Warnung eines Ernährungsmediziners: Mit Armut etabliert sich versteckter Hunger in Deutschland
Marburg 20.12.2012 (pm/red) Der Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz offenbartes. Auch in Deutschland entwickelt sich wieder Armut. Oft unbemerkt, doch eng damit verbunden etabliert sich damit auch ein versteckter Hunger in Form von Fehl- und Mangelernährung, warnt der Ernährungsmediziner Prof. Hans Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim. „Der Tagessatz von Hartz IV für Ernährung reicht nicht aus um ein Kind gut zu ernähren. Die Folgen tragen Menschen und Gesellschaft ein Leben lang. Der Wissenschaftler fordert deshalb unentgeltliches, hochwertiges Essen in Kindertagesstätten und Schulen.
Fehl- und Mangelernährung in der Kindheit haben lebenslange Folgen
Man sieht eine unzureichende Ernährungssituation nicht auf den ersten Blick. Bis zu 16 Millionen Menschen in Deutschland leben laut dem gestern veröffentlichten Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz (nak) unter der Armutsgrenze. „Viele von ihnen leiden an den Folgen von Fehl- und Mangelernährung“, sagt Prof. Biesalski. „Diese Menschen haben meist genug um satt zu werden. Aber ihnen fehlt das Geld für eine gesunde und damit auch ausgewogene Ernährung.“ Der Wissenschaftler spricht von Hidden Hunger – verstecktem Hunger. Dieser betrifft weltweit bis zu 2 Milliarden Menschen. Ursache so UNICEF und andere Organisationen ist Armut
Neben Senioren seien vor allem alleinerziehenden Müttern und ihre Kinder, die von Hartz IV leben, betroffen: „Je nach Alter kostet eine kindgerechte Ernährung mit allen erforderlichen Nährstoffen zwischen drei und sechs Euro pro Tag und Kind“, erklärt der Ernährungswissenschaftler. Aber selbst der Hartz IV-Höchstsatz sehe für die Ernährung täglich nur zwischen zwei und drei Euro in der Altersgruppe der unter 14jährigen vor.
Auch das Essen in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen sei vielerorts mangelhaft, beklagt Biesalski: „Es bleiben gerade einmal 70 Cent pro Kind für Essen übrig, wenn man die Kosten für Personal und Logistik abzieht.
Schlechte Ernährung in der Kindheit verhindert sozialen Aufstieg
Mit den Folgen von Fehl- und Mangelernährung in der Kindheit haben, je nach Schweregrad, Betroffene ihr ganzes Leben lang zu kämpfen: „Ihre physische und mentale Entwicklung ist in unterschiedlichem Maß eingeschränkt“, macht der Experte deutlich. “ Das sind alles andere als gute Voraussetzungen für eine fundierte Ausbildung und beruflichen Erfolg. Eine schlechte Ernährung in der Kindheit kann das gesamte weitere Leben beeinflussen.“
Studien aus Schweden und den USA belegten es. Wer nicht genug Geld für eine ausgewogene Ernährung hat, leidet als Erwachsener häufiger an klassischen Zivilisationskrankheiten wie Fettsucht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Gegensteuern könnte die Politik mit einem höheren Hartz-IV-Regelsatz, fordert Biesalski. Viel wirkungsvoller sei jedoch unentgeltliches und qualitativ ausreichendes Essen in allen Kindertagesstätten und Schulen.
Buch ‚Der verborgene Hunger‘
Der Ernährungswissenschaftler Hans Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim hat dem Hidden Hunger ein ganzes Buch gewidmet. ‚Der verborgene Hunger. Satt sein ist nicht genug‘ heißt es. Darin beschreibt er das Phänomen ausführlich und zeigt, wie es sich beeinflussen lässt.