Mit dem Bus-Zug durch Marburg unterwegs – Eine Testfahrt hoch auf die Lahnberge
140509 (yb) Hinten einsteigen oder vorne einsteigen, ist die erste Frage im Betriebshof der Stadtwerke Marburg. Dabei bezieht sich hinten auf den Personenanhänger und vorne auf den 12m-Standardlinienbus. Beide zusammen ergeben den sogenannten ‚Bus-Zug‘, vom Hersteller ‚Maxi-Train‘ genannt. Die Doppeleinheit zur Personenbeförderung hat eine Gesamtlänge von 23 Metern und übertrifft damit einen herkömmlichen Gelenkbus um 5 Meter Länge. Rund 50 Fahrgäste mehr als im Gelenkbus, laut Herstellerprospekt bis zu 196 Personen, können befördert werden und damit in Spitzenzeiten deutliche Entlastung schaffen, um dem in Marburg regelmäßig anzutreffenden Übel überfüllter Busse entgegen zu wirken. Ich habe mich entschieden hinten einzusteigen, um auf der Route von Linie 7 hoch auf die Lahnberge einige Eindrücke zu sammeln. Das Innere des Personenanhängers sieht weitgehend genauso aus wie ein normaler Linienbus. Es fehlen lediglich vorne links Sitz, Lenkrad und die Instrumente des Fahrers. Verbunden sind die beiden Fahrzeugkörper mit einer Zugdeichsel, die in eine Kupplung des Linienbusfahrzeuges eingehängt ist. Dazu kommen eine Druckluftverbindung und ein Steuerkabel. So geht mein Blick durch die Frontscheibe des Personenanhängers direkt auf die Rückfront des Busfahrzeuges. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig. Der Blick nach vorne auf die Straße und das Verkehrsgeschehen ist im Personenanhänger nun einmal versperrt. Wir sind inzwischen unterwegs und ich habe es mir erst mal auf einer Sitzbank bequem gemacht. Es riecht alles neu in dem Testfahrzeug, das aus Thüringen nach Marburg gebracht worden ist. Ansonsten alles normal. Ein Fahrgefühl wie üblich, wenn Mensch im Bus unterwegs ist. Vielleicht nicht ganz so, wie in einem ’normalen‘ Bus fühlt es sich an und sicher anders als in einem Gelenkbus. Der Anhänger läuft sehr ruhig, das fällt auf. Er wird unterstützt von Anti-Blocker-System, elektronischem Brems-System und einem elektronischen Stabilitätsprogramm und wird präzise in der Fahrspur des Linienbusses und Zugfahrzeugs vorne gehalten. Es wird eine bequeme Busfahrt, zweifelsohne. Es ist sogar ruhiger in dem Personenanhänger hinten, denn es gibt keine Motorgeräusche.
Inzwischen bewegen wir uns durch die Universitätstraße Richtung Rudolpsplatz. Wolfgang Otto, der Geschäftsführer der Marburger Verkehrsgesellschaft, schaut zuversichtlich drein und beantwortet gerne meine Fragen. Das Ansteuern der Haltestellen sei ohne Probleme möglich, sagt er. Das habe man seit gestern auf verschiedenen Linien im Innenstadtbereich bereits getestet. Wenn der ‚Bus-Zug‘ in Marburg zum Einsatz komme, seien keine aufwendigen Umbaumaßnahmen notwendig. Die Uhr am Rudolphsplatz zeigt 13.05 als wir passieren. Mit Blick aus dem Fenster auf der rechten Seite ist in der Kurve das Buselement vorne beim Einbiegen auf die Weidenhäuser Brücke kurz zu sehen. Von der Kurt-Schuhmacher-Brücke biegen wir links in die Wilhelm-Röpke-Straße.
Nächste Station und Wendepunkt wird die Universitätsbibliothek. Die Haltestelle dort kann von Gelenkbussen nicht angefahren werden, weil der Radius auf dem kleinen Platz zu eng für eine 180-Grad-Wendung ist. Der Bus mit Personenanhänger – so lässt sich der ‚Bus-Zug‘ vielleicht am einfachsten in Worten beschreiben – setzt den Blinker nach links und biegt auf den kleinen Platz mit Bushaltestelle seitlich des silbernen Kubus der Unibibliothek. Langsam geht es in die enge Linkskurve zum Wenden. Der Linienbus vorne wird wieder sichtbar. Die Deichselverbindung macht einen Winkel von etwa 90 Grad möglich. Langsam rollen wir um den Baum auf der Mitte dieses Wendeplatzes. Es geht vorwärts, gibt genug Raum für die 23-Meter-Einheit zum Ein- und Ausfahren inklusive Wendemanvöver in die Gegenrichtung.
