Egon Vaupels Doppik – Doppelhaushalt soll Kommunalwahl umschiffen
140326 (yb) Bis zum Dienstag war es nur eine Vorlage und ein Vorhaben. Seit der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Dienstagabend ist es beschlossene Sache. Die Stadt Marburg soll in die Haushaltsjahre 2015 und 2016 mit einem Doppelhaushalt gehen. Dem Vorschlag von Oberbürgermeister und Kämmerer Egon Vaupel (SPD) haben nach kontroverser Diskussion die Stimmen von SPD und Grünen zur Mehrheit verholfen und einen Doppelhaushalt damit zum beschlossenen Vorhaben gemacht. Mittels Doppelhaushalt will Vaupel die Stadtfinanzen aus der im Frühjahr 2016 anstehenden Kommunalwahl raushalten. Denn in den nächsten beiden Jahren werden in Marburg sinkende Erträge zu verkraften sein. Es werden geringere Schlüsselzuweisungen vom Land Hessen erwartet. Gründe für absinkende Mittel aus Wiesbaden sind eine außerordentlich hohe Ertragslage bei den Gewerbesteuereinnahmen 2013 und die nach Zensusauswertung geschrumpfte Einwohnerzahl der Universitätsstadt. Dies hat den Oberbürgermeister veranlasst „sicherheitshalber“ den Kämmerer und das Stadtparlament als Forum der Stadtpolitik aus der Schusslinie von Haushaltsdebatten nehmen zu wollen.
Mit politischer Souveränität und Transparenz gegenüber Parlament und Wählerschaft ist Vaupels Verhalten nicht zu vereinen. Dies wurde denn auch im Haupt- und Finanzausschuss am 25. März überdeutlich. Der Kämmerer traut sich und seinen Leuten von der Rot-Grünen Parlamentsmehrheit nichts mehr zu. Angesichts zu erwartender geringerer Einnahmen will man lieber in einen Doppelhaushalt flüchten. Schließlich hat man eine in den letzten Jahren von rund 60 auf 90 Millionen Euro gestiegene Verschuldung der Stadt im Kreuz.
Schwache und widersprüchliche Argumente
OB Vaupel konnte in der Sitzung in seiner mündlichen Begründung den schwachen und widersprüchlichen Argumenten in der schriftlichen Beschlussvorlage nichts hinzufügen. Geradezu abwegig war es das Zeitfenster der Sommerferien, hier einen späten Termin in Hessen, als Motiv einführen zu wollen. Auch der Verweis auf Rückstände in den Arbeiten bei den Jahresabschlüssen deutet eher auf fehlende Manpower beim Fachdienst hin als sich damit eine Doppelhaushalt begründen lässt. Ganz und gar daneben lag der Kämmerer als er – mit missglücktem und unangebrachtem ironischen Unterton – auf den Doppelhaushalt von Schwarz-Gelb im Land Hessen verwies, mit dem gerade die Hessische Landtagswahl haushaltspolitisch umgangen worden ist.
Auch Vaupels Verweise auf mögliche Nachtragshaushalte waren nicht stichhaltig. Solche sind bereits gängiges und oftmals zusätzliches Instrument im Rahmen der ordentlichen Haushaltsführung eines Einzelhaushalts. So blieben dem Kämmerer lediglich die zu erwartenden absinkenden Landeszuweisungen als Hintergrund. Doch darin eine Begründung für einen Doppelhaushalt zu suchen, führte ihn ganz und gar auf Abwege. Die vom OB konstatierten wachsenden Probleme für einen Ausgleich des Haushalts würden genau anders herum gebieten Haushaltsjahr für Haushaltsjahr voranzuschreiten.
Deutlicher Widerspruch von Seiten der Opposition
So konnte in der Sitzung nicht verwundern, dass die Stellungnahmen von Sprechern der Oppositionsparteien Egon Vaupel geradezu als ein Chorus der Ablehnung entgegenschallten. „Die Schulden gehen rauf und die Einahmen gehen runter. Und jetzt soll die Kommunalwahl umschifft werden“, sagte Reinhold Becker von der Marburger Bürgerliste. Er kritisierte die hinter einem Doppelhaushalt steckende durchsichtige Strategie aus der Kommunalwahl 2016 Haushaltsdebatten raushalten zu wollen.
„Ich sehe hier als Motiv die schlechter werdende finanzielle Lage der Stadt Marburg“, sagt Hermann Heck für die CDU. „Gerade wenn es Einsparnotwendigkeiten gibt, ist ein Doppelhaushalt nicht zielführend.“ Unübersehbar sei der Zusammenhang zur bevorstehenden Kommunalwahl, der man mit einem Doppelhaushalts erneut diesbezüglich aus dem Weg gehen wolle.
Stefan Schartner (FDP) schloss sich dieser Betrachtung an. „Wenn es auf der Einnahmenseite Anpassungsbedarf nach unten gibt, macht ein Doppelhaushalt keinen Sinn“, waren seine Worte. Einen Doppelhaushalt aufzustellen brauche zudem mehr Zeit und stehe daher im Widerspruch zu den als Begründung angeführten Motiven hinsichtlich einer Arbeitsökonomie.
