Marburger Hahn und Hessenlöwe – Was bringt die neue Landesregierung für Marburg?
140123 (yb) Erst in diesen Tagen geht nach vier Monaten eine ungewöhnlich lange Zeit ausgeprägter Politikabwesenheit zuende und konkrete Politik bestimmt wieder das Handeln und die Themen in der Republik. Nicht alleine die langen Koalitionsverhandlungen in Berlin waren hierbei bestimmend. Vor wenigen Tagen hat sich erst die neue Schwarz-Grüne Landesregierung in Hessen konstituiert und am 1. Februar beginnt die Amtszeit der neu gewählten Landrätin Kirstin Fründt (SPD). Der 22. September 2013 war in Marburg bekanntlich gleich ein dreifacher Wahltermin, zu dem Bundestag, Hessischer Landtag und eben die Landrätin gewählt worden sind. Insofern ist die anschließende lange Übergangszeit zwar plausibel erklärbar. Ein Phänomen bleibt eine solche „Politikpause“ gleichwohl.
Veränderungen bei den Mandatsträgern
Die Bundestagswahl erbrachte im Wahlkreis einen zweiten Bundestagsabgeordneten. Neben Sören Bartol für die SPD als Direktkandidat ist Dr. Stefan Heck über die Landesliste der CDU in den Bundestag gewählt worden. Marburg-Biedenkopf ist damit in den nächsten vier Jahren jetzt mit zwei Bundestagsabgeordneten in Berlin repräsentiert. Dies ist zu begrüßen, dürfte allerdings keine sonderlich spürbaren Auswirkungen haben. Ein einzelner Wahlkreis spielt nun einmal in der Bundespolitik ebensowenig eine sonderliche Rolle wie es hier keine herausragenden Themen und Anliegen hat, die in Berlin eingebracht oder durchgesetzt werden könnten.
Damit sind von der Bundestagswahl und ihrem Ergebnis in Gestalt der großen Koalition für Marburg und die Region keine signifikanten Änderungen zu erwarten, die nicht auch für den Rest der Republik zum Tragen kommen werden. Auch im Landkreis sind mit der Wahl von Landrätin Kirstin Fründt Umbrüche nicht wahrscheinlich, denn es bleibt hier nun einmal bei der Schwarz-Grün-Gelben Mehrheit im Kreistag. Über die Haushaltshoheit des Kreistages sind und werden die Eckpunkte für die Kreisentwicklung gesetzt. Dabei wird es interessant sein zu beobachten, wie die bisher politikunerfahrene neue Landrätin sich positionieren und behaupten kann.
Weiter vier Landtagsabgeordnete aus Marburg-Biedenkopf
Für Marburg-Biedenkopf hat die Landtagswahl im Allgemeinen keine durchschlagenden Veränderungen gebracht. So ist es numerisch bei vier Landtagsabgeordneten geblieben, die aus der Region in die Landeshauptstadt reisen. Nach dem Ausscheiden von Dr. Christean Wagner von der CDU aus Altersgründen ruht die landespolitische Vertretung der Region bei den Christdemokraten allerdings allein auf dem Schultern von Dr. Thomas Schäfer. Dieser bleibt weiter Finanzminister, immerhin. Doch eine Verbesserung im Sinne von Verstärkung bringt der Wegfall dieses Landtagsmandats in der Region, zumal das eines erfahrenen und einflußreichen Politikers, der Christean Wagner nun einmal gewesen ist, bestimmt nicht. Wagner war Fraktionsvorsitzender der CDU und gehörte der in den nächsten Jahren weiter im Amt befindlichen Regierungspartei an.
Der Wegfall eines CDU-Landtagsabgeordneten wird zahlmäßig kompensiert durch die neu gewählte Angelika Löber von der SPD. Damit hat Dr. Thomas Spies für die SPD in den nächsten fünf Jahren Verstärkung in Gestalt einer Landtagskollegin aus der Region. Doch das bildet sich nicht auf Seiten der Landesregierung ab, denn der SPD stehen nun einmal weitere Jahre auf den harten Oppositionsbänken bevor.
Unverändert ist die Situation bei den Grünen. Angela Dorn bleibt Landtagsabgeordnete.
Es ist damit festzuhalten, dass die Stadt Marburg und der Landkreis zwar weiterhin vier Landtagsgeordnete nach Wiesbaden entsenden. Auch der zukünftige Finanzminister kommt in Gestalt von Thomas Schäfer weiter aus der hiesigen Region. Doch eine Veränderung, gar Verstärkung, durch die veränderte Repräsentanz steht nicht zu erwarten. In den Reihen der großen Regierungspartei CDU ist ein wichtiges Mandat entfallen. Auf Angela Dorn von den Grünen kommen sehr große Aufgaben zu, wenn sie als Abgeordnete der kleinen Regierungspartei den Abgang von Christean Wagner ausgleichen will, zu Gunsten der Region.
Auch die sonstige Besetzung der neuen Landesregierung mit Ministern und Staatssekretären hat aus Marburg-Biedenkopfer Betrachtung keine Verbesserung gebracht. Einen Staatssekretär aus der hiesigen Region sucht man vergeblich. Weder von der CDU noch von Grünen gab es dafür ein Personalangebot, was ernsthaft erörtert worden wäre.
Das bedeutet, dass aus dieser zunächst personalen Betrachtung, in der sich zugleich das Wahlergebnis abbildet, sich keine Auswirkungen und Folgen für die Landespolitik ergeben können. Das ist nicht gut und entspricht nicht Erwartungen, die aus Marburg und der Region an die zukünftige Landespolitik gestellt werden können und müssen. Denn das Verhältnis, insebesondere von Stadt Marburg zur Landesregierung konnte in der Vergangenheit keinesfalls als positiv bezeichnet werden. Es gab zu viele Konflikte, insbesondere wegen der Privatisierung der Uniklinken und den daraus entstandenen zahlreichen Problemen.