Vermutlich wird die Testmannschaft der Stadtwerke dies auch gestern schon getestet haben, geht mir durch den Kopf. Es geht um die Einsatzbarkeit in Marburg mit vielen engen Strassen und besonderen Gegebenheiten. Inzwischen sind wir weiter unterwegs Richtung Lahnberge. Die Route führt über den ‚Alten Kirchhainer Weg‘ die außerordentlich steile und auch enge Strecke „An der Zahlbach“ hinauf.
Also eine nächste Herausforderung, die dieser Bus-Zug zu bewältigen hat. Wolfgang Otto gibt sich gelassen. Die 370 PS der Dieselmaschine würden das locker bewältigen, sagt er und behält recht. In ruhiger Fahrt geht es hoch zur Großseelheimer Straße. Kein Problem diese Steigung. „Probleme auf der Strecke gibt es auch nicht, wenn der Bus mit beinahe 200 Mitfahrenden voll besetzt wird“, meint Otto. Wir fahren jetzt in ganz normaler Busgeschwindigkeit auf der vierspurigen Straße zu den Lahnbergen. Nach wenigen Minuten biegen links ab zum Uniklinikum, zur Bushaltesstelle Nähe des Haupteingangs. Ich nutze die Gelegenheit des kurzen Stopps für ein Umsteigen in den vorderen Teil, also den regulären Linienbus.
Hinter dem Lenkrad sitzt als Busfahrer Hans Konnerth, der Fahrdienstleiter bei den Stadtwerken, und steuert konzentriert das Wendemanöver am Uniklinikum. Er sieht keine Probleme hinsichtlich des Fahrens des Bus-Zuges und demonstriert das während der rund fünfzigminütigen Testfahrt auf die Lahnberge souverän.
Von den 130 Busfahrerinnen und Busfahrern bei den Stadtwerken haben derzeit etwa 100 die weitergehende Fahrlizenz, die sie zum Steuern des Maxibusses mit Fahrgästen berechtigt. Natürlich wird eine spezielle Einweisung und Schulung dazugehören, wenn dieses System in Marburg tatsächlich zum Einsatz kommen wird. Positive Erfahrungen gibt es in Hessen in Altenstadt in der Wetterau, wie den Teilnehmern an dem Präsentationstermin berichtet wird. Inzwischen ist das System in rund 20 Städten, darunter München, erfolgreich im Einsatz. Wolfgang Otto teilt mit, dass es im August 2015 in Marburg so weit sein kann. Der Geschäftsführer der Marburger Verkehrsgesellschaft sieht einen ersten Bedarf von zwei oder drei Einheiten.
Die Rückfahrt vom Uniklinikum, wieder über die steile Strecke ‚An der Zahlbach‘, in die Stadt vergeht schnell. Der neue Bus samt Personenanhänger passiert die Strecke ohne Probleme und bietet als neues Fahrzeug wahrscheinlich einiges mehr als Fahrkomfort. So verlassen nach einer knappen Stunde alle Mitfahrenden von der Stadt Marburg, Stadtwerken und Behördenvertreter entspannt die Fahrgasträume des Bus-Zugs.
Durchaus überzeugende Eindrücke hat diese Testfahrt vermittelt. Die Verwendung dieses Systems in Marburg mit seiner variablen Einsetzbarkeit mit und ohne Personenanhänger könnte Leistungsvorteile im Nahverkehr mit sich bringen. Damit werden sich die Verantwortlichen zu beschäftigen haben ehe diese Systementscheidung mit Anschaffungskosten von rund 500.000 Euro je ‚Maxi-Train‘ getroffen wird. Der Test scheint gelungen. Bis zu einem Einsatz wird in jedem Fall noch einige Zeit vergehen. Im nächsten Jahr könnte dann der 23 Meter lange ‚Maxi-Train‘ Einzug in das mobile Stadtbild nehmen.
—>Stadtwerke testen Bus-Zug in Marburg – Bus mit Anhängerwagen soll Kapazitäten stärken