IG MARSS schlägt vor: „Verlegt das Bildarchiv auf die Lahnberge!“
Marburg 22.012.2016 (yb) Die Diskussion um die Zukunft des Baudenkmals ‚Alte Chemie’ auf den Lahnbergen wird von der Initiativgruppe Marburger Stadtbild und Stadtentwicklung (IG MARSS) aufgegriffen und mit einem weitgehenden Vorschlag erweitert. Die Gruppe schlägt vor das vormalige Brauereigelände am Pilgrimstein nicht weiter zu bebauen und dort nicht einen Neubau für das Bildarchiv Foto Marburg zu errichten. Anstelle einer weiteren baulichen Verdichtung am Rand des Alten Botanischen Gartens wird eine umgehende Prüfung gefordert, „ob das Bildarchiv in den Räumen der ehemaligen Chemie statt in einem Neubau am Pilgrimstein untergebracht werden könnte.“ Zu diesem weitgehenden Vorschlag werden mehrere Überlegungen mitgeteilt. Zu Füßen der Oberstadt sieht die IG MARSS eine übermässige Verdichtung kommen. Zugleich wird vorgeschlagen, „vorhandene Bausubstanz, zumal denkmalgeschützte, zuerst in Erwägung zu ziehen, wenn neuer Raumbedarf in Marburg entsteht.“
In der ausführlichen schriftlichen Begründung dieses Vorschlags der IG MARSS, der auch dem Wissenschaftsministerium zugestellt wurde, wird umfassend argumentiert: „Seit der Schülerpark in den siebziger Jahren um mehr als die Hälfte zugunsten von Stadtautobahn und Universitätsneubauten reduziert wurde, verschwanden weitere grüne Flächen aus dem Stadtgebiet. Die Kernstadt ist von der historischen Altstadt bis zur Lahn zugepflastert. Nur der Alte Botanische Garten blieb bisher unangetastet, weil die Marburger auf ihn besonders aufpassen. Seine Tage scheinen aber gezählt, seit die Universität begonnen hat, ihn systematisch mit Neubauten zu umgeben. Selbst unattraktivere Städte als Marburg achten darauf, dass ihre Plätze und Gärten erhalten und durchlüftet bleiben. Nur in Marburg nimmt sich die Universität das Recht, diesen Garten zuzubauen. Zur Elisabethkirche hin entsteht der langgestreckte, walfischartige Neubau der Zentralen Universitätsbibliothek, weiter südlich steht auf dem ehemaligen Brauereigelände bereits der neue Deutsche Sprachatlas. Zwei weitere vierstöckige Bauten für Seminarräume und Bildarchiv Foto Marburg sollen am Pilgrimstein folgen.“
Danach wird die Forderung vorgetragen „die Planungen für diesen Bauabschnitt zu stoppen und auf dem ehemaligen Brauereigelände keine weiteren Bauten zu errichten.“ Es sei schon ein Fehler gewesen, den Sprachatlas an dieser Stelle zu errichten. Nicht nur wegen seiner „recht anspruchslosen Architektur“, sondern auch, weil ein Institut ohne deutlichen Publikumsverkehr an so zentraler Stelle in Marburg eigentlich deplatziert sei, wird zum Ausdruck gebracht.
Dies würde auch für das Bildarchiv Foto Marburg gelten. Der Raumbedarf für das Bildarchiv wird nicht in Frage gestellt, doch könne man ohne Schaden „dafür leer stehende Gebäude auf den Lahnbergen“ nutzen. Anstelle zu warten „bis in ferner Zukunft Mittel für Umzüge weiterer Naturwissenschaften auf die Lahnberge frei werden“, könnten 12 Millionen Euro zur Verfügung stehender Mittel für einen Umbau investiert werden.
Von der IG MARSS wird verbunden mit diesem Vorschlag grundsätzliche Kritik am Vorgehen von Stadt Marburger und der Philipps-Universität artikuliert. „Es fehlt eine Gesamtplanung für den Stadtbereich, stattdessen propagieren Universität und Stadt gern plakativ die Idee eines ‚Campus‘ in der Innenstadt. In Wirklichkeit aber wird östlich des Pilgrimstein kein Campus entstehen, wie man ihn z.B. von amerikanischen Universitäten her kennt und wie er in Deutschland auch nicht Tradition ist. Die neue ZUB, ein paar Institute in den alten Klinikgebäuden, Audimax und Mensa bilden zwar ein ‚neues‘ Universitätsviertel, aber keinen Topos ‚Campus‘, auf dem Studierende leben und arbeiten.“
Für die Lahnberge und deren Entwicklung wird der vorliegende Masterplan Lahnberge angeführt, der „durchaus auch Versorgungs-und Freizeitangebote auf den Lahnbergen“ vorsehe. Mit Blickrichtung Stadt Marburg wird vorgetragen, „dass eine gewisse Infrastruktur auf den Lahnbergen unvermeidbar sein wird, und warum vergeudet sie Gelder für Seilbahnstudien anstatt für einen Gesamt-Stadtentwicklung-Plan, der auch die Lahnberge als ein >etwas anderes< Stadtviertel zusammen mit der Universität diskutiert und verplant?“ Und weiter: „Wir brauchen keine neuen, schon gar nicht architektonisch misslungene Prestigebauten für Institute, wenn Bauten für Umnutzungen zur Verfügung stehen.“
Sofortige Ablehnung durch Uni-Präsidentin und Bürgermeister
Damit ist ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch, in dem zugleich grundsätzliche Kritik an (fehlender) Stadtentwicklungsplanung zum Ausdruck kommt. Dass mit Veröffentlichung der Initiative in der ‚Oberhessischen Presse‘ am 20. Februar unmittelbare Reaktionen publik gemacht wurden, kann nicht überraschen. Uni-Präsidentin Prof. Katharina Krause wird mit den Worten zitiert „Völlig absurd!“ Die Präsidentin artikulierte zur Begründung die Bindung der Fördermittel von Bund und Land Hessen. Die Bundesmittel müssten „zurückgegeben werden“ und der Neubau für das Bildarchiv werde dann „aus der Landesförderung herausgenommen“. Darin steckt die Aussage, dass diese Förderzusagen nicht alleine objektbezogen sind, sondern zudem auch eine Standortbindung haben würden.
Bürgermeister Kahle artikulierte in der OP, die Naturwissenschaften würden ausreichend Platz auf den Lahnbergen benötigen und sieht in anderer Nutzung eine „Fehlentwicklung“.
In Verbindung mit dieser insoweit einhelligen und stehenden Fußes artikulierten Ablehnung des Vorschlags der IG MARSS durch Universität und Stadt Marburg soll Ende Juni über einen Architektenwettbewerb entschieden werden, der zum Neubau des Bildarchiv Foto Marburg bereits ausgelobt worden ist. Eine offene Diskussion, wie von der IG MARSS gewollt, ist demnach nicht erwünscht und kommt womöglich gar nicht weiter zustande.