EU-Pläne zur Liberalisierung der Wasserversorgung erfahren Widerstand von Stadtwerken Marburg
Marburg 19.2.2013 (pm/rd) Marktöffnung und Kommodifizierung als Maxime neoliberaler Politik haben in den letzten Jahren wichtige Bereiche öffentlicher Daseinsvorsorge vollständig oder teilweise privatisiert. Ob Krankenhäuser, wie in Mittelhessen das UKGM, Telekommunikation, Bahn oder Bereiche öffentlicher Bildungseinrichtungen, insbesondere die Ausformung der Europäischen Union wird als Schrittmacher wachsender Ökonomisierung von Lebensbereichen solcher Privatisierungspolitik genutzt. Aktuell gibt es seitens der Europäischen Kommission Bestrebungen mittels ‚einheitlicher Wettbewerbsregeln bei der Vergabe von Konzessionen für die Trinkwasserversorgung‘ einen weiteren Bereich für eine Privatisierung der Versorgung zu ‚öffnen‘. Dagegen wendet sich eine Initiative unter dem Motto ‚Wasser ist Lebensrecht‘ und versucht mittels Unterschriftensammlung diese Pläne zu verhindern. Die Wasserversorgung dürfe nicht dem Gewinnstreben unterworfen werden sondern gehöre in die öffentliche Hand – so die Argumentation. Das Thema schwappt jetzt auch nach Marburg über. Bevor sich die Stadtverordnetenversammlung am Freitag damit beschäftigen wird, haben die Stadtwerke Marburg eine örtliche Initiative gestartet und rufen dazu auf, das europäische Bürgerbegehren ‚Wasser ist Lebensrecht‘ per Unterschrift zu unterstützen: Trinkwasser ist ein öffentliches Gut und darf keine Handelsware werden.
Die Stadtwerke Marburg zeigen sich besorgt über den neuen EU-Richtlinienvorschlag, europaweit einheitliche Vergaberegeln für Dienstleistungskonzessionen zu schaffen und diese auch auf die kommunale Wasserwirtschaft auszudehnen. Demnach sollen in Zukunft in Europa einheitliche Wettbewerbsregeln bei der Vergabe von Konzessionen gelten, auch bei der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung. Gebietskörperschaften, wie die Stadt Marburg, müssten dann in Zukunft alle Konzessionen europaweit ausschreiben. Wichtige Bereiche kommunaler Daseinsvorsorge würde einem ungebremsten Wettbewerb ausgesetzt. Nachdem bereits zwei Mal, Anfang der 1990er Jahre und im Jahr 2001, die Liberalisierung des Wassermarktes am Widerstand der Mitgliedstaaten gescheitert war, sehen viele in der neuen EU-Richtlinie zur Dienstleistungskonzession einen neuen Vorstoß, die Wasserversorgung für global aufgestellte Konzerne zu öffnen.
„Diese Richtlinie trifft die kommunale Daseinsvorsorge in ihrem Kernbereich und muss auf jeden Fall verhindert werden“, erklärt Stadtwerke Geschäftsführer Norbert Schüren. „Die deutsche kommunale Wasserwirtschaft ist hervorragend aufgestellt und mehr als 80 Prozent der Deutschen wollen keine Privatisierung des Trinkwassers.“ Dagegen hat der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments dem Vorschlag am 24. Januar 2013 grundsätzlich zugestimmt. Nach den neuen Richtlinien der EU könnten dann Kommunen die Konzessionen für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nicht mehr ohne Ausschreibung an ihre kommunal wirtschaftlich tätigen Unternehmen vergeben. Wenngleich es für einige deutsche kommunale Betriebe Ausnahmen und Übergangsregeln geben soll, würden kommunale Unternehmen mit privater Minderheitsbeteiligung ebenso wie klassische Stadtwerke mit mehreren Sparten unter der neuen EU-Richtlinie fallen. Damit droht eine Privatisierung, die Menschen in manchen Großstädten bereits steigende Wasserpreise beschert hat.
„Die kommunalwirtschaftlichen Strukturen in Marburg und in der Region müssen unbedingt erhalten bleiben und gestärkt werden“, meint auch Stadtwerke Geschäftsführer Rainer Kühne. Aktuell kämpfen sowohl die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, der Gewerkschaft verdi und der Politik im Schulterschluss mit zahlreichen Nicht-Regierungs-Organisationen gegen die in Gang gesetzte Liberalisierung der europäischen Wassermärkte. Kritiker befürchten, dass der Wettbewerb auf dem Wassermarkt nicht nur zu steigenden Preisen, sondern auch zu Qualitätsverlusten führen könnte und insbesondere Großkonzerne die Gewinner der Marktliberalisierung seien. „Wieder einmal sollen bewährte kommunale Strukturen zerstört und die Interessen einzelner Großkonzerne gestärkt werden“, erklärt Stadtwerke Geschäftsführer Norbert Schüren.
Die Stadtwerke Marburg lehnen daher die Liberalisierung des EU-Wassermarktes strikt ab und rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf das Bürgerbegehren ‚Wasser ist Menschenrecht‘ zu unterzeichnen. Mehr als eine Million Unterzeichner der Unterschriftenaktion gibt es bereits. Die Stadtwerke Marburg haben in ihrem Kundenzentrum Am Krekel 55 Listen ausgelegt, worin direkt Unterschriften gesammelt werden.
—>Wer will, kann sich über das Internet registrieren lassen