Über die mittelhessischen Hochschulen und ihre Absolventen
Marburg 5.8.2013 (pm/red) In Mittelhessen als eher ländlich geprägte Region in der Mitte Deutschlands gibt es eine Besonderheit wahrzunehmen. Es gibt hier gleich drei Hochschulen, die Philipps Universität Marburg, die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Technische Hochschule Mittelhessen (früher Fachhochschule Gießen-Friedberg). Damit gibt es überproportional viele Studenten und Absolventen in der Region. Zugleich gibt es vermehrte Anstrengungen zur Rekrutierung von Fachkräften von Seiten der hiesigen Wirtschaft. Dabei mag als Widerspruch erscheinen – viele Studienmöglichkeiten und akademische Abschlüsse und zugleich Nachwuchsorgen? In der Region Mittelhessen sind von 1000 Einwohnern 50 an einer der drei Hochschulen eingeschrieben. Wird dies mit dem Bundesdurchschnitt (24 Studierende je 1000 Einwohner) verglichen, wird die hohe Studierendendichte der Region Mittelhessen besonders deutlich. Es gibt über 60.000 Studierende. Dies veranlasste das neu organisierte Regionalmanagement Mittelhessen zur Beschäftigung mit der Frage nach dem Verbleib von Absolventen nach ihrem Abschluss in Mittelhessen.
Finden die Anbieter von Arbeitsplätzen und die Absolventen zusammen? Wie und wann geschieht dies? Um dies herauszufinden, hat das mittelhessische Regionalmanagement die Arbeitsgruppe für Wirtschaftsgeographie und Standortforschung der Philipps‐Universität Marburg mit einer Befragung der Studierenden beauftragt. Ziel ist es, Methoden zu finden, die das regionale Fachkräftemarketing effektiver machen. Der Wirtschaftsgeograf Prof. Thomas Brenner aus Marburg als maßgeblicher Bearbeiter der Studie hat Fragen zum Hintergrund beantwortet.
Warum haben Sie die Studierenden befragt?
Prof. Thomas Brenner: Stetig steigende Studierendenzahlen und entsprechend viele Absolventen charakterisieren unsere Hochschullandschaft, die eine lange Geschichte hat. Wir wissen zwar, wie viele Studierende in Mittelhessen eingeschrieben sind, wir wussten aber bisher nicht, wie und vor allem wo sich die Studierenden nach einem Arbeitgeber umschauen. Ist das Verhalten Hochschul-spezifisch oder gar abhängig vom Studiengang? Der Wunsch des Regionalmanagements ist es, dass möglichst viele der Absolventen eine Karriere in der Region anstreben oder zumindest in Erwägung ziehen. Die Ergebnisse können den Unternehmen helfen, ihre Ansprache zu verbessern und gleichzeitig den Studierenden die Suche erleichtern.
Wie waren die Reaktionen der Studierenden auf Mittelhessen als potentieller Arbeitsort?
Prof. Thomas Brenner: Insgesamt sehr positiv! Wir haben in der Befragung festgestellt, dass insgesamt nur etwa 30% der Studierenden räumlich gebunden sind und damit rund 70 Prozent der Studierenden in der Wahl ihres Berufsortes beeinflusst werden können. Es gibt dabei große Unterschiede abhängig von Studienfach und Hochschule. Dabei fällt auf, dass Studierende, die während des Studiums keinen Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern hatten (z.B. durch Jobs, Praktika und Abschlussarbeiten) auch weniger über die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Region informiert sind. Auf Wunsch haben wir den Studierenden Adressen passender Unternehmen aus der Region Mittelhessen zur Bewerbung zukommen lassen: 65 Proezent der Befragten haben davon Gebrauch gemacht! Aus dieser Zahl allein lässt sich schon ein großes Interesse an der Region Mittelhessen ablesen.
Was sind die Ergebnisse und was empfehlen Sie zum weiteren Vorgehen?
Prof. Thomas Brenner: Ganz konkret: bei fast allen Studienfächern wird die Möglichkeit, Studierende durch Praktika, Abschlussarbeiten und Nebenjobs an die Unternehmen der Region zu binden, zu wenig genutzt. Praktika und Abschlussarbeiten in Unternehmen sollten letztendlich auch für Arbeitgeber attraktiv sein, weil auf diese Weise potentielle Mitarbeiter relativ unverbindlich kennengelernt werden könnten. Eine zusätzliche regionale Jobbörse aufzubauen, wird von vielen Studierenden ebenfalls empfohlen. Interessanterweise wird dies häufiger von den Studierenden empfohlen, die eine geringere Bindung an Mittelhessen haben. Diese Studierenden könnten also mit Hilfe einer regionalen Jobbörse besonders gut erreicht werden. Sehr studiengangspezifisch ist das Potenzial von Kontaktmessen und Firmenbesichtigungen zu bewerten. Bei einigen Studiengängen, vor allem in der THM, sehen die Studierenden einen großen Wert in zusätzlichen Angeboten dieser Art. In der Mehrzahl der Studiengänge hingegen, werden solche Veranstaltungen von den Studierenden kaum gewünscht. Unser Fazit: wir konnten Erkenntnisse über das Verhalten von Hochschulabsolventen gewinnen, aus denen die oben angesprochenen Instrumente abgeleitet werden können. Wir haben das Suchverhalten der Studierenden genauer analysiert, um bevorzugte Suchstrategien und mögliche Ansatzpunkte für eine verbesserte Vermittlung in der Region zu identifizieren. Mit diesen Erkenntnissen kann das Regionalmanagement sein Fachkräftemarketing zum Nutzen von beiden Seiten – Unternehmen wie Studierenden – ausbauen.
—>Die Studie kann von den Webseiten des Regionalmanagements herunter geladen werden.