Urban Gardening in Marburg: Kräuter, Obst und Gemüse im öffentlichen Raum
Marburg 11.02.2016 (pm/red) Urban Gardening, zu deutsch Gärtnern in der Großstadt, ist angesagt. In Großstädten, vorneweg Berlin, wo es wenig private Gartenflächen hat, werden brachliegende Grundstücke und oftmals auch Dachflächen mit wachsender Begeisterung als Ressourcen für kleinere oder größere Pflanz- und Gartenanlagen genutzt. Dabei geht es um Nutzpflanzen, also gärtnerische Erträge für die Küche. Nun ist Marburg keine Großstadt. Doch schon seit einigen Jahren pflanzt der Fachdienst Stadtgrün, Klima- und Naturschutz in Zusammenarbeit mit dem DBM an solchen öffentlichen Orten essbare Pflanzen, die dafür geeignet sind. Das Projekt soll ein Baustein sein der „Essbaren Stadt“ im Rahmen des „urbanen Gärtnerns“, wie dies seitens der Stadt benannt wird. Jetzt gibt es dafür einen eigenen Namen und ein Logo mit lokalem Bezug benannt als „Probier mal Marburg“. Am Monatsanfang haben Bürgermeister Dr. Franz Kahle und Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach das Angebot für alle BürgerInnen präsentiert.
Man wolle seitens der Stadt das Projekt sichtbar machen und habe dafür ein einprägsames Logo entwickeln lassen, verlautbarten die beiden Dezernenten. „Eine Gabel mit Obst, Gemüse und Kräutern zeigt den Bürgerinnen und Bürgern, wo es etwas zum Ernten gibt. Die essbaren Pflanzen werden mit Etiketten gekennzeichnet und mit Namen versehen, damit es zu keiner Verwechslung kommt“, erläuterte der Bürgermeister. Zum Marburger Frühling, der in diesem Jahr vom 8. bis 10. April wieder die Stadt zum Blühen bringen soll, werde das Projekt verstärkt sichtbar, machte DBM-Dezernentin Dr. Kerstin Weinbach deutlich.
Mittlerweile gebe es im Stadtgebiet bereits 50 Standorte mit essbaren Pflanzen über die Stadt verteilt, berichtete die Fachdienstleiterin Stadtgrün, Klima- und Naturschutz, Marion Kühn, und rief gemeinsam mit den Dezernenten die MarburgerInnen auf, selbst aktiv zu werden. „Letztlich sollen alle dazu angeregt werden, sowohl auf Privatflächen, wie dem heimischen Balkon, oder auch auf öffentlichen Flächen die Pflege von Pflanzen zu übernehmen.“ So werden zum Beispiel die Beerensträucher im Schülerpark im Rahmen eines Patenschaftsvertrags vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) gepflegt.
Wer den Baumschnitt an Obstbäumen nicht scheut und eine reichhaltige Ernte einfahren will, für denjenigen könnte eine Baumpatenschaft lohnend sein. Interessenten können sich an den Fachdienst Stadtgrün, Klima- und Naturschutz wenden. „Wir hoffen, dass die Menschen in Marburg sich anstecken lassen und auch selbst öffentlich zugängliche Flächen, beispielsweise mit einem Hochbeet oder einer Kräuterschnecke, bewirtschaften. An finanzieller Unterstützung für das Pflanzmaterial soll es dabei nicht scheitern“, ermutigte der Bürgermeister. Hierfür sind der Fachdienst Stadtgrün sowie der Dienstleistungsbetrieb der Stadt Marburg (DBM) die Ansprechpartner.
Grünflächen nicht allein als Dekoration
„Die Grünflächen der Stadt werden auf diese Weise nicht nur ein Augenschmaus, sondern laden zum Probieren und Genießen mit allen Sinnen ein“, so Dr. Kahle weiter. Am Friedrichsplatz beispielsweise werden Gemüse und Kräuter zusammen mit Blumen in die Pflanzbeete gesetzt, Pflanzgefäße in der Bachstraße und in der Ockershäuser Allee wurden mit Kräutern bepflanzt. Auf dem Parkplatz am Georg-Gaßmann-Stadion stehen Esskastanien, auf einer Grünfläche in der Uferstraße wachsen Beerensträucher. Auch in Schulen und Kindergärten gibt es zahlreiche Pflanz- und Schulgärten oder Hochbeete, die mit Kräutern und Beerensträuchern bestückt sind. Das Projekt „Probier mal Marburg“ wird bislang an 14 Kindergärten und fünf Schulen realisiert.
Herkunft der Nahrung kennenlernen
Schuldezernentin Dr. Kerstin Weinbach betonte den Wert der Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten: junge Menschen könnten durch das Pflegen von Beeten und Gärten früh einen Zugang zum Umgang mit Pflanzen finden. Vielen Kindern sei heute der Bezug zu Lebensmitteln verloren gegangen, fügte Bürgermeister Kahle hinzu. Dass Kartoffeln unter der Erde wachsen, rohe Bohnen giftig sind und Hühner frei umher laufen, spiele im Alltag der Heranwachsenden meist eine untergeordnete Rolle, so Kahle weiter. „Die Kinder haben beim Entdecken der Gemüsepflanzen jede Menge Spaß und lernen noch etwas dabei“, machte Stadträtin Weinbach bewusst. In Schulen und Kindergärten übernehmen die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern, Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern die Pflege.
Jedes Jahr kommen neue Bepflanzungen und dadurch neue Flächen zu den schon vorhandenen dazu. 2015 wurden Beerensträucher im Schülerpark sowie auf einer Grünfläche neben dem Bolzplatz am Fuchspass gepflanzt. Im Kindergarten Emil-von-Behring-Straße entstand ebenfalls eine Fläche mit verschiedenen essbaren Pflanzen. Am Theater am Schwanhof wurden Pflanzgefäße mit Säulenapfel, Zierbrombeeren, Kräutern und Erdbeeren aufgestellt. Am Elisabeth-Blochmann-Platz beim Klettergerüst in der Nähe der Mensa haben vier Kiwipflanzen ihren Standort gefunden. Die Mini-Kiwis, auch Kiwibeeren genannt, können im Spätsommer geerntet werden.
Ausweitung auf Grünflächen in Wohnsiedlungen vorgesehen
Die übrigen Flächen werden im Auftrag der Stadt Marburg vom DBM betreut. Darüber hinaus hat der Dienstleistungsbetrieb auch bereits an mehreren Orten, zum Beispiel vor der vhs und am AquaMar, einen Beitrag zu „Probier mal Marburg“ geleistet.
Neben den Pflanzungen auf öffentlichen Flächen soll ein Pilotprojekt von DBM gemeinsam mit der GeWoBau gestartet werden, um auf den Grünflächen der Großwohnanlagen ein essbares Angebot für die vielen Mieterinnen und Mieter zu verwirklichen. Das erfolge zunächst „Auf der Weide“ und in der „Friedrich-Ebert-Straße“, teilt die Stadt mit.
—>Urban Gardening in Berlin als Miniaturutopia