RADikate – Offenes Werkstattprojekt von städtischen Sanierungsplänen bedroht
140603 Die beliebte Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt ‚RADikate‘ ist in ihrer Existenz bedroht und protestiert gegen die Sanierungspläne der Stadt. Unter der Erde, in der ehemaligen Fußgängerunterführung in der Biegenstraße, unterstützt ‚RADikate‘ zwei mal die Woche Interessierte ehrenamtlich darin, ihre Räder selbst reparieren zu lernen. Doch noch in diesem Jahr könnte das mittlerweile vielen als „Fahrradtunnel“ bekannte und immer gut besuchte Fahrrad-Bildungs-Projekt den Sanierungsplänen der Stadt zum Opfer fallen. Denn nach den aktuellen Plänen der Stadt soll der Tunnel, für den der RADikate e.V. 2010 einen Nutzungsvertrag mit der Stadt abgeschlossen hat, zugeschüttet werden. Die Gründe: Die Unterführung passe nicht mehr ins Stadtbild und verursache jährliche Wartungskosten.
Die Aktiven der RADikate artikulieren scharfe Kritik an der Informationspolitik seitens der Stadt und fordert den Erhalt der gemeinnützigen Werkstatt am jetzigen Standort. „Die Nachricht von den Sanierungsplänen kam für uns völlig überraschend. Eigentlich waren wir gerade dabei, den unterirdischen Freiraum um eine Holzwerkstatt zu erweitern. Bei einem diesbezüglichen Gespräch eröffnete uns Bürgermeister Kahle jedoch unerwarteterweise die Sanierungspläne“ so Jonas
Fritzsche von RADikate.
Bürgermeister Franz Kahle (B90/Grüne) blieb dabei konkrete Angaben zum weiteren Verfahren schuldig. Auch ein offener Brief des Projekts blieb unbeantwortet. Dazu Hannah Weisbach von RADikate: „Bisher wurde völlig über uns hinweg geplant. Als direkt Betroffene fordern wir, in die Planungen einbezogen zu werden“. Dabei ist die RADikate ein sehr beliebtes Projekt: „Jede Woche stehen die Leute Schlange, um ihr Rad zu reparieren. Wir helfen im Jahr über 700 Menschen, auch ohne viel Geld mit dem Fahrrad mobil zu sein“, so Helge Meischner von RADikate. „Wir haben jedoch den Eindruck, dass Herr Kahle den Beitrag, den wir für die Stadt und die hier lebenden Menschen leisten, verkennt“.
Ob die Stadt das Umweltbildungsprojekt erhält oder „wegsaniert“ ist in den Augen der Ehrenamtlichen einzig eine Frage des politischen Willens. „Wir fordern, dass RADikate erhalten bleibt. Der Tunnel ist ein optimaler Raum für die Selbsthilfewerkstatt und für die Nutzerinnen und Nutzer gut erreichbar“, so Helge Meischner. Die ‚RADikatis‘ sind dementsprechend entschlossen, für ihren Weiterbestand zu kämpfen.
Neben dem Offenen Brief werden bereits Unterschriften gesammelt. Die Gruppe plant außerdem eine Fahrrad-Skate-Demonstration für Anfang Juli. Dass RADikate dabei viel Solidarität erfahren wird, ist sich die Gruppe sicher: „Viele Menschen kennen und schätzen unsere Arbeit und werden unsere Forderungen sicher unterstützen,“ so Hannah Weisbach.
Das Aus für das Projekt scheint also noch lange nicht entschieden zu sein.
Über RADikate
RADikate wird von einer Gruppe von Leuten getragen, die Lust hat, einen selbstorganisierten und hierarchiarmen Freiraum zu schaffen. RADikate ist es wichtig, unkommerziell zu arbeiten und Diskriminierungen abzubauen. Das Werkstattprojekt möchte viele Menschen befähigen ihre (Fahr-)Räder, Roller, Rollies, Rolatoren und andere Projekte selbst zu reparieren oder zu bauen. Die wöchentlichen
Öffnungszeiten stehen allen Menschen offen, die Lust haben, ihre Räder selbst zu reparieren. Um auch Frauen und Mädchen stärker zu ermutigen, ihre Räder selbst zu reparieren bietet RADikate zusätzlich Frauen-Öffnungszeiten an. Durch die kollektive Nutzung haben viele Menschen Zugang zu einer großen Werkzeugauswahl. Die Nutzung ist kostenlos, RADikate ist aber auf Sach- und Geldspenden angewiesen.
—>Mehr Info online.
RADikate e.V., Weidenhäuser Str. 27, 35037 Marburg
Offener Brief der RADikate Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt an Bürgermeister Franz Kahle
Sehr geehrter Herr Kahle, Marburg 30.04.14
am 17.04.14 fand ein Gespräch statt, in dem wir über die mögliche Schließung des RADikate-
Tunnels in der Biegenstraße informiert wurden, wo wir seit 2010 in der ehemaligen
Fußgängerunterführung eine offene Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt betreiben.
Das Gespräch kam zustande, nachdem wir seit 06.02.14 mehrfach um einen Termin bei Ihnen gebeten hatten, bei dem
es unter anderem darum gehen sollte, über vergangene Entwicklungen, zukünftige Vorhaben wie die
Erweiterung der Radikate um eine Holzwerkstatt, und bauliche Veränderungen zu sprechen. Anstatt
jedoch darüber ins Gespräch zu kommen, wurden wir unvorbereitet mit den Plänen zur
Versiegelung des Tunnels im Zuge der Umgestaltung der Biegenstraße konfrontiert.
Nicht nur der Umstand, dass die ersten Versuche einen Termin abzusprechen ignoriert wurden, sondern auch, dass
wir nicht im Vorhinein über den eigentlichen Inhalt des Gesprächs informiert wurden, verhinderte,
dass ein Gespräch auf Augenhöhe zustande kommen konnte. Trotz mehrfachem Nachfragen
erhielten wir keine konkreten Informationen zum aktuellen Planungsstand und dem weiteren
Verfahren.
All dies hinterließ bei uns den Eindruck, aus den Planungsvorhaben gezielt ausgeschlossen worden
zu sein.
Die vergangene Unterstützung seitens der Stadt vermittelte eine Würdigung unseres
gesellschaftspolitischen Engagements für ein verkehrsfreundlicheres und grüneres Marburg.
Umso mehr verwundert uns der neuerliche Umgang und der beschränkte Informationsfluss.
Wir sehen unsere ehrenamtliche Arbeit in einem selbstverwalteten Projekt, welches zur Attraktivität
einer Studentenstadt beiträgt, verkannt.
Als direkt Betroffene fordern wir transparente und verlässliche Information über den Planungsstand,
sowie umgehende Beteiligung an sämtlichen Planungsverfahren!
Die wöchentlichen Öffnungszeiten der Radikate sind sehr stark besucht, sodass wir pro Jahr etwa
700 Menschen dabei helfen, ihr Fahrrad zu reparieren. Wir fordern daher den Erhalt des Projektes
am jetzigen Standort!
Wir bitten um Stellungnahme bis zum Mittwoch, 14. Mai.
Mit freundlichen Grüßen,
RADikate e.V.