Warum Afghanistan kein sicheres Herkunftsland ist
Marburg 17.02.2016 (wm) Im Jahr 2015 sind 150.000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Sie fliehen vor Verfolgung, Gewalt und Perspektivlosigkeit in ihrem Land. Die Bundesregierung hat Pläne, diese Flüchtlinge an den Hindukusch zurückzuführen. Basierend auf ihren Feldforschungen legen die Autorinnen Dr. Katja Mielke und Dr. Elke Grawert vom Bonn International Center for Conversion dar, warum Afghanistan kein sicheres Herkunftsland ist. Sie formulieren Politikempfehlungen, die auf die komplexe Unsicherheitslage, in der sich die afghanische Bevölkerung nach dem Rückgang des internationalen Engagements seit 2014 befindet, eingehen.
Die Autorinnen schlagen als Maßnahmen im Einzelnen vor:
Keine Rückführung von afghanischen Flüchtlingen
Der Wiederaufbau und die Befriedung Afghanistans sind gescheitert. Als Interventionspartei trägt auch Deutschland daran eine Mitverantwortung. Die Bundesregierung muss dies in ihrer Politik gegenüber afghanischen Flüchtlingen zum Ausdruck bringen und ihnen hier wie dort Perspektiven bieten, statt Abschiebungen durchzuführen.
Geregelte Einwanderung
Die Bundesregierung, Regierungen der EU, der OECD- und BRICS-Länder sowie Regierungen der Nachbarländer Afghanistans können durch ein geregeltes Einwanderungssystem einen bedeutenden Beitrag zur Sicherheit und Zukunftsfähigkeit der Bevölkerung leisten. Flüchtlinge sollten in kurzer Zeit einen Status erhalten, der ihnen Zugang zu Ausbildung und Qualifizierung sowie Berufstätigkeit als Einwanderer und damit eine Integration in die Aufnahmegesellschaften eröffnet. Dies würde auch das Potenzial der Auslandsafghanen und -afghaninnen zur Hilfe und Selbsthilfe für ihre Landsleute stärken. Zudem sollte die Möglichkeit temporärer (Qualifizierungs-) Migration (z. B. durch ein Einwanderungsgesetz) offengehalten werden.
Langfristige, bedarfsorientierte Aufbaustrategie
Eine langfristige, möglicherweise auf Jahrzehnte angelegte Investitionsstrategie ist erforderlich, um eine tragfähige, vom Binnenmarkt und afghanischer Kaufkraft getriebene Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen. Entwicklungsprojekte müssen in diese Strategie eingeordnet und komplementär zu entsprechenden öffentlichen Maßnahmen der afghanischen Regierung sein. Dabei sind die Bedürfnisse des Privatsektors nach verlässlichen Regelungen zu berücksichtigen. Besonders wichtig sind der weitere Aufbau und die Ausweitung von binnenmarktorientierten Berufsausbildungszentren, um der afghanischen Jugend auch im Land eine Perspektive zu geben.
Flankierende Maßnahmen: Land und Frieden
Die Bundesregierung muss ihren diplomatischen Einfluss verstärkt nutzen, um auf eine Einigung für einen gangbaren Friedensfahrplan mit Beteiligung der Regierungen von Pakistan, Iran, USA, Russland, China, Saudi-Arabien und Indien hinzuwirken. Sie sollte zudem darauf drängen, dass alle in den letzten 15 Jahren Zurückgekehrten und Vertriebenen legalen Zugang zu Land und Wohnraum bekommen.