Rettung eines inklusiven Arbeitsplatzes – Beschäftigungssicherung von Mitarbeitenden mit Schwerbehinderung
Marburg 10.07.2019 (pm/red) Sein Handgelenk funktioniert nicht mehr so, wie vor seinem Arbeitsunfall vor mehr als zwei Jahren. Auch auf die Leiter kann sich der heute 61-Jährige nicht mehr stellen. Norbert Harnack, seit fünf Jahren Mitarbeiter bei der Reinigungsfirma „Ihre Perle“ in Marburg, schwenkt heute ein nagelneues Teleskop-Fensterputzgerät, das eigens für ihn angeschafft wurde. Es kann bis zu einer Länge von etwa sechs Metern ausgezogen werden. Die Putzstange ist leicht und man kann damit ohne Leiter hohe Fensterfronten reinigen. Dank eines vorgeschalteten Filters, der alle Mineralien aus dem Wasser entfernt, entstehen nach dem Trocknen keine Ränder, so dass sich das Abledern der Fensterscheiben erübrigt.
Vor mehr als zwei Jahren kam Atis Jünemann, Geschäftsführerin des acht Mitarbeiter großen Reinigungsbetriebes, auf den Integrationsfachdienst (IFD) von Arbeit und Bildung e.V. zu. Sie war sich unsicher, inwieweit Norbert Harnack seine Arbeitsaufgaben nach dem Arbeitsunfall Anfang 2017 zukünftig würde erfüllen können. Im Herbst 2017 erklärte die Berufsgenossenschaft den Heilungsprozess für abgeschlossen. Dennoch blieben Zweifel hinsichtlich der Belastbarkeit des Mitarbeiters.
Als koordinierende Stelle brachte IFD-Berater Uwe Zacharias alle Akteure für die Klärung der Belastbarkeit und notwendigen Unterstützungsmaßnahmen zusammen. Er wandte sich an das Integrationsamt Kassel, gemeinsam wurde ein Jobcoaching vereinbart.
Ergotherapeut André Sorge wurde beauftragt, das Jobcoaching im Betrieb durchzuführen, um den Unterstützungsbedarf für Norbert Harnack zu ermitteln. Nach einer Analyse der Fähigkeiten und Anforderungen der verschiedenen Tätigkeiten machte Sorge Vorschläge, die eine Weiterbeschäftigung ermöglichen sollten. „Hier wurden Arbeitsabläufe optimiert, Betrieb und Mitarbeitende beraten und aufgeklärt. Eine allumfassende gesunderhaltende Arbeitsweise stand dabei im Vordergrund“, erklärt er.
Ergebnis des Jobcoachings: Norbert Harnack kann seine Arbeit grundsätzlich fortsetzen, wenn seine Belastung durch spezielle Arbeitsmittel reduziert wird, bzw. er von bestimmten Tätigkeiten befreit und stattdessen vermehrt in anderen Bereichen eingesetzt würde.
„Die Anschaffung des neuen Fensterputzgerätes ist nur eine von mehreren Maßnahmen, die zur Entlastung der Arbeit von Herrn Harnack beitragen und ohne die er seine Arbeit mittelfristig nicht hätte fortsetzen können“, sagt IFD-Berater Zacharias.
Die Finanzierung von IFD-Beratung, Jobcoaching und 75 % der Anschaffungskosten des neuen Arbeitsgerätes wurden vom Integrationsamt Kassel übernommen. Einher geht damit die Verpflichtung des Unternehmens für die Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters sowie eine zwei-jährige Überprüfung seiner Arbeitssituation. Auch eine personelle Unterstützung für Norbert Harnack wird vom Integrationsamt finanziell gefördert, damit der behinderungsbedingte zeitliche Mehraufwand für Kollegen oder Anleitenden zumindest teilweise ausgeglichen wird.
Andreas Georgi, Betriebsleiter bei „Ihre Perle“, berichtet: „Die Mitarbeitenden bleiben in der Regel über viele Jahre bei uns. Das ist für alle besser, man kennt die Stärken und Schwächen jedes einzelnen und baut eine persönliche Bindung auf.“ Und Geschäftsleiterin Jünemann ergänzt: „Es ist gut, dass wir Herrn Harnack behalten können.“
Nach Abschluss des Jobcoachings steht der IFD weiterhin als Ansprechpartner für Betrieb und Mitarbeiter zur Verfügung und stellt damit sicher, dass der Arbeitsplatz langfristig erhalten bleibt.