„Die Marburger Linke lehnt einen Doppelhaushalt ab“, war von Jan Schalauske zu vernehmen. Die Argumente des OB könnten nicht überzeugen, weil die Arbeiten für rückständige Jahresabschlüsse eher auf einen Bedarf zur Personalaufstockung in der Kämmerei hindeuten würden. Auch die Verweise auf bevorstehende schwierige Haushaltslage könnten nicht überzeugen. „Mit demselben Argument wurde bereits der Doppelhaushalt 2010/2011 verabschiedet. Und dann ist die Haushaltslage nicht schlechter sondern besser geworden“, gab Schalauske zu bedenken. Die Haushaltsdebatten seien nun einmal politische Debatten, die lieber öfter als weniger geführt werden sollten. „Den Haushalt aus der Kommunalwahl 2016 raushalten zu wollen, weist daher in eine völlig falsche Richtung.“
Offenbarung von Rot-Grün in Beiträgen zum Doppelhaushalt
Dietmar Göttling (Grüne) versuchte in seiner Stellungnahme auf den vermeintlichen „Zeitgewinn“ abzuheben. Das ist ihm nicht gelungen. Er konstatierte, dass die Haushaltslage schwieriger werde. „Wir müssen vor der Kommunalwahl ein Sparprogramm machen“, war aus seinem Mund zu vernehmen. Dabei war unüberhörbar, dass es den Grünen wohl angelegen ist, dies eben vor der Kommunalwahl abzuwickeln. Die unverhohlene Zustimmung zur Vaupels Strategie eines Doppelhaushalts war nicht nicht überhören.
Auch Schaker Hussein (SPD) konstatierte, dass „die Zeiten rum sind, in denen mit Wahlgeschenken geworben werden konnte. Der geplante Doppelhaushalt würde den Status einfrieren“, sagte er um auszudrücken, dass eingespart werden müsse. „Die Generationengerechtigkeit erfordert Sparsamkeit“, die sich im Doppelhaushalt artikulieren werde.
Die Sprecher der Koalitionsparteien gaben damit zu erkennen, dass sie sich des hohen Ausgabenniveaus der Stadt Marburg bewußt sind und sie keine Fortführung in der näheren Zukunft mehr für möglich halten. In der Gestalt eines Doppelhaushalts soll eine Wende auf der Ausgabenseite vollzogen werden und zugleich sollen haushaltspolitische Erörterungen auf parlamentarischer Ebene aus dem Wahlkampf rausgehalten werden.
So konnte Wieland Stötzel (CDU) als letzter Redner in der Sitzung seiner Freude Ausdruck verleihen, dass „offenbar ein Umdenken in den Reihen der Koalition hinsichtlich der Ausgaben eingesetzt hat.“ Ein Doppelhaushalt sei unbenommen davon gleichwohl der falsche Weg. „Warum hat es denn in der Vergangenheit Einzelhaushalte gegeben?“, stellte er als Frage in den Raum. Im jedem laufenden Haushaltsjahr gebe es aus guten Gründen vierteljährlich Budgetberichte. Ein Doppelhaushalt stehe dazu in krasser Diskrepanz. Die auch von ihm eingebrachte Feststellung „Man will keine Haushaltsdebatte vor der Kommunalwahl“ war damit zugleich eine Zusammenfassung des Tenors dieser Aussprache im Haupt- und Finanzausschuss.
Der Frage von Stötzel, warum eigentlich die Beschlussvorlage für einen Doppelhaushalt lediglich an diesen Ausschuss, nicht jedoch dem Stadtparlament vorgelegt werde, konnte OB Vaupel nicht beantworten und signalisierte Einverständnis das Vorhaben Doppelhaushalt auch im großen Forum der Stadtversammlung auf die Tagesordnung zu setzen.
Die Abstimmung der Vorlage war nur noch Formsache. Bei den Gegenstimmen aller Vertreter der Oppositionsparteien erreichte der Antrag die Mehrheit der Stimmen, die nun einmal bei SPD und Grünen liegt. Die Debatte hat dabei sehr anschaulich gemacht, dass Vaupels Vorhaben zumindest nicht in aller Stille ohne deutlichen Widerspruch über die Bühne gebracht werden kann. Zahlreiche Stadtverordnete sehen sich um ihr gutes Recht gebracht die Finanzen der Stadt, dargestellt im Haushaltplan, gerade in der Zeit einer Kommunalwahl diskutieren zu können und damit zugleich zur Abstimmung durch die Wähler stellen zu können. Doch die Rot-Grüne Mehrheit folgt ihrem Oberbürgermeister. Dass damit zugleich der Kämmerer ausgeklammert wird, ist Vaupels Absicht. Dass dies durchaus keine Stärkung für den Oberbürgermeister bedeutet, wird in Kauf genommen.
—> Ratlos im Rathaus – Rot-Grün in Marburg ohne Perspektiven