Marburg im Schwitzkasten – Oberbürgermeister Spies sucht Remedur für Haushalt
Marburg 12.4.2016 (yb) Wenn der neue Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies kein Langweiler, Geschichtenerzähler oder Zeitverschwender ist (und diese Eigenarten wird ihn niemand nachsagen), hat gestern im städtischen Sitzungsraum Hohe Kante eine sonderliche, beinahe merkwürdige Veranstaltung stattgefunden. Denn in der Pressekonferenz wurde längst Bekanntes noch einmal mitgeteilt. Die eigentlich wichtige Veranstaltung zum Thema war denn auch bereits vormittags im Sitzungssaal der Stadtverordneten über die Bühne gegangen. Dorthin waren auch die Fraktionsvorsitzenden eingeladen, die eigentliche Zielgruppe waren jedoch leitende städtische Verwaltungsmitarbeiter, denen ein haushalterischer Prüf- und Einsparauftrag verkündet wurde – Abgabetermin Ende Mai. Das Pressegespräch war also eine flankierende Maßgabe um die Marburger Öffentlichkeit weiter einzustimmen.
So gab es trotz des gut 30-minütigen Vortrags des Oberbürgermeisters wenig Neues, allenfalls einige Präzisierungen bei den Zahlen. Es lässt sich fragen, worum es gehen soll in dem vom neuen Stadtoberhaupt verkündeten Schwitzkasten zur Haushaltslage. Wer die verkündete Haushaltssperre wegen der 23 Millionen Euro Gewerbesteuerrückzahlung als Krisensysymptom betrachten würde, hätte eine Menge Zusammenhänge nicht im Blick. Dass ein solcher Minderbetrag, der ziemlich genau 10 Prozent des gegenwärtigen Haushhaltsvolumenes der Stadt bedeutet, erst einmal verkraftet sein muss, ist evident. Ein höhere Kreditfinanzierung wird unausweislich.
OB Spies sprach zugleich von einem strukturellen Defizit, was eher auf den Ergebnishaushalt mit den laufenden Kosten und Ausgaben abhebt. Dass Marburg in den letzten Jahren ungewöhnlich viele investive Maßnahmen geleistet hat und dass zukünftig langsamer operiert werden muss, wurde eingestanden. Marburg befindet sich in einer veränderten, finanziell ungünstigeren Finanzlage. Dies will der neue Oberbürgermeister nutzen und nach vorne wenden. Zunächst einmal gibt es noch keine neue Mehrheit. Ergo werden die Finanzen in den weiteen Gesprächen eine grundlegende Rolle spielen.
Die derzeitige Haushaltslage ist mit einigen Zahlen umschrieben. Der Oberbürgermeister hatte diese als Tischvorlage vor Augen. Den Kassenbstand von 13,6 Millionen Euro zum Jahresanfang 2016 kann man als Überschuss betrachten. Er resultiert aus einer Gewerbesteuernachzahlung in Höhe von 45,1 Millionen Euro im Jahr 2015. Auf 17,2 Millionen Euro beläuft sich derzeit das Minus im Ergebnishaushalt. Die Investitionen in 2016 belaufen sich auf 45,6 Millionen Euro, darin der große Brocken Erwin-Piscator-Haus. Schlussendlich findet sich der gegenwärtige Kreditbedarf mit 87,4 Millionen gelistet. Damit würde sich der gesamte Kreditrahmen der Stadt Marburg auf rund 170 Millionen Euro erhöhen.
Dass dieser Kreditfinanzierung zugleich Vermögen, gleich getätigte Investitionen in Höhe von 300 Millionen Euro aus den letzten 10 Jahren gegenüberstehen würde, war Information und Aussage von OB Spies, auf die er zu Recht Wert gelegt hat. Was in der Pressekonferenz nicht zur Sprache kam, war das gegenwärtige und wohl anhaltende extrem niedrige Niveau der Zinsen. Selbst ein kommender Kreditrahmen von rund 170 Millionen Euro lässt sich, zumindest in Betrachtung der Zinsbelastung, durchaus verkraften. Allerdings müssen Kredite auch getilgt werden.
So kommt es in Marburg zu einer gewollten und angezeigten Remedur der Stadtfinanzen und Reduktion eines sehr hohen Investionsverhaltens nach den vergangenen Jahren. Dazu sind zukünftig 20 Millionen Euro pro Jahr angepeilt. Zum Schwitzkasten gehört dann noch eine etwas merkwürdig anmutende Aussage des Oberbürgermeisters: „Wenn alles auf den Tisch kommt, kommt alles auf den Tisch.“
Marburg hat einen neuen Oberbürgermeister. Dr. Thomas Spies macht seine Arbeit, und das nicht schlecht. Mal sehen was die Parteien und neu mandatierten Stadtverordneten hinbekommen, die Stadt sucht immer noch eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung zur Gestaltung der Zukunft.