Marburger Kamerapreis an Jürgen Jürges verliehen – Halbes Jahrhundert Kinogeschichte gewürdigt
Marburg 15.03.2016 (pm/red) Jürgen Jürges ist der Preisträger des mit 5.000 Euro dotierten 16. Marburger Kamerapreises 2016. Bei der Preisverleihung am 12. März nahm der Kameramann die hohe Auszeichnung im Rahmen einer Feier in der Alten Aula der Philipps-Universität entgegen. Bei den im Rahmen der Preisverleihung stattfindenden Bild-Kunst-Kameragesprächen, die am 11. März mit dem Film „Eisenhans“ begannen, hatte sich Jürges dem interessierten Publikum gestellt. „Wir ehren heute einen herausragenden Kameramann, der seit fast 50 Jahren unvergessene Momente eingefangen hat“, würdigte Uni-Präsidentin Krause den 1940 in Hannover geborenen Preisträger. Sie hob die Bedeutung des Kamerapreises auch für Forschung und Lehre hervor.
„Kamerapreis und Kameragespräche schlagen eine Brücke zwischen Theorie und Praxis. Im direkten Austausch zwischen Praktizierenden, Studierenden und Forschenden entstehen Erkenntnisse, die in Studium wie Lehre nachwirken“, betonte Krause. So hätten zum Beispiel Studierende des Fachbereichs Medienwissenschaften den Katalog zur Preisverleihung erarbeitet.
Die Laudatio auf den Preisträger hielt Regisseur Wolfgang Becker, mit dem Jürges zuletzt für „Ich und Kaminski“ zusammengearbeitet hat. Er stellte die Frage in den Raum: „Sollte die Arbeit eines Kameramanns eine eigene Handschrift tragen, etwas Typisches, Unverwechselbares?“ Bei Jürgen Jürges treffe dies jedenfalls nicht zu, so Beckers Antwort. In mehr als 100 Filmen habe er immer wieder „Gestaltungswillen frei von Profilierungssucht“ gezeigt. Bei der Zusammenarbeit mit vielen, auch unbekannten, Regisseuren habe er im Sinne der Filme, denen er trotzdem seinen Stempel aufgedrückt habe, seine Wandelbarkeit gezeigt und Geschichten initiiert. Jürgen Jürges habe in zahlreichen Filmen gezeigt, dass Bilder oft das erzählen, was Worte nicht erzählen können, das habe er perfekt umgesetzt. Leider, so der Laudator, dominiere in der heutigen Zeit oft der Dialog.
„Ich fühle mich geehrt, in einer Reihe von Preisträgern zu sein, die den Europäischen Film in den letzten 40 Jahren geprägt haben“, bedankte sich Jürgen Jürges. „Der Preis ist ein schöner Anlass, sich mit der eigenen Vergangenheit intensiv auseinanderzusetzen.“ Der Preisträger bedauerte, dass sich Medien und Filmszene verändert hätten. Fernsehsender haben seiner Ansicht nach einen zu großen Einfluss. Unter großem Applaus forderte er „mehr Risikobereitschaft im Film.“
Der als einer der innovativsten und handwerklich perfektesten Kameramänner Europas bekannte Jürgen Jürges erhielt die Auszeichnung für seine herausragende Bildgestaltung im Film. „Wie kaum ein anderer Kameramann hat Jürgen Jürges den deutschen Film seit den frühen 1970er Jahren geprägt“, begründete die Jury ihre Entscheidung. Legendär ist dabei seine bilderforschende Neugier, das verbindende Element in seinem Portfolio von mittlerweile mehr als 100 ästhetisch herausragenden Werken vom Kinderfilm bis zum Thriller. Für deren Entstehung hat Jürges mit Regiegrößen wie Wim Wenders (1993 In weiter Ferne, so nah!), Ulli Edel (1981 Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo) oder Rainer Werner Fassbinder (1974 Angst essen Seele auf und Effi Briest) zusammengearbeitet und zeichnet somit verantwortlich für zentrale Werke deutscher Filmgeschichte.
Mit Ausschnitten bekannter Filme, bei denen er die Kamera führte, wurde den Gästen in der vollen Aula ein filmisches Portrait des Preisträgers Jürgen Jürges präsentiert. Für den musikalischen Rahmen sorgten die „Jazzrobots“, die passend Filmmusik aus Werken, an denen der Kamera beteiligt war, spielten.