Politologe Reinhard Kühnl gestorben
140211 Am Morgen des 10. Februar 2014 verstarb in Marburg der Politikwissenschaftler Reinhard Kühnl.
1936 in Schönwerth (Tschechoslowakei) geboren, studierte Kühnl in Marburg und Wien Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft und Germanistik. Er wurde ein Schüler Wolfgang Abendroths. Mit seiner Dissertation von 1965, „Die nationalsozialistische Linke 1925 – 1930“, schrieb er sich sofort in die erste Reihe der damals noch jungen Faschismusforschung. 1967 erschien „Die NPD – Struktur, Programm und Ideologie einer neofaschistischen Partei“. Nach seiner Habilitation – die Ernst Nolte mit einer publizistischen Kampagne zu verhindern suchte – wurde er 1971 Professor für Politikwissenschaft in Marburg. Auf Einladung seines Freundes Walter Grab bekleidete er 1973 eine Gastprofessur in Tel Aviv.
In den folgenden Jahrzehnten entfaltete Reinhard Kühnl eine sehr fruchtbare wissenschaftliche und publizistische Tätigkeit. Sein Buch „Formen bürgerlicher Herrschaft: Liberalismus – Faschismus“ erreichte von 1971 bis 1990 zahlreiche hohe Auflagen. Eine ähnlich große Wirkung erzielte seine Gesamtdarstellung der Faschismustheorien. Reinhard Kühnls Bücher wurden in 14 Sprachen übersetzt.
Stets arbeitete er – als Marxist und radikaler Demokrat – den Zusammenhang zwischen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und den von ihr hervorgebrachten politischen Systemen – darunter dem Faschismus – heraus.
Groß war auch Reinhard Kühnls Erfolg als akademischer Lehrer. Wie vorher schon zu Wolfgang Abendroth, so kamen nun von nah und fern Studierende nach Marburg, um bei ihm zu lernen. In der gesamten Bundesrepublik und international zog er als Vortragender viele Menschen in fast immer überfüllten Auditorien an.
Schwerpunkt seiner Forschungen und seiner Lehre blieben Ursachen und Geschichte des Faschismus. In der Praxis wurde er so zum Mitstreiter in den Kämpfen der Friedensbewegung und im Bemühen um Verteidigung und Erweiterung der Demokratie. 1968 war er Gründungsmitglied des Bundes demokratischer Wissenschaftler . Bei dessen Neukonstituierung 1972 wurde er zusammen mit Walter Jens und Helmut Ridder Mitglied des Engeren Vorstandes, dem er bis 1999 angehörte.
Die demokratische Bewegung und der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verdanken Reinhard Kühnl unendlich viel, wird vom BDWi mitgeteilt. Seine Stimme – seit
Jahren schon aufgrund einer Krankheit verstummt – fehle in den Auseinandersetzungen mit alten und neuen Geschichtslegenden.