Trutzhain – Ort mit außergewöhnlicher Geschichte: Baracke mit Davidstern und Kunstblumen
Marburg 5.9.2016 (pm/red) Die Entstehungsgeschichte Trutzhains ist ebenso einmalig wie die Gebäude, die heute noch den Ortskern charakterisieren: sechzig Meter lange frühere Unterkunftsbaracken für Kriegsgefangene links und rechts symmetrisch aufgereiht an einer schnurgeraden Straße. Trutzhain wurde 1951 als jüngste hessische Gemeinde von Vertriebenen und Flüchtlingen auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers STALAG IX A Ziegenhain gegründet. Zwischen 1939 und 1945 war es das größte Lager für Kriegsgefangene auf dem Gebiet des heutigen Hessen.
Seit 1971 ist Trutzhain Teil der nordhessischen Stadt Schwalmstadt. Doch das ist nicht die gesamte Geschichte dieses Ortes. Nach der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers diente es der US-Armee als Internierungslager. Anschließend waren die Baracken für etwa ein Jahr Zufluchtsort und Durchgangsstation für osteuropäische Juden bis im Frühjahr 1948 Flüchtlinge und Heimatvertriebene in den Gebäuden des ehemaligen Kriegsgefangenlagers eine neue Heimat fanden. Sie gründeten in der Folge zahlreiche Industrie- und Handwerksbetriebe.
Ein Gebäude, in dem diese wechselvolle Vergangenheit eindrucksvoll sichtbar wird, ist die Kunstblumenfabrik Lumpe. Sie gehörte ab 1948 zu den ersten Firmen Trutzhains. Doch mussten hier zunächst sowjetische Kriegsgefangene Schuhe fertigen. Später dienten Teile des Gebäudes den jüdischen Bewohnern als Synagoge. Wandmalereien wie ein Davidstern und Säulen zeugen nach wie vor davon.
2003 schloss die Kunstblumenfabrik ihre Türen. Seither befindet sich die ehemalige Produktionsstätte in nahezu unverändertem Zustand. Alles, was zur Herstellung von Kunstblumen benötigt wird, ist noch vorhanden. Mehr als hundert Ausschlageisen und Pressformen, Maschinen und Musterkoffer, Farben und Stoffe und viele Kunstblumen. So ist die ehemalige Kunstblumenfabrik Lumpe auch heute noch ein beeindruckendes Beispiel für den Aufbauwillen, das handwerkliche Können und die Industriekultur der Nachkriegszeit.
Am Tag des offenen Denkmals kann dieses einzigartige bauliche und vom Zerfall bedrohte Zeitdokument besichtigt werden. Zur Einführung wird der Film „Blumen made in Trutzhain“ gezeigt, in dem das noch existierende Wissen über den Herstellungsprozess von Kunstblumen gesichert ist.
Filmvorführungen mit anschließender Besichtigung der ehemaligen Kunstblumenfabrik finden um 10, 13 und 15 Uhr statt. Das Museum Trutzhain bietet außerdem Kaffee, selbstgebackenen Kuchen und Kunstblumen an.
Kunstblumenfabrik Lumpe/
Gedenkstätte und Museum Trutzhain
Seilerweg 1, Info: 06691- 710662