Hessens größtes Planetarium ab November 2024 wieder geöffnet

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Stadtbücherei Marburg: Onleihe und digitale Medien verdrängen zunehmend das Buch bei sinkenden Nutzerzahlen

Der Leiter der Stadtbücherei Jürgen Hölzer, Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach und die stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei, Cornelia Wiegand bei der Vorstellung des Jahresberichts für 2015. Entgegen der freudigen Mienen offenbaren die Nutzungsstatistiken der Stadtbücherei Marburg durch einige Probleme. Foto Tina Eppler, Stadt Marburg

Der Leiter der Stadtbücherei Jürgen Hölzer, Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach und die stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei, Cornelia Wiegand bei der Vorstellung des Jahresberichts für 2015. Entgegen der freudigen Mienen offenbaren die Nutzungsstatistiken der Stadtbücherei Marburg durchaus einige Probleme. Foto Tina Eppler, Stadt Marburg

Marburg 26.01.2016 (yb) „Steigende Ausleihen im Netz, unkomplizierte Mediennutzung für alle sowie ein breites Angebot, das sich beständig an den Bedürfnissen der Menschen orientiert – das macht die Stadtbücherei Marburg zu einem zukunftsfähigen Haus der Medien“, lautete die Bilanz im Rahmen des Jahrespressegespräches 2016, vorgetragen von Jürgen Hölzer, Leiter der Marburger Stadtbücherei, seiner Stellvertreterin Cornelia Wiegand und Bildungsdezernentin Dr. Kerstin Weinbach. Doch offenbaren die Zahlen in Marburg seit Jahr und Tag einen klaren Trend weg vom Buch und hin zu digitalen Medien. Die „Onleihe“ als internetbasierter körperloser Bezug von Lesemedien nimmt einen anhaltend wachsenden Anteil ein. Das belegen die Ausleihzahlen, zugleich nimmt die Zahl der NutzerInnen ab. Es offenbart sich verändertes Leseverhalten und andere Mediennutzungen, wobei das klassische Buch klarer Verlierer ist. Ob die Stadtbücherei dabei Gewinner ist oder sich auf längere Sicht selbst überflüssig macht, muss als Frage in den Raum gestellt werden.

Bei 103.000 Medien im Bestand 466.000 Gesamtausleihen

Ausleihen 2011 - 2015Etwa 103.000 Medien aus allen Themen- und Interessengebieten warten aktuell auf die Besucherinnen und Besucher der Stadtbücherei Marburg. Die Zahl der Medienentleihungen vor Ort ist 2015 mit 392.092 Medien gegenüber 2014 mit 407.176 Medien um 3,7 Prozent gefallen. Das Gros der entliehenen Medien bilden mit 63 Prozent derzeit noch die Printmedien, Bücher und Zeitschriften, gefolgt von den stark nachgefragten Hörbüchern (19 Prozent), Musik-CDs (9 Prozent), Spielfilmen auf DVD (6 Prozent) sowie CDROM’s und Karten (je 1 Prozent).

Onleihe als „24Stunden-Bibliothek“

Onleihe im FünfjahrestrendSeit 2009 bietet die Stadtbücherei Marburg im OnleiheVerbundHessen (inzwischen über 88 Bibliotheken) ihren Kunden über das Internet den kostenlosen Zugriff auf elektronische Medien an. Dazu gehören eBooks, Videos, Hörbücher, Musik, Sprachtrainer, Lernhilfen und Ratgeber. Auch elektronische Zeitungen und Zeitschriften sind täglich neu in der „virtuellen 24-Stunden Bibliothek“ verfügbar. „Das gesamte Angebot wird ständig optimiert. Mittlerweile kann man auch Hörbücher über das Handy hören“, betonte Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach. „Und das Beste, die Bedienung funktioniert sehr leicht“, freute sich die Bildungsdezernentin. Gerade der Hörbuchbereich werde sehr stark nachgefragt, bestätigte Cornelia Wiegand, „insbesondere Sachthemen werden gut und gerne genutzt“.

Die rund um die Uhr geöffnete „Internetzweigstelle“ der Stadtbücherei stellt zurzeit über 96.000 elektronische Medien zum Herunterladen mit befristeter Nutzungsdauer bereit. Die Zahl der Ausleihen über das Internet ist von 65.369 in 2014 um 13 Prozent auf 73.939 Nutzungen in 2015 wieder überproportional angestiegen. Im Jahr 2015 wurde die Onleihe von 2.499 Kunden der Stadtbücherei Marburg genutzt, offenbart die Jahresstatistik.

Gesamtausleihen gehen zurück – Nutzer bleiben weg

Die Gesamtausleihen 2015 der Stadtbücherei Marburg betrugen 466.031 Ausleihen, im Jahr 2014 waren es noch 472.545, was einen Rückgang um 1,4 Prozent bedeutet.
Die Ausgaben für Neu- und Ersatzanschaffungen an Medien beliefen sich 2015 auf 109.000 Euro. Die Besucherzahlen sind mit 84.696 – im Vergleich zum Vorjahr 2014 als es noch 87.883 waren, um 3,6 Prozent gesunken.

