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Wie Kassel zur dynamischsten Großstadt in Deutschland erhoben wird – oder Verquaste Tautologien im vermeintlichen Städte-Ranking

Marburg 9.12.2011 (pm/mm/red) Ob die Klassifikation zur „dynamischsten Großstadt in Deutschland“ für Kassel wirklich erhebend ist – vor allem jedoch überhaupt eine Qualitätsaussage für die Nordhessenmetropole beinhaltet – sei hier vorweg deutlich in Frage gestellt. Solches behauptet eine als wissenschaftlich apostrophierte Untersuchung. Diese wurde von der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ und der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (diese ist finanziert von Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie) in Auftrag gegeben. Mediale Multiplikatioren waren zugleich zahlreich zu Stelle. So findet sich als Überschrift nahezu identisch zu lesen: „Kassel ist dynamischste deutsche Großstadt“ (HNA, HR-Online, Welt Online, Finanzen100.de, u.a.). Unisono hat man sich draufgestürzt, was als  Untersuchungsergebnis Besonderes, gar Sensationswert in sich tragen soll.
Zunächst: Kassel ist Großstadt und hat viele Reize nicht alleine als Museumsstadt mit dem Bergpark Wilhelmshöhe. Doch lohnt es ein wenig hinter die in diesen Dezembertagen üppig verbreitete Meldung zu schauen. In keiner deutschen Großstadt ginge es mit Wirtschaft und Wohlstand schneller bergauf als in Kassel, heißt es. Allerdings sei Wohlstand woanders höher, findet sich dann als Aussage mit deutlich anderer Gewichtung.
In der Studie selbst findet sich der bemerkenswerte Satz: „Der teilweise drastische Abbau der Arbeitslosenquoten bei den TOP-Städten geht mit einer deutlichen Zunahme der Beschäftigung einher.“

Ja, wen könnte denn solches auch wundern? Abnahme auf der einen Seite (Arbeitslosigkeit) führt rechnerisch zur Zunahme auf der anderen Seite (Beschäftigung). In der Studie findet sich viel weiterer PR- und Marketingsprech: Wie es das „hessische Kassel auf den Thron der dynamischsten deutschen Großstadt“ schaffte mit einem „Spitzenplatz vor den ostdeutschen Städten Leipzig (Platz 2) und Erfurt (Platz 3)“. Man versteht es der Abnahme von Arbeitslosigkeit vieles abzugewinnen – und schreibt dabei doch nur über ein und desselben Grundbestand:

  • Bei den Arbeitsmarktdaten zeigte keine Stadt bessere Entwicklungsdynamik
  • Die Zahl der ALG-II-Empfänger verbesserte sich hier so stark wie in keiner anderen der untersuchten Städte
  • Die Arbeitslosenquote fiel um 8,7 Prozentpunkte
  • Die Jugendarbeitslosenquote verzeichnete den zweitstärksten Rückgang aller Vergleichsstädte
  • Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze erhöhte sich

Dynamik-Ranking macht Schwache stark.

So schaffen es die Autoren der Studie (vom Institut der Deutschen Wirtschaft Consult GmbH) unter Verwendung realer Daten in eigener Betrachtung und Gewichtung einen besonderen ‚Dynamikfaktor‘ zum Städtevergleich anzuwenden. Dies ergibt, wie könnte es anders sein, dann eine Reihenfolge (Rankinglist). Derzeit hat eben Kassel darin hohe positive Veränderungswerte. Es wird nicht unterlassen auszuführen, dass Städte wie Stuttgart, München und Düsseldorf eindeutig zu den „Verlierern im Niveauranking“ gehören. So wirds gemacht. So funktioniert falsche Überhöhung. Der Rest ist Eigenmarketing, Wichtigtuerei und Meinungsmache. Und solcher Unsinn funktioniert, wie sich via Netz leicht herausfinden ließ. Wer mag, kann dies als Manipulation und verblödendes Mediengetöse betrachten. Recht hat sie oder er.

Wenig überraschend, hat es sich IHK Kassel nicht nehmen lassen flugs Stellung zu beziehen. Kassel profitiere von den „richtigen infrastrukturellen Weichenstellungen“, wird festgestellt. „ICE-Bahnhof und Universität als wesentliche Säulen“ werden herausgestellt. Man unterlässt nicht den „Ausbau des Flughafens Kassel-Calden“ zu erwähnen. Wozu hatte man schließlich gerade erst den ersten Spatenstich dieses weit über 200 Millionen Euro teuren Infrastrukturvorhaben.

Mittelfeld für Kassel im Niveau-Ranking

Dumm und entlarvend – und für Kassel nicht hervorhebend oder herausragend – ist allerdings der Platz im Mittelfeld, was das eigentliche Niveauranking angeht. Da liegt München unangefochten vorn, gefolgt von Stuttgart und Münster. Kassel erreicht dabei lediglich Rang 29 unter 50 deutschen Großstädten. Das ist längst bekannt. Sind olle Kamellen. Doch damit käme man nie in die Nachrichten. Dafür muss man (die Macher) sich schon was einfallen lassen. Der ‚Dynamikfaktor‘ macht es möglich. Kassel liegt (dabei und dieses Mal) vorne. Alle schreiben es. So geht es und so wird es gemacht.

Übrigens sind nicht alleine die zahlreichen Museen in Kassel, darunter die soeben wieder eröffnete Neue Galerie, besuchenswert. Auch der Weihnachtsmarkt ist lohnend. Das Fahren mit Regiotram oder Straßenbahn geht gut. Kassel hat Vieles, das wissen Viele und sind deswegen in der Stadt auch gerne unterwegs.

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