Viele ungelöste Landesaufgaben in Marburg
In allgemeiner Betrachtung ist die Frage, was die neue Landesregierung für Marburg bringen kann, auch für die nächsten Jahre kritisch zu betrachten. Es gibt keine personellen oder sonstige Anzeichen, dass sich hier etwas wesentlich ändern könnte. So wartet auf die Schwarz-Grüne Koalition das nach wie vor ungelöste Problem der Inbetriebnahme der Partikeltherapie. Die alte Landesregierung und die sie tragende CDU hatte sich mit einer Fristverlängerung zu Gunsten der Rhön AG aus der Verantwortung gestohlen und sich zumindest über den Wahltermin gerettet. Jetzt wird über einen gemeinsames Betriebsmodell mit der bisher einzigen in Deutschland betriebenen Anlage in Heidelberg verhandelt. Das Land ist dabei außen vor, hat lediglich vor kurzem angekündigt eine Klage vorbereiten zu wollen, wenn die Partikeltherapie in Marburg nicht in Betrieb genommen wird.
Ein Kernstück der Verträge um den Verkauf der Unikliniken bleibt damit uneinglöst und damit die Frage, ob das UKGM in Marburg eine herausragende Position in der Krebstherapie erreichen kann oder nicht.
Die Philipps-Universität ist und bleibt das nächste große Aufgabenfeld, für das die neue Landesregierung in Verantwortung genommen werden muss. Mittlerweile studieren 25.700 junge Menschen in Marburg, ohne dass mit dem Anwachsen der Zahl der Studierenden um viele Tausende – im Wintersemester 2013/14 alleine um 9,28 Prozent – die notwendige entsprechende Grundfinanzierung vom Land zugestanden und geleistet worden wäre. Wettbewerbsorientierte Excellenzförderung kann nicht die Aufgaben einer soliden und zukunftsorientierten Grundfinanzierung der Hochschule ersetzen.
Die Zukunft und Entwicklung der Universität ist Landesaufgabe. Die für Marburg gedachten rund 500 Millionen Euro im Rahmens des Landesprogramms HEUREKA reichen hinten und vorne nicht aus, wenn die Planungen für den Ausbau von Campus Lahnberge und Campus Firmanei Wirklichkeit werden sollen. Stattdessen wurde eine Kürzung und Streckung der HEUREKA-Mittel um 50 Millionen Euro im Jahr bereits verkündet. Aus Gesamtsicht der Universität sind mithin von der neuen Landesregierung keine Verbesserungen zu erwarten. So wird im laufenden Betrieb weiter auf Verschleiß gefahren werden müssen, Haushaltsmittel zur Erhaltung der Gebäude müsssen in den laufenden Betrieb gesteckt werden und die Universitätsleitung muss sehen, wie sie mit eigenen Reserven deutlich gewachsenen Anforderungen besonders in der Lehre und deren personellen Ausstattung klar kommen wird.
Als relativ kleine Universitätsstadt ist Marburg in hohem Maße vom Land abhängig. Dies drückt sich etwa in der Zahl der Landesbediensteten aus. Zu den mehr als 3.000 Universitätsangehörigen kommen eine deutlich vierstellige Zahl von Lehrern und sehr zahlreiche Landesbedienstete in Behörden und Ämtern. Auch wenn derzeit kein weiterer Abbau und Verlagerung von Landesbehörden, wie zuletzt etwa in Gestalt des nach Gießen verlagerten Arbeitsgerichts, bekannt ist, lässt die Absichtserklärung der neuen Landesregierung den Beamten zukünftig nur noch einprozentige Einkommenszuwächse zugestehen zu wollen, nichts Gutes erwarten.
Bei den gegebenen Schwerpunkten Universität und Uniklinikum lasten also mehrere Hypotheken auf dem Handeln der Schwarz-Grünen Landesregierung. Davon betroffen ist die Stadtentwicklung allemal. Dies zeigt sich etwa in anhaltenden Diskussionen zum Verkehr und etwa der Parkplatzfrage in der Innenstadt. Dabei ist die Stadtentwicklung ganz wesentlich von den Plänne und Baumaßmahmen der Universität, wie dem bevorstehenden Bau der neuen Universitätbibliothek abhängig. Die Stadt Marburg und damit Stadtpolitik soll und muss Rahmenbedingungen schaffen oder erfüllen.
Zweifellos wäre eine konstruktives Verhältnis zwischen Stadt und Land wünschenswert. Raum für Verbesserungen zu einem Miteinander gibt es viel, zu viel. Ob angesichts der nicht gegebenen finanziellen Möglichkeiten des Landes und der personellen Konstellationen aus Marburger Sicht positive Erwartungen in Richtungen Wiesbaden artikuliert werden können, erscheint sehr fraglich.
Auch wenn derzeit keine von der Stadt Marburg ausgehenden Konfliktthemen, wie vordem die städtische Solarsatzung oder eigenwilligen Besetzungspläne für Dezernentenstelle (Stellenteilung), anliegen, erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass Marburg in den kommenden Jahren zu einem Profiteur landespolitischen Handelns werden kann. Es wäre schon eine Menge, wenn Fehler und Rückstände aus der Vergangenheit vom Land aus der Welt geschaffen würden. Alleine dafür gibt es viel zu tun für die gewählten MandatsträgerInnen.