Besucher Stadtbücherei 2015Mit ihren Angeboten und Dienstleistungen schaffe sie für alle Menschen einen einfachen, schnellen und kostenlosen Zugang zu einer vielfältigen Medien- und Informationswelt, so Dezernentin Weinbach bei der Präsentation der Zahlen.
Zutreffend mag dies bei den Digitalmedien sein, also hinsichtlich der „vielfältigen Medien- und Informationswelt“, wie sie von Weinbach bezeichnet wird. Doch darin klingt kein geringer Euphemismus an.  Wo bleiben die Bücher, möchte es einem entfahren, wenn zuvor mitgeteilt wurde, siehe oben, dass Bücher gerade mal noch einen Anteil von 62 Prozent bei den Ausleihen haben und die Zahlen auf breiter Front abwärts gehen.

Der seit Jahren anhaltende Trend weg vom Buch korrespondiert zudem mit den Zahlen der NutzerInnen der Stadtbücherei Marburg. Auch diese sind seit Jahren rückläufig. Konnten in 2011 noch 98.202 LeserInnen gezählt werden, sind in 2015 nur noch 84.698 registriert worden.

Aktive Besucher Stadtbücherei 2015Nicht anders verhält es sich bei den aktiven LeserInnen. im Jahr 2011 wurden 9.311 gezählt und fünf Jahre später in 2015 sind es nur noch 8.059 gewesen. Das ist ein Verlust von 1.300 Nutzern.

Die von Jürgen Hölzer mit Team Jahr für Jahr sorgfältig zusammengestellte Statistik zeigt schon lange einen klaren Trend. Es geht abwärts in der Stadtbücherei Marburg, Nutzer bleiben weg, Bücher werden weniger ausgeliehen.

Das sollte zu denken geben. Dabei mag es eine wachsende Inanspruchnahme digitaler Medien, vorneweg die „Onleihe“ geben. Schreibt man diese Entwicklung nur einige Jahre weiter, wird das Buch wenn nicht gleich zur Marginalie so doch zu einem Medium mit minoritärer Nutzung.

Über diese verlustreiche Entwicklung hilft auch nicht hinweg, dass die Stadtbücherei intensiv in den Ausbau des Bestands an Sprachkursen für Asylbewerber und Flüchtlinge und in die Anschaffung von Medien zum Erwerb von Deutschkenntnissen investiert hat. Das ist in diesen Tagen geboten.

Die Webseite in neuem Gewand, seit November 2015, ändert daran nichts. Was nützen über 120.000 Besuche in 2015 (als einer der am stärksten genutzten Bereiche innerhalb der Online-Auftritte der Stadtverwaltung) wenn die Zahl der Nutzer mittlerweile auf 8.000 abgesunken ist.

Ein „optimiertes, zukunftsfähiges Portal mit einem erfrischenden und lebendigen responsiven Design, das auf allen Endgeräten, vom Smartphone über das Tablet bis zum PC nutzbar“ ist, veranlasst offenbar nicht zum vermehrten Lesen oder Besuch der Stadtbücherei. Oder ist dies gar kontraproduktiv und bringt lediglich eine Leserschaft hervor, von der die Stadtbücherei gar nicht mehr betreten wird?

Auch die anderen wohllöblichen Angebote der Stadtbücherei im Bereich Leseförderung für Kindergärten und Schulen und erlebnisorientierten Bibliotheksbesuchen bis hin zur Organisation von Autorenlesungen, Fortbildungen und Workshops von denen beim Pressegespräch berichtet wurde, ändern offenbar nichts an den grundlegenden Abwärtstrends in und mit der Stadtbücherei Marburg.

Keine singulären Probleme in Marburg – aber stimmen die Konzepte?

Zweifelsohne ist die Stadtbücherei Marburg mit ihrem sympathischen und engagierten Mitarbeiterteam nicht alleine konfrontiert mit diesen Trends in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Die Gutenberg-Kultur mit dem gedruckten Buch als Leitmedium ist nahezu allerorten unter Druck. Für offenbar immer noch anwachsende Menschenmassen scheinen Smartphones und flimmernde sogenannte soziale Medien und digitalisierte Angebote anziehender und unverzichtbar. Ob es in diesem Kontext zielführend ist, wenn von einer Stadtbibliothek ein ständig wachsendes Input und immer größer werdender Anteil der ohnehin knappen Geldmittel für Digitalmedien aufgewendet werden, sollte einer ernsthaften Betrachtung unterzogen werden. Bei Licht betrachtet, sollte angesichts der grassierenden Entwicklung weg vom Buch und einer signifikant schwindenden Leserschaft in Marburg trotz all der positiven Angebote von der Stadtbücherei, angefangen in Kindergärten, über Lesungen, Webpräsenz und bequemer Rückgabemöglichkeit auch außerhalb der Öffnungszeiten, über andere Wege und Mittel ernsthaft nachgedacht werden. Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. Sie müssen allerdings richtig interpretiert werden. Sonst sieht es düster aus für das „zukunftsfähige Haus der Medien“ in der Universitätsstadt. Emsiges Zählen und Kumulieren in Statistiken und ein ostentatives Lächeln beim Jahrespressegespräch alleine reichen nicht.

Die hier abgebildeten Übersichten und Statistiken sind dem Jahresbericht der Stadtbücherei entnommen.

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