Marburg vor der Kommunalwahl: Wohnraum, Nahverkehr, Parken u.a.m.
Marburg 02.03.2016 (yb) Am kommenden Sonntag haben die Wahlberechtigten in Marburg wieder Gelegenheit über die zukünftige Zusammensetzung der Ortsbeiräte und der Stadtverordnetenversammlung abzustimmen. Mit der Kommunalwahl sind nicht unbedingt gravierende Änderungen in den Mehrheitsverhältnissen zu erwarten. Auch im neuen Stadtparlament kann es die so bezeichnete “strukturelle Mehrheit“ von SPD und GRÜNEN wieder geben. Dies wird in der nächsten Woche bekannt sein, wenn die Auszählungsergebnisse veröffentlicht sind. Eigentlich hat es in den Wochen des Kommunalwahlwerbens – die Bezeichnung Wahlkampf wäre wohl eine Übertreibung – keine herausragenden Themen oder Konflikte gegeben. Zugleich gibt es deutliche und dringende Aufgaben in der Universitätsstadt, denen sich die Kommunalpolitik zu stellen haben wird.
Ein grundlegendes Problem und Thema ist seit einigen Jahren in Bearbeitung. In Marburg gibt es eklatanten Mangel an bezahlbaren Wohnraum. Spät, zu spät um Abwanderungen und Einwohnerverluste zu verhindern, ist dies seitens der Stadtpolitik erkannt worden und zum vordringlichen Handlungsfeld erklärt worden. Inzwischen ist eine dreistellige Zahl von Sozialwohnungen im Bau und viele mobilisierbare Möglichkeiten werden in Anspruch genommen, um eine hinreichende Zahl bezahlbarer Wohnungen neu zu bauen. Ob dies in den nächsten Jahren gelingt und ob es gelingt Wohnungen mit einer zukunftsorientierten Ausstattung zu bauen, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist und bleibt sozialer Wohnungsbau vordringliche Aufgabe für städtisches Handeln in der Universitätsstadt.
Ein weiterer vordringlicher Bereich ist der Nahverkehr in Marburg. Die Stadt ertrinkt im Motorisierten Individualverkehr (MIV), Diskussionen um die Parkplatzversorgung wollen kein Ende nehmen, der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) mit Bussen ist überlastet, eine hinreichende Verkehrsanbindung der Lahnberge ist ungelöst und Stadtpolitik muss einiges unternehmen, um die Klassifizierung als unfreundlich für Radfahrer loszuwerden. Im Unterschied zum Wohnungsbau, wo Stadtpolitik nach Interventionen aus der Bürgerschaft recht umfassend tätig geworden ist, tritt die Verkehrspolitik auf der Stelle.
Die Zerschneidung der Kernstadt und des Lahntals durch die autobahnähnlich ausgebaute B3a bleibt, eine Tunnelführung ist nicht in Sicht. Nicht einmal eine Temporeduktion auf 60/80 Stundenkilometer für LKW/PKW konnte bei der Schwarz-Grünen Landesregierung durchgesetzt werden. Schlimmer noch, die hohe Luftbelastung im Stadtgebiet veranlasste das Land Hessen zu einem neuen Luftreinhalteplan, wonach in der Innenstadt ab dem 1.April nur noch Fahrzeuge mit einer grünen Plakette berechtigt sind zu fahren – ausgenommen davon bleibt die größte Verkehrsschlagader B3a. Marburg muss mit hoher Schadstoffbelastung leben und Maßnahmen dagegen erweisen sich als Stückwerk, auf die Stadtpolitik nur bedingt – im Fall der ‚Bundesstraße B3a‘ keinen – Zugriff hat.
Marburg hat und behält also gravierende Aufgaben im Bereich der Verkehrspolitik. Dazu ist in den letzten Jahren wenig durchgreifendes passiert, wenngleich die Bahnhofsumgestaltung und die Umwidmung von dessen Vorplatz deutlich auf der Habenseite stehen. Ausgerechnet von der Philipps-Universität, zu der manche Kommunalpolitiker ein ins Positive gewandeltes Verhältnis behaupten, ist wenige Tage vor der Kommunalwahl eine Hiobsbotschaft mit krassen Folgen verkündet worden. Die Universität wolle den Parkplatz an der Universitätsbibliothek, in Sichtweite zur Innenstadt gelegen, nicht mit einem Parkdeck aufrüsten, hatte Kanzler Dr. Friedhelm Nonne kürzlich gegenüber der Ortspresse verkündet. Das kommt einem Dammbruch gleich, denn die Stadt wollte in Verbindung mit den dort dann neu entstehenden mehreren Hundert Parkplätzen eine leistungsanfähige Busanbindung schaffen. Das Konzept scheitert damit und viele Probleme sind absehbar. Sowohl die neue Universitätsbibliothek am Pilgrimstein wie auch die erweiterte Stadthalle, zukünftig Erwin-Piscator-Haus, sind ohne jegliche Parkraummaßnahmen geplant und gebaut worden.
So nimmt die Kommunalpolitik alte Aufgaben mit in die nächste Wahlperiode. Neue Aufgaben werden dazukommen. Am drängensten erscheinen die chronischen Probleme mit dem Nahverkehr (und dem derzeit unlösbaren Fernverkehr auf der ‚Stadtautobahn‘). Dabei wird in zwei Jahren eine signifikante Phase des durchgreifenden Stadtumbaus zu einem vorläufigen Abschluss kommen. Umgestaltungen im Nordviertel, die Schaffung des ‚Campus Firmanei‘ vor allem in Gestalt des Mammutbaus der neuen Universitätsbibliothek und die deutlich erweiterte Stadthalle stehen dafür. Doch außer auf dem Bahnhofsvorplatz gibt es keine Eingriffe in die Verkehrsführung, von denen eine Entlastung ausgehen kann. Es bleibt abzuwarten, wie die zusätzlichen Personenverkehre und Nutzerströme in der Innenstadt überhaupt funktionieren können.
Als neue Idee zur Lösung eines Verkehrs- und Beförderungsproblems wurde eine Straßenbahnanbindung / Regiotram auf die Lahnberge in die Diskussion gebracht. Technisch ist dies wohl machbar, doch die eigentliche Diskussion und Abwägung steht erst bevor. Die von Seiten der GRÜNEN gewollte Seilbahnverbindung ist jedenfalls wenig aussichtsreich. Wenn das Ergebnis der Kommunalwahl vorliegt, wird es spannend sein zu betrachten mit welchen Zielstellungen sich die Kommunalpolitik in Marburg neu, anders oder wie bisher formiert. Dann werden die Weichen gestellt. Der neue Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies ist gewählt und seit 1. Dezember 2015 im Amt. Auf ihn und die kommende Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung warten viele Aufgaben. Um diese anzugehen hat Marburg zwar eine ordentliche Finanzlage, doch sind hunderte Millionen Euro investiert worden und die Stadt nimmt lausig viele ungelöste Probleme als Erblast mit in die kommende Zeit.