Vom Streik im öffentlichen Dienst – im Blickpunkt dazu Geschäftsführergehälter in Marburg
140319 (red) In Marburg wird gestreikt. Die Räder der kommunalen Busse stehen still und einige städtische Kindergärten bleiben geschlossen. Die Busfahrerinnen und Busfahrer streiken auch am Donnerstag und am Freitag. Hintergrund der Streiks sind die laufenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst, bei denen von Arbeitgeberseite noch gar kein Angebot vorgelegt worden ist. Die Forderung der Gewerkschaft ver.di lautet monatlich für alle Beschäftigten 100 Euro mehr und 3,5 Prozent Lohn- bzw. Gehaltssteigerung. Die Streiks in dieser Woche vergegenwärtigen die oftmals niedrige Bezahlung im öffentlichen Dienst und betreffen rund 2,1 Millionen Beschäftigte. Es geht in Deutschland jetzt also um mehr als 2 Millionen Betroffene und nicht mehr um die mehr als 28 Millionen Steuerhinterziehung eines einzelnen Fußballmanagers. Für die große Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst soll die geforderte Einkommenserhöhung dazu beitragen, dass sie nicht weiter von der allgemeinen Einkommensentwicklung bei steigenden Preisen abgehängt werden, also Kaufkraftverluste hinnehmen müssen.
Doch nicht alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen sich mit kleinen Gehältern – manche BusfahrerInnen haben noch nicht einmal ein Bruttogehalt von 2.000 Euro im Monat – zufrieden geben. Mit den gehobenen Gehältern, die in Marburg an einige Funktionsträger und Geschäftsführer gezahlt werden, beschäftigt sich ein Gastbeitrag eines Lesers, der anonym bleiben möchte. Aus Anlass der aktuellen Tarifverhandlungen und der sie begleitenden Streiks, worin auf den bisherigen Unwillen zur Anpassung seitens der Arbeitgeber reagiert wird, wird dieser Beitrag – gewissermaßen „mit Blick nach oben“ zu den Besserverdienenden – veröffentlicht. Die Zahlen sind kein Geheimnis, sie lassen sich dem Beteiligungsbericht der Stadt Marburg, hier das Jahr 2011, entnehmen:
Geschäftsführergehälter im Blickpunkt
Der von Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) im Dezember 2012 vorgelegte Beteiligungsbericht für die Stadt Marburg wirft einen kleinen Blick auf die lokalen Marburger Strukturen. Nicht verwunderlich ist es, dass auch in Marburg der Oberbürgermeister nicht an erster Stelle der kommunalen Gehälter steht. OB Vaupel steht 2011 mit einem Bruttogehalt von 105.000 Euro deutlich hinter anderen lokalen Geschäftsführungen.
Spitzenreiter sind, wie in vielen anderen Kommunen auch, die Geschäftsführer des lokalen Energieversorgers. Der Sprecher der Geschäftsführung der Marburger Stadtwerke, Norbert Schüren (SPD), lag in 2011 laut Beteiligungsbericht mit einem Bruttoeinkommen von 164.00 Euro etwas vor dem weiteren Geschäftsführer der Stadtwerke, Rainer Kühne (SPD), der 147.000 Euro verdiente.
Als Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau und gleichzeitiger Geschäftsführer der städtischen Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) kommt Bernd Schulte (SPD) laut Beteiligungsbericht auf ein Jahreseinkommen in 2011 von zusammen ca. 136.000 Euro (GeWoBau – 121.564 Euro, SEG – 14.400 Euro).
Zwar hinter dem Oberbürgermeister, aber deutlich vor dem Gehalt des Bürgermeisters Franz Kahle (Grüne) mit 90.000 Euro und Städträtin Kerstin Weinbach (SPD) mit 85.000 Euro (derzeit mit Reduzierung auf halber Stelle tätig – red.), kommt der Geschäftsführer der Stadtwerke Marburg Consult, Christoph Rau, mit 101.000 Euro.
Auch der Geschäftsführer der Marburger Verkehrsgesellschaft, Wolfgang Otto, verdiente mit 99.000 Euro nur knapp weniger als OB Egon Vaupel. Otto ist der Schwiegersohn des Oberbürgermeisters und hat nach Studium bei den Stadtwerken angefangen und hier in den letzten zehn Jahren eine bemerkenswerte Karriere gemacht, bis er von Rainer Kühne (SPD) auf den jetzigen Geschäftsführerposten berufen wurde. Ebenso wie es in Frankfurt der heutige Mainova-Chef Constantin Alsheimer über Rathaus-Verbindungen schaffte, ohne spezielle Ausbildung innerhalb weniger Jahre zu einem der bestbezahlten Frankfurter Manager zu werden, schaffte es Otto innerhalb weniger Jahre immerhin auf Platz 5 der örtlichen Gehaltshierarchie – direkt hinter seinem Schwiegervater.
Die übrigen Geschäftsführungen sind laut Beteiligungsbericht allesamt in einem Bereich von 63.000 Euro (Klaus Hövel – MTM), 75.000 Euro (Tomas Schneider (Grüne) – SWIMM), 80.000 Euro ( Intendant Matthias Faltz – HLT) bis hin zu 81.000 Euro (Jörg Kempf – Marburger Altenhilfe) zwar durchweg in einem Bereich über dem Gehalt der hohen städtischen Angestellten und Beamten, aber vergleichbar mit den Verhältnissen in anderen Städten.
Nicht im Beteiligungsbericht enthalten sind die Gehälter der Sparkassendirektoren. Der Chef der Marburger Sparkasse dürfte ein Gehalt von ca. 300.000 Euro haben und damit der lokale Spitzenverdiener in einem öffentlichen Amt sein. Die Gehälter der stellvertretenden Direktoren bei der Sparkasse dürften deutlich hinter dem der Vorstandssitzenden liegen. Allerdings profitieren von der Sparkasse auch noch Landrat Robert Fischbach (jetzt Landrätin Kirsten Fründt – red.) und Oberbürgermeister Vaupel. Beide bekommen von der Sparkasse jährlich neben ihrem Beamtengehalt ca. 15.000 Euro an Zuwendung für ihre Tätigkeit als Verwaltungsräte.
Den vollständigen Beteiligungsbericht gibt es schriftlich bei der Stadt oder im Internet im Portal der Stadt Marburg (www.marburg.de) per Suchwort Beteiligungsbericht, inzwischen die Ausgabe 2013 mit den aktuellen Zahlen.
Wie die Tarfiverhandlungen öffentlichen Dienst ausgehen, bleibt abzuwarten. In jedem Fall liegt in der Struktur der Gewerkschaftsforderung von 100 Euro monatlich für alle und 3,5 Prozent ein gewisser Ausgleich für die überwiegende Zahl derjenigen mit geringen Gehältern (bei Müllabfuhr, Erzieherinnen in Kindergärten und und Busfahrer). Für alle mit niedriger Bezahlung bringt ein fester Sockelbetrag von 100 Euro im Monat deutlich mehr Zuwachs als eine reine prozentuale Erhöhung, von der vor allem die hohen Gehaltsgruppen profitieren.