Vortrag: Dialekte werden durch Regionalsprachen ersetzt
140710 In der Reihe DEUTSCH 3.0 diskutieren Sprachforscher in Marburg über die neue Rolle von Regionalsprachen im 21. Jahrhundert. Seit mehr als zweihundert Jahren wird das Aussterben der deutschen Dialekte beklagt. Wissenschaftler bestätigen nun, dass allmählich tatsächlich neue regionale Umgangssprachen an die Stelle der Dialekte unserer Großeltern treten. „Diese regionalen Umgangssprachen erfüllen aber weiterhin wichtige soziale Funktionen, zum Beispiel beim Thema Gruppenzugehörigkeit“, erläutert Christoph Purschke, Sprachwissenschaftler am Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas. Auf Initiative des Goethe-Instituts lädt die Marburger Universität in der Reihe DEUTSCH 3.0 zu einem Vortragsabend in den Hörsaal des Carolinenhauses.
„Regionalsprachen lassen Mitmenschen auch heute noch deutlich erkennen, wo ein Sprecher herkommt“, so Purschke. „Sprache stiftet Identität und dient der sozialen Synchronisierung von Menschen, die zusammenleben.“ Das spielt eine größere Rolle als manche vermuten mögen. Eine neue Studie des Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas belegt, dass Deutsche, wenn sie umziehen, am liebsten in Regionen gehen, in denen die Einwohner ähnlich sprechen. „Selbst wenn die Dialekte auf dem Rückzug sind, beeinflussen sie noch immer die Entscheidung, welchen Wohnort wir uns aussuchen, weil wir das Gefühl haben, dass Menschen so sind wie wir – wenn sie so sprechen wie wir.“
Dennoch sind die Dialekte in einigen Regionen Deutschlands auf dem Rückzug – im Ruhrpott beispielsweise sei kaum noch etwas davon vorhanden. Stattdessen kennzeichnet ein Restbestand regionaler Markierungen wie „dat“ oder „hömma“ die Sprache des Ruhrgebiets. Doch auch wenn vielerorts die kleinräumig gültigen Dialekte verschwinden: Mit ihren lokalen Bezeichnungen für die Dinge des alltäglichen Lebens bewahren die Regionalsprachen auch heute noch die einzigartige kulturelle Vielfalt des Deutschen.
Das zeigen etwa regionale Bezeichnungen für das Brötchen: Von „Schrippe“ über „Rundstück“ und „Weggle“ bis „Semmel“ gibt es bundesweit unterschiedliche Begriffe, in denen sich die Vielfalt der deutschen Regionen fortschreibt. Dass Fragen zu Bedeutung und Fortbestand der Dialekte die Menschen außerordentlich interessieren, zeigen auch die zahlreichen Wortmeldungen zum Thema Dialekt, die bei DEUTSCH 3.0 eingehen.
Auch wenn Hochdeutsch im öffentlichen Leben mittlerweile immer mehr Funktionen übernimmt, so sterben die Regionalsprachen doch keineswegs aus: Sie wandeln sich, genau wie das Deutsche insgesamt – wie alle natürlichen Sprachen. Trotz dieser Wandlungsprozesse erfüllen sie weiterhin elementare, gesellschaftlich relevante Funktionen. Denn die regionalen Sprachformen, die im Vergleich zum Hochdeutschen sehr alt sind, bewahren das kulturelle Erbe des Deutschen. Welche Funktion und Bedeutung Regionalsprachen für das Leben der Menschen heute noch haben und warum sie ein hoch spannendes Forschungsfeld darstellen, dem geht der Vortragsabend im Marburger Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas am 17. Juli auf den Grund:
Donnerstag, 17. Juli – 20 Uhr, Hörsaal Carolinenhaus.
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