Nahwärmeversorgung im Waldtal als energetisches und klimapolitisches Leuchtturmprojekt
Marburg 20.12.2012 (yb) Wer in dieser Zeit abends in das Marburger Waldtal kommt, erlebt einen unübersehbaren luminanten Wettbewerb zweier benachbarter Hausbesitzer in Gestalt Hunderter Meter strahlender Lichterketten von den Giebeln bis hinaus zu Obstbaumästen. Ein kritischer Zeitgenosse mag dies für Energieverschwendung halten. Viel mehr Energie wird im Waldtal, wie in allen Stadtteilen von Marburg, für die Gebäudeheizung verwendet und verschwendet. So wie in der Gesamtenergiebilanz in Deutschland 40 Prozent des Primärenergiebedarfs für das Heizen von Wohnungen und Warmwasser aufgewendet wird. Im Rahmen einer klimapolitischen Selbstverpflichtung und des dazu verabschiedeten Konzepts der Stadt Marburg wurde jetzt im Waldtaler Sankt Martin-Haus die Planung für eine bald kommen sollende Nahwärmeversorgung vorgestellt. Damit soll in dem hochgradig mit Siedlungshäusern von Wohnungsbaugesellschaften und Großbauten des Studentendorfs bebauten Stadtteil ein Anfang mit eigenerzeugter Wärmeversorgung gemacht werden, der viele Gewinner hervorbringen will. Neben klimapolitischem Fortschritt in Gestalt drastisch sinkender Emissionen sollen heimische nachwachsende Energieträger zum Einsatz kommen. Indem zunächst 50 große Wohneinheiten und optional später alle Eigenheime einbezogen werden, entstehen viele Effizienzvorteile – zudem getragen vom Einsatz neuester Brennkessel und Technologien.
So gab es für die recht zahlreich erschienen Mandatsträger, Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften und Waldtaler einiges Neues und Positives vom begrüßenden Bürgermeister Franz Kahle und Stadtwerkegeschäftsführer Rainer Kühne zu erfahren. Das Waldtal soll als erster Marburger Stadtteil eine Nahwärmeversorgung erhalten, wofür auf Grundlage der an diesem Abend vorgestellten Grobkonzeption des Fachplanungsbüros Berghammer einige Milionen Euro in die Hand genommen werden sollen. Investor und Betreiber werden die Stadtwerke Marburg, die dabei neben den potentiellen Partnern der Wohnungsbaugesellschaft zuallererst das Studentenwerk als Kunden sehen können. Das Studentendorf alleine benötigt 40 bis 45 Prozent des Wärmebedarfs in dem Stadtteil.
Ausgangsmerkmale für die bereits in 2014/15 zum Einsatz kommende Nahwärmeversorgung wird ein Biomasse-Heizkraftwerk das nahe am Sportplatz, von der Panoramastraße unmittelbar erreichbar, in einem Seitental errichtet wird. Von dort werden mehrere hochisolierte Rohrstränge zum zweiläufigen Transport des erhitzen Wassers verlegt. Wie in einem sehr ausführlichen Vortrag von Planer Berghammer dargelegt wurde, werden in der technischen Auslegung zur Abdeckung von Grundlast Mittellast und Spitzenlast (kalte Wintertage) verschiedene Module zum Einsatz gebracht. Das spart Investitionen und sorgt für Effizienz- und Kostenvorteile, die bei allen Partner ankommen sollen.
Zwar wurden an diesem Abend noch keine konkreten und abschließenden Zahlen mitgeteilt – nicht zuletzt sind diese abhängig von einer großen Zahl beteiligter Abnehmer des Nahwärmeangebots – doch können die zukünftigen Nutzer der in ihrem Tal erzeugten Nahwärme mit einem Kostenvorteil von rund 10 Prozent rechnen. Das ist nur eine überschaubare Kostensenkung. Gleichwohl weicht diese von den belastenden Preiserhöhungen bei Strom, Gas und anderen Wohnkosten endlich mal ab. Und zwar nach unten. (Alle hier gezeigten Grafiken: Planungsbüro Berghammer)
So herrschte bei den Versammelten im Sankt-Martin-Haus bei von den Stadtwerken spendiertem alkohlfreiem Punsch und Weihnachtsgebäck trotz des technisch anspruchsvollen Themas eine recht entspannte Stimmung. Einzelne anwesende Hauseigentümer stellten interessiert die Frage, wie es mit einem Anschluß in ihrer Straße werden könne.
Stadt Marburg und die Stadtwerke gehen das Vorhaben an. Nutznießer können die Bewohner im Waldtal in Gestalt spürbarer Heizkostensenkung werden. Das freilich sollte, ja muss eine Maxime sein. Dafür sind schließlich positive strukturelle Gegebenheiten (Studentendorf, viele große Wohnanlagen, kurze Wege) gleich vielfach gegeben. Man wird sehen, wann und wie dieses Leuchturmprojekt Strahlkraft entfalten wird – ganzjährig, nachhaltig und langfristig und nicht nicht nur in adventlichen Abendstunden, wie bei den zwei lichterkettenübersäten Wohnhäusern.