Erfolge für Forschungsallianz der Universitäten Gießen und Marburg
Marburg 27.11.2013 (pm/red) Die Universitäten Gießen und Marburg haben den Zuschlag für zwei Sonderforschungsbereiche zur historischen Sicherheitsforschung sowie zur Hirn- und Wahrnehmungsforschung erhalten. Ein Jahr nach Gründung kann die Forschungsallianz der Universitäten Gießen und Marburg einen weiteren großen Erfolg verbuchen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat zwei neue transregionale Sonderforschungsbereiche (SFB/TRR) für die beiden Standorte bewilligt. Mit voraussichtlich knapp zehn Millionen Euro für die kommenden vier Jahre fördert die DFG historische Sicherheitsforschung im SFB/TRR „Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“. Voraussichtlich knapp acht Millionen Euro gehen in den kommenden vier Jahren an den neuen SFB/TRR „Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung“, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Mechanismen des Gehirns bei der Wahrnehmung umfassend untersuchen werden.
„Der großartige Doppelerfolg zeigt, dass unsere beiden forschungsstarken Universitäten gemeinsam ihr Exzellenzpotenzial noch besser zur Geltung bringen können. Der Doppelerfolg belegt einmal mehr: Mit unserer Allianz werden wir eine Erfolgsgeschichte der Spitzenforschung in Mittelhessen schreiben können“ sagte Professor Dr. Joybrato Mukherjee, der Präsident der Justus-Liebig-Universität.
„Dynamiken der Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“
„Sicherheit gilt heute als zentrale Zielvorstellung der Politik, und dies in nahezu sämtlichen Politikbereichen“, erklärte der Marburger Historiker Professor Dr. Christoph Kampmann, Sprecher des historisch orientierten Verbunds. „Der transregionale SFB untersucht, wie sich in der Geschichte Vorstellungen von Sicherheit entwickelten und in den politischen Prozess gelangten.“ Die Darstellung und die Herstellung von Sicherheit seien Vorgänge, die einander bedingen und deren Verhältnis in historisch unterschiedlichen Dynamiken und Prozessstrukturen erforscht werden soll. „Es ist zu beobachten, dass Streben nach Sicherheit häufig in ein Weniger an Sicherheit mündet“, stellte Kampmann fest.
„Wir werden Forschungsansätze der Politikwissenschaft aufgreifen und in historischer Perspektive weiterentwickeln“, ergänzte Kampmanns Gießener Kollege Professor Dr. Horst Carl, Koordinator auf Gießener Seite und – wie der Marburger Zeithistoriker Professor Dr. Eckart Conze und die Gießener Politikwissenschaftlerin Professorin Dr. Regina Kreide – einer der stellvertretenden Sprecherinnen und Sprecher des SFB.
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler legen bei ihrem Vorhaben kein festes, statisches Verständnis von Sicherheit zugrunde. Vielmehr sehen sie Sicherheit als veränderbar an, „als ein gesellschaftliches Konstrukt, das Gegenstand rivalisierender Deutungen und Interessen ist und das daher wie andere Grund- und Wertbegriffe der politisch-sozialen Sprache nur historisch fassbar wird“, wie Kampmann ausführt. Der Sonderforschungsbereich soll sich daher nicht auf einen Zeitabschnitt beschränken, sondern Epochengrenzen überschreiten. Ziel der gemeinsamen, interdisziplinären Forschungsarbeit ist es, zunächst ein geeignetes Analyseinstrumentarium zu erarbeiten, um schließlich zu einer Gesamttypologie der Dynamiken von Sicherheit in der Geschichte zu gelangen.
Ein besonderer Schwerpunkt des Sonderforschungsbereichs ist die wissenschaftliche Nachwuchsförderung in Gestalt eines integrierten Graduiertenkollegs. Die beantragte Fördersumme für den SFB beträgt für die kommenden vier Jahre 9,9 Millionen Euro, insgesamt wirken 19 Teilprojekte aus den Fächern Geschichte, Politikwissenschaft, Völkerrecht, Kunstgeschichte und Soziologie zusammen.
„Kardinale Mechanismen der Wahrnehmung“
Die Sinnesorgane sind das „Fenster zur Welt“, sie ermöglichen den Empfang von Reizen aus der Umwelt. Doch wie verarbeitet das Gehirn die Informationen? Wie funktioniert Wahrnehmung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der neue interdisziplinäre SFB/TRR. Der Start des Verbundvorhabens ist für April 2014 vorgesehen. Es handelt sich deutschlandweit erst um den zweiten Sonderforschungsbereich unter Federführung der Psychologie. Die Sprecherschaft für den interdisziplinären SFB liegt bei dem Gießener Psychologen Professor Dr. Karl Gegenfurtner, weitere Mitglieder des geschäftsführenden Komitees sind Professor Dr. Frank Bremmer, Neurophysik (UMR), Professorin Dr. Katja Fiehler, Allgemeine Psychologie (JLU) und Professorin Dr. Gudrun Schwarzer, Entwicklungspsychologie (JLU).
„Unsere Gruppe von Antragstellern kann auf langjährige erfolgreiche Vorarbeiten verweisen, davon auch einige in DFG-geförderten Verbundprojekten. Darauf aufbauend wird der SFB eine Vielzahl von hochgradig interdisziplinären Projekten ermöglichen, die geeint werden durch das gemeinsame Ziel, zu verstehen, wie wir die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren“, sagte Professor Gegenfurtner. Professor Bremmer fügte hinzu: „Der Sonderforschungsbereich wird die Forschungsallianz unserer beiden Universitäten weiter bestärken, innerhalb derer unser Themenbereich bereits als Schwerpunkt und Aktionsfeld ausgewiesen wurde.“
Der SFB will untersuchen, wie das menschliche Gehirn aus sensorischen Eingangssignalen übergeordnete Bedeutung ableitet. Dazu soll der Prozess der Wahrnehmung umfassend auf der Basis dreier grundlegender Prinzipien erklärt werden: Prädiktion, Bewertung und Kategorisierung. Die dadurch entstehenden internen Modelle der Umwelt ermöglichen es dem Menschen, den künftigen Zustand der Umgebung sowie Handlungskonsequenzen vorherzusagen, die möglichen Risiken und den Nutzen von Reizen und Reaktionen zu bewerten sowie die unendliche Menge an Umweltreizen in Kategorien von Konzepten und Verhaltensweisen abzubilden. So bietet der SFB eine einzigartige Kombination aus Verhaltensexperimenten, Physiologie und Modellierung, um zu einem umfassenden Verständnis dieser drei Prinzipien zu gelangen. Langfristig, auch über die erste Förderphase hinaus, soll die Entwicklung dieser Mechanismen über die gesamte Lebensspanne hinweg erfasst werden. Dabei möchten die Wissenschaftler auch untersuchen, welche funktionelle Bedeutung die untersuchten Mechanismen bei neurologischen und psychiatrischen Krankheiten haben.