Stützmauer am Alten Botanischen Garten wird saniert und stabilisiert
Marburg 26.4.2016 (pm/red) Seit 1895 steht die Stützmauer am Pilgrimstein entlang des Botanischen Gartens. Das denkmalgeschützte Bauwerk stehe schon lange unter besonderer Beobachtung, denn es verformt sich – zuletzt um bis zu vier Millimeter pro Jahr, wird von der Stadtverwaltung mitgeteilt. Jetzt soll die Mauer wieder tragfähig gemacht werden und sie wird von Grund auf saniert. „Diese Stützmauer kann man sich im Profil wie ein langes Brett vorstellen, das tief in die Erde hinein geht. Es bewegt sich insgesamt. Die Kippbewegung zum Alten Botanischen Garten hin, macht eine Sanierung dringend erforderlich“, erläuterte Bürgermeister Dr. Franz Kahle bei einem Ortstermin. Seit 2008 war eine Beschleunigung dieser Kippbewegung bemerkt worden. Als Ursache stellte eine gutachterliche Untersuchung von 2013 fest, dass sich der obere Felshorizont unter der Mauer zunehmend zersetzt. Insbesondere im vorderen Bereich wird die Standfläche der Mauer immer weicher, so dass sie immer schneller nach vorne kippt.
„Als die Mauer vor etwa 100 Jahren errichtet worden ist, war sie schräg zum Hang hingebaut. In der Zwischenzeit hat sie sich mehr oder weniger gerade gestellt, aber sie bewegt sich weiter, sodass sie sich jetzt in die entgegengesetzte Richtung verformt“, so der Baudezernent. Ein solcher Kippprozess könne sich auch sehr rasant beschleunigen, sagte Kahle. Dies sei zum Teil von nicht beeinflussbaren Faktoren abhängig, wie der Witterung, dem Grundwasserspiegel oder Erschütterungen. „Dazu haben wir mit Verkehrsbeschränkungen über die Straßenverkehrsbehörde eingegriffen, den Schwerlastverkehr herausgenommen und die Höchstgeschwindigkeit auf Tempo-30 gesenkt“, erläuterte der Bürgermeister.
Jedoch könne man sich die Situation wie am Meer vorstellen, wenn man auf hartem Sand stehe, verdeutlichte Kahle. „Bewegt man sich etwas, wird der Sand plötzlich weich und man sinkt tiefer ein.“ Solch ein Effekt könne im Untergrund der Mauer entstehen, so Kahle weiter. Dieses Szenario dulde keinen Aufschub und deswegen würde jetzt angefangen. Die Stadt geht von einer Bauzeit von circa sechs Monaten aus. Das Kostenvolumen ist mit etwa 1,5 Millionen Euro veranschlagt. Gut die Hälfte der Kosten werden über das Sanierungsgebiet nördliche Altstadt aus Städtebauförderungsmitteln bezahlt.
„Das Verfahren, das wir hier anwenden, ist sehr schonend, was das Erscheinungsbild der Mauer betrifft. Sie wird auch ästhetisch aufgewertet, weil sie verfugt werden muss“, erläuterte Baudirektor Jürgen Rausch. Erfolge dies nicht, würde das Injektionsmaterial möglicherweise herausgepresst. „Wir bekommen so den Erhalt einer Mauer mit einer Statik, die aktuellen Standards gerecht wird und das ist bezogen auf den Denkmalschutzaspekt eine sehr erfreuliche Lösung“, so Rausch.
Zunächst wird die bestehende Stützmauer neu verfugt. Dafürfür werden die Fugen ausgeräumt und im Trockenspritzverfahren gefüllt. Wasser kann wegen des Schutzes des Botanischen Gartens nicht eingesetzt werden. Die Mauer wird in ihrer Substanz nicht verändert und die bereits erfolgte Verformung nicht zurückgebildet, jedoch wirkt sie nach Abschluss der Bauarbeiten wie neu gebaut. In dieser Phase werden vorhandene Schäden im Mauerwerk und an den Kunststeinbögen instand gesetzt.
„Dann werden insgesamt etwa 600 Injektionslanzen, mit einer Länge von jeweils fünf Metern und einem Durchmesser von 15 Zentimetern, nach und nach vom Straßenniveau aus durch Bohrungen eingebracht“, so Uwe Heinze und Tim Laun von der bauausführenden Firma ETN. Die Füllung funktioniere wie dünner Beton, die zugrunde liegenden Steine werden dadurch verfestigt, so Heinze. Durch die neuen Fugen, den angepassten Injektionsdruck sowie ein mögliches Nachverpressen wird vermieden, dass in dieser Phase Suspension aus der Mauer austritt. „Darüber hinaus gehen wir mit den Injektionen auch in den felsigen Untergrund, der sich allmählich zersetzt, um das Fundament in einem dritten Schritt über die die Schaffung von Zement-Boden-Säulen unterhalb der Mauer mit einem Düsenstrahlverfahren stabiler zu machen.
Die Mauer geht vier Meter tief in die Erde“, führten die Ingenieure aus. Auf diese Weise werde auch der Untergrund optimiert, die Mauer selbst zu einem größeren zusammenhängenden Körper gestaltet. Das Verfahren sei anerkannt und in Marburg bereits mit guten Erfahrungen erprobt, berichtete der Baudirektor.
Für Radverkehr in Richtung Elisabethkirche keine Durchfahrt mehr
Im Wesentlichen könne der Verkehr während der Bauphase so laufen wie bisher, obwohl die Mauer zum Schutz des Botanischen Gartens fast ausschließlich von der Straße aus bearbeitet werde, wurde mitgeteilt. Um verfugen zu können, müsse ein Gerüst dort aufgestellt werden. Michael Hagenbring von der Straßenverkehrsbehörde erläuterte die aktuellen Verkehrsveränderungen im Zuge der Bauarbeiten: „Aus Richtung Elisabethkirche kommend bleibt der Auto- und Radverkehr weiter auf der Fahrbahn.“ Um den fehlenden Gehweg zu kompensieren, konnte der Gehweg auf der anderen Straßenseite provisorisch verbreitert werden.
Für den Radverkehr in Richtung Elisabethkirche ist keine Durchfahrt mehr möglich, weil der Radfahrstreifen im Zuge der Baumaßnahme nicht aufrechterhalten werden kann. Die Radfahrerinnen und Radfahrer werden aus Richtung Rudolphsplatz über die Biegenstraße und die Uferstraße umgeleitet. „Auch über die kleine Brücke der Universität kann man über die Johannes-Müller-Straße fahren – das wird sich einpendeln“, ergänzte Bürgermeister Kahle.
Die geplanten Maßnahmen seien mit der Philipps-Universität als Eigentümerin des Alten Botanischen Gartens hinsichtlich der Schutzbelange des Baumbestandes und mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt worden, teilte die Stadtverwaltung mit. Die Baumaßnahme werde durch ein ökologisches Fachbüro begleitet.