aus dem Ausland zugreifen können. Dieser Effekt steigender Staatsausgaben entfällt jedoch, wenn die Regierung eine ‚Buy International‘-Politik betreibt und ihrerseits Güter aus dem Ausland nachfragt.
Nur eine ‚Buy International‘-Politik steigert das reale Bruttoinlandsprodukt
Lässt sich daraus ableiten, dass eine Regierung das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigern kann, indem sie eine konsequente ‚Buy National‘-Politik betreibt? Weltweit ist unter Ökonomen die Auffassung verbreitet, dass ein solcher Zusammenhang bestehe – und zwar deshalb, weil der Staat durch die eigene hohe Nachfrage Anreize schaffe, mehr inländische Waren und Dienstleistungen zu produzieren.
Larch und Lechthaler können jedoch in ihrer Studie nachweisen, dass diese Annahme fehlgeht. Tatsächlich verhält es sich so, dass das reale BIP tendenziell höher ist, wenn der Staat der Devise ‚Buy International‘ folgt. Falls nämlich der Staat öffentliche Gelder nur für inländisch produzierte Güter ausgibt, steigen die Preise für diese Güter deutlich stärker, als wenn die Gelder auch für Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland verwendet werden. Das reale BIP aber ist der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die jährlich im Inland produziert werden; und dabei werden – im Unterschied zum nominalen BIP – steigende Marktpreise herausgerechnet. Infolge dieser ‚Preisbereinigung‘ liegt das BIP höher, wenn der Staat auch Güter aus dem Ausland einkauft, als wenn er die Preise für inländische Güter durch eigene Nachfrage hochtreibt.
Protektionismus lohnt sich nicht
„Unsere Berechnungen zeigen eindeutig: Es lohnt sich nicht, wenn Regierungen öffentliche Gelder nur für inländische Waren und Dienstleistungen einsetzen und insofern eine nationalistische Ausgabenpolitik betreiben“, erklärt Prof. Larch. „Die Steigerung des realen Bruttoinlandsprodukts liegt im öffentlichen Interesse. Jede Regierung, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet sieht, sollte deshalb durch ihre Ausgabenpolitik den internationalen Austausch von Gütern fördern, statt die eigene Volkswirtschaft protektionistisch abzuschotten. Wenn die Märkte für internationalen Handel weiter geöffnet werden, führt dies zu Wohlfahrtsgewinnen, weil sich Preise ändern. Genau diese Preiseffekte werden in der öffentlichen Diskussion vernachlässigt, wenn ‚Buy National‘ gegenüber ‚Buy International‘ als wohlfahrtssteigernd dargestellt wird.“