IAA 2019 – Autowahn sucht Frankfurt heim
Marburg 25.08.2019 | Gastbeitrag von Ursula Wöll Bis auf Trump, Bolsonaro und die AfD wissen eigentlich alle, dass das Klima global am Kippen ist. Dennoch ist der Trend zum SUV ungebrochen, der mit seinem höheren Gewicht mehr Sprit schluckt. Und dennoch werden 2019 wohl ähnlich viele Autofans die IAA besuchen wie 2017. Damals waren es 810400, im Schnitt 34 Jahre alt und 23 Prozent von ihnen Frauen. Obwohl der „Mobilitäts-Event“ (IAA-Eigenwerbung) ihre Kauflust anheizen soll, zahlen sie sogar Eintritt. Die Demonstration gegen diesen ungebrochenen Autowahn am 14. September um 11.30 Uhr ab der Hauptwache wird sicher weniger BesucherInnen haben. Dabei sind auch die zur IAA strebenden und SUV-fahrenden Autofans liebevolle Eltern, die ihren Kindern eine gute Zukunft wünschen. Wie kann ihr irrationales Verhalten erklärt werden?
Das Auto als Statussymbol
„Die Entscheidung für einen bestimmten Autotyp oder ein spezielles Outfit ist Teil der persönlichen Inszenierung“, so heißt es in der Werbung von Mercedes. Oder war es eine andere Marke? Autowerbung benutzt immer dasselbe Muster: Mit dem Auto X bist Du was und wirst endlich beachtet. Bei Opel las ich schlicht: „X ist ein SUV, der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.“ Sein Besitzer glaubt von diesem Glanz zu profitieren. Ein Trugschluss, der sich natürlich unbewusst vollzieht. Er funktioniert gut, weil sich die meisten Leute heute als kleines Rädchen in einer Masse fühlen und der uns allen innewohnende Wunsch nach Beachtung und Bedeutung unbefriedigt bleibt. Je machtloser jemand ist, desto größer wird sein Bedürfnis nach Macht und Potenz. Heute räkeln sich keine Blondinen mehr auf den Kühlern der Autos, die Werbung funktioniert raffinierter. Da schaut etwa ein Typ mit Dreitagebart einer jungen Frau hinterher. Er steht hinter seiner Limousine, die ihn vom Gürtel abwärts als Ersatzkörper bedeckt und deren langes Hinterteil wie ein erigierter Penis auf die Frau zielt.
Betont wird auch das Gefühl der Macht über die Maschine selbst, die den Fahrspaß erzeugt. Zitat: „Stets die nächste Kurve im Blick haben, die Kraft des Motors und den Rausch der Geschwindigkeit spüren – Autos ermöglichen ein sinnliches Erlebnis“. Über den Spritverbrauch gibt es wenig Angaben, man muss ziemlich danach suchen. Die potentiellen Käufer sollen ihr Auto nicht als ein Mittel der Fortbewegung von A nach B sehen, sondern als eine Kostbarkeit, die ihr Selbstbewusstsein aufwertet und ihnen rauschhafte Erlebnisse beschert. Die sind ja im grauen Alltag selten, so dass der irrationale Mechanismus leicht einrastet. Natürlich unbewusst, denn wer würde schon eingestehen, dass er sich klein und unbedeutend empfindet und von einem Blechkasten Selbstbewusstsein und Status borgt.
Vom Klimawandel ist in der Autowerbung kaum die Rede, der Zusammenhang mit dem Spritverbrauch bzw. CO2-Ausstoß wird nicht hergestellt. Dafür sind die Autofarben wichtig und der „dynamische Charakter“, den etwa ein schwarz abgesetztes Dach verleiht. Dem Auto, aber damit auch seinem Besitzer. Auffällig ist generell, dass ein geringer Spritverbrauch nicht gelobt und als positives Merkmal hervorgehoben wird. Und das, obwohl die aktuelle IAA „Driving tomorrow“ als Motto wählte und „eine Plattform für Mobilitätswende“ sein will.
„Zukunftsrelevante Themen wie künstliche Intelligenz, Infotainment, alternative Antriebe, Lösungen für den Klimawandel, Smart Cities oder die Sharing-Economy“ sollen präsentiert werden. Die Erkenntnis, dass ein Driving tomorrow auch ohne Individualverkehr möglich ist, kann man von Autofirmen natürlich nicht erwarten. Das Elektroauto soll nun zum Verkaufsschlager werden, und zwar möglichst als SUV-Modell. Aber das E-Auto ist kaum einen Deut besser als die traditionelle CO2-Schleuder. Es ist nur eine Scheinlösung. Es benötigt ