I HAVE A DREAM – Vor 50 Jahren wurde Martin Luther King ermordet
Marburg 3.4.2018 Gastbeitrag von Ursula Wöll. Am 4. April 1968, also vor 50 Jahren, wurde Dr. Martin Luther King ermordet. Ohne ihn ist die Bürgerrechtsbewegung, die Civil Rights Movement, nicht denkbar. Aber auch nicht ohne Rosa Parks. Denn begonnen hat alles in Montgomery, der Hauptstadt von Alabama. Hier hatte Martin Luther King seine erste Stelle als Pfarrer an der Dexter Avenue Baptist Church. Und hier fuhr am 1. Dezember 1955 die Näherin Rosa Parks im Bus von ihrer Arbeit nach Hause. Sie saß in den hintersten Reihen, die für Schwarze erlaubt waren. Da aber die vorn für Weiße reservierten Plätze alle belegt waren, hätte sie eigentlich Platz machen müssen. Doch diesmal stand die 42jährige nicht auf. „Ich war müde von der Arbeit, aber vor allem müde, so würdelos herumgestoßen zu werden“. Die couragierte Frau wurde verhaftet, denn sie hatte die strikten Vorschriften der Rassentrennung missachtet.
Noch am Abend versammelten sich 50 Bürger in ihrer Kirche. Sie beschlossen einen Busboykott und wählten den jungen Pfarrer Dr. Martin Luther King zum Vorsitzenden. Auf der einberufenen Massenversammlung trat King erstmals als brillanter Redner auf. „Eine der wunderbaren Eigenschaften der Demokratie ist das Recht, für das Recht zu protestieren“, so ermunterte er seine afroamerikanischen MitbürgerInnen. Alle befolgten den Boykott, gingen zu Fuß oder nutzten das kostenlose Angebot schwarzer Taxifahrer. Der Busstreik dauerte 381 Tage, also über ein Jahr und orientierte sich an Ghandis gewaltlosem Widerstand. Die schwarze Bevölkerung hatte es satt, als „dreckige Nigger“ behandelt und vom Ku-Klux-Klan drangsaliert zu werden.
Die durch den Boykott entstandene Bürgerrechtsbewegung breitete sich wie ein Buschfeuer über Montgomery und über Alabama hinaus aus. Vor Aktionen wurde in workshops trainiert, um auf die brutalen rassistischen Übergriffe hassfrei und ohne Gegengewalt zu reagieren. „Wir wollen den Kindern die Humanität Luthers vermitteln, aber auch die Fähigkeit, für ihre Rechte gewaltfrei aufzustehen“, sagte mir Quen Kennedy, als ich vor etlichen Jahren Montgomery besuchte. Sie leitete die Sonntagsschule der Dexter Avenue Baptist Kirche, deren Backsteinbau Nationales Denkmal wurde.
Die Bürgerrechtsbewegung erfasste um 1960 auch die Studenten, die Go-Ins in Restaurants veranstalteten, um auch dort die Rassentrennung zu missachten. Andere trafen sich zu ‚Freedom-Rides‘ in den Greyhound-Überlandbussen. Das waren keine Vergnügungsfahrten, einmal umringten 300 Rassisten einen ankommenden Bus und schlugen einen Studenten bewusstlos. Dabei schrien sie: „Kill the niggerloving son of a bitch.“ Mit einer Tafel im Warteraum von Montgomery erinnert die Busgesellschaft nun an diese Freedom-Rides, denn die Mehrheit ihrer Fahrgäste ist schwarz.
Von den 22 Millionen African Americans nahmen 250 000 im Jahr 1963 an dem Marsch auf Washington teil, aber auch 60.000 weiße AmerikanerInnen. Vor dem Lincoln-Denkmal hielt Dr. King seine berühmteste Rede: „I have a dream“: I have a dream that my four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin, but by the content of their character. I have a dream that one day on the red hills of Georgia the sons of former slaves and the sons of former slave owners will be able to sit down together at a table of brotherhood.“ 1960 war der Bürgerrechtler mit Frau Coretta und den Kindern nach Atlanta in Georgia gezogen. Er erhielt 1964 den Friedensnobelpreis. Durch den ‚Civil Rights Act‘ wurde schließlich 1964 unter Präsident Johnson die Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen, Hotels und Bussen aufgehoben.
Aber die Diskriminierung hielt an und die Job-Situation besserte sich kaum. Die Armut löste in den Ghettos des Nordens Aufstände aus, so dass King nun stärker ökonomische Forderungen einbezog. Er plante einen Marsch zusammen mit armen Weißen quer durch Amerika. Doch 1968 wurde er auf dem Balkon eines Motels in Memphis erschossen. Ein Bibelspruch ist als sein Vermächtnis in das Civil-Rights-Memorial in Montgomery graviert. Es erinnert an die 41 BürgerInnen, die umkamen und über deren Namen ständig Wasser fließt: „Wir werden uns nicht zufrieden geben, bis Gerechtigkeit fließt wie das Wasser, Gerechtigkeit fließt wie in einem mächtigen Strom.“
Die Erinnerung an die Rassensegregation in Amerika wurde mir wichtig, als der neue Innen- und Heimatminister Seehofer befremdliche Sätze äußerte. Er behauptete, dass der Islam nicht zu unserem Land gehöre, wohl aber die 3,5 Millionen türkischstämmigen BürgerInnen, die an ihn glauben. Ein logisches Unding, wie ist eine solche Abspaltung möglich? Für mich ist das eine Segregation auf der Grundlage des Glaubens, vergleichbar mit derjenigen in Amerika auf der Grundlage der Hautfarbe.
Ein Bundesinnenminister sollte unsere Verfassung eigentlich kennen, in der die Grundrechte aller Menschen festgeschrieben sind. § 3 (3) GG bestimmt etwa:
„Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Weltanschauung benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Und in § 4 (1) heißt es: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit der religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse sind unverletzlich.“