Massive Bedenken der IG MARSS zum B-Plan ‚Deutscher Sprachtaltlas‘ – Planungshoheit der Stadt missachtet in widerspruchsloser Erfüllung für Universität
Marburg 17.12.2012 (pm/red) Mit einer Fülle von Einwänden und auch konstruktiven Vorschlägen zum gerade gemäß Baugesetzbuch in der Phase der öffentlichen Auslage befindlichen Bebauungsplan ‚2/5 Campus Firmanei Deutscher Sprachatlas‘ meldet sich die Initiativgruppe Marburger Stadtbild und Stadtentwicklung e.V. (IG MARSS) zu Wort. Dazu haben die in Sachen Stadtbild und Stadtentwicklung seit
Jahr und Tag nachhaltig engagierten Marburger sich umfassend kundig gemacht und mit dem B-Plan auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme, die formal an die Stadt Marburg geleitet wurde. Damit werden innerhalb der vorgegeben Frist diese Bedenken zugleich rechts- und verfahrenswirksam eingebracht. Die Bauverwaltung und die Stadtverordnetenversammlung wird sich damit – ebenso wie die Öffentlichkeit und die Universitätsleitung – also auseinander zu setzen haben. das Marburger. veröffentlicht nachstehend die Stellungnahme der IG MARSS:
Vorbemerkungen
1. Für die Planung des Campus Firmanei wurde zu Beginn eine ausgiebige Bürgerbeteiligung in Form von Workshops und Informationsveranstaltungen versprochen. Seit 2009 hat es nur noch Informationsveranstaltungen zu bereits beschlossenen Themen gegeben. Die Planung dieses Teils des Campus (Brauereigelände) erfolgte ohne jede Bürgerbeteiligung. Nutzung und Bebauung wurden von der Universität ohne Beteiligung der Bürger beschlossen.
2. Wie bei anderen Bebauungsplänen sieht die IG MARSS mit großer Sorge, dass die Stadt Marburg offenbar auf Vorgaben und Wünsche der Bauherrschaft mit einem ‚passenden‘ Bebauungsplan reagiert, anstatt von ihrer Planungshoheit Gebrauch zu machen und klare Vorgaben im B-Plan zu machen, die im Interesse der Stadt und der Bürger liegen, auch wenn diese im Widerspruch zu den Wünschen der Bauherrschaft stehen sollten. Gerade in diesem B-Plan wird deutlich, dass nahezu widerspruchslos die Wünsche der Universität umgesetzt werden sollen. Ebenso scheint sich die Stadt Marburg dem Zeitdruck der Universität insofern zu beugen, als sie für eine unfertige Planung der Bauherrschaft Baurecht schaffen will. Die Nutzung des Gebäudes (2) ist unklar, wie auch die Frage ob es überhaupt und in welcher Größe benötigt wird. Es gibt keinen bekannten Grund, weswegen der Sprachatlas jetzt und sofort an dieser Stelle realisiert werden muss, denn er hat ja noch ein Domizil. Im Gegenteil sprechen viele Gründe dafür, seine Realisierung vorerst aufzuschieben. Finanzierungsgründe sollten nachrangig sein.
3. Daher hält es die IG MARSS für unklug, über diesen BPlan in allen Details abzustimmen, wenn man schon die Wünsche der Universität in den Vordergrund stellen will und solange die Universität nur für einen Teil eine Nutzung (Sprachatlas) definieren kann. Besonders in Hinblick auf die architektonische und städtebauliche Gestaltung des Areals scheint es unbedingt zwingend, dass abgewartet wird, ob und welche Art von Bebauung und Nutzung für den mit (2) bezeichneten Baukörper beschlossen wird. Erst dann sollte über Kubaturen, Architektur etc in einem Gesamt-Zusammenhang gesprochen werden. Sollte sich zum Beispiel die Universität (etwa aus finanziellen Gründen) entschließen, dort nur den Sprachatlas zu bauen und die juristische Fakultät an anderer Stelle der Stadt, würde sich für das Areal eine völlig neue Planungsvoraussetzung ergeben.
4. Die ‚IG MARSS‘ empfiehlt daher, diesen B-Plan aus den vorgenannten Gründen, besonders unter 3., erst dann wieder modifiziert, vorzulegen, wenn die angesprochenen Entscheidungen getroffen sind.
Unsere Einwände im Einzelnen sind
Kubatur
Wir halten die Kubatur des Gebäudes (2) für zu groß. Es steht sehr nahe an der historischen Altstadt , dicht am Parkhaus und würde eine unzumutbare Enge im Pilgrimstein schaffen.
Wir halten eine größere Höhenabstufung vom Pilgrimstein zu (2) zu (1) und zum Mühlgraben für notwendig um fließende Übergänge zu schaffen.
Die max. Höhe von (2) sollte circa 195 m ü.NN und von (1) circa 190 m ü.NN nicht überschreiten. Sämtliche Aufbauten sollten darin einbegriffen sein.
Die momentane Freiflächengestaltung (vorübergehender Parkplatz) zeigt, wie wichtig an dieser Stelle im Umfeld von E-Kirche, Botanischer Garten, Audimax und Altstadt ein weiträumig angelegtes durchlüftetes Areal ist. Die Bebauung von (2) ist hier eigentlich entbehrlich.
Fassade/Architektur
Der BPlan kann hierzu durchaus Vorgaben machen, verzichtet aber leider darauf.
Hierzu merken wir an, dass sich der am 29.11. vorgestellte Entwurf des Sprachatlas in seiner äußeren Form total von dem eigentlich prämierten Entwurf (B-Plan Seite 10) unterscheidet. Warum wurde dann überhaupt ein Wettbewerb durchgeführt? Müsste nicht die neue, völlig veränderte äußere Form der Jury nochmals vorgelegt werden?
Wir legen Wert auf eine transparente und lockere Bauweise Bei (1) wären nach dem am 29.11. 2012 gezeigten Entwurf erhebliche Änderungen notwendig. Die Fassade von (1) wird nicht akzeptiert. Sie muss mehr strukturiert und aufgelockert werden, um nicht zu eintönig und zu langgestreckt zu wirken, wie auch ein Baukörper am Platz (2) zum Pilgrimstein hin keineswegs monolithisch wirken dürfte, sondern strukturiert, um das Altstadtbild aufzufangen.
Fassaden
Glas, Naturstein, kein Waschbeton oder Kunststoff.
Laut B-Plan Seite 10. „werden architektonische und technische Details, insbesondere die Fassadengestaltung… in einem weiteren Verfahren konkretisiert.“ Was bedeutet das im Einzelnen, und werden die Bürger daran beteiligt?
Dächer
Keinesfalls sollten Blech- oder Metalldächer zum Einsatz kommen. Ausschließlich Satteldächer mit Schiefer oder Ziegel mit ausreichender Neigung. Dabei sollte die Winkel-Neigung des Daches des Gebäudes (2) am Pilgrimstein die spitzwinklige Dachform vieler Oberstadt-Häuser teilweise zitieren.
Auf Photovoltaikanlagen oder ähnliches ist wegen der Aufsicht von der Altstadt und Störung der Sicht in Richtung E-Kirche und Ortenberg völlig zu verzichten.
Freiflächen
Der Streifen vor dem Sprachatlas zum Mühlgraben darf eine Mindestbreite von 4 Metern nicht unterschreiten. Parken muss dort verboten sein, die Fläche soll nicht versiegelt werden, aber dennoch einen Zugang vom Mühlgraben ermöglichen.
Stellplätze
Den Ausweis der notwendigen Parkplätze an der Wilhelm-Röpkestraße halten wir für unrealistisch, da abzusehen ist, dass
- 1.die PKW Fahrer diese Zuweisung nicht akzeptieren und immer versuchen werden, möglichst nahe an Campus-Areal zu parken.
- 2.die infrastrukturellen Voraussetzungen bis Bauende 2014 wohl nicht geschaffen sein werden, da dieser Parkplatz (Wilhelm-Röpkestraße) ja noch voll anderweitig ausgelastet ist.
Auch hiefür gilt: zuerst Gesamt-Planung des Areals abschließen, dann über diese Punkte beraten. Das gilt insbesonders für die bisher nicht gelöste Parkplatzfrage für die neue Stadthalle mit ihrem wachsenden Besucherpotential, den Wegfall des Parkplatz Brauereigelände unter anderem Vorschlag: unter dem Brauereigelände eine Tiefgarage errichten.
Wir bitten um Aufnahme unserer Anmerkungen, Beantwortung offener Fragen und Benachrichtigung über die weiteren Ergebnisse dieses Verfahrens.
Claus Schreiner, Vorstandssprecher IG MARSS
Initiativgruppe Marburger Stadtbild und Stadtentwicklung e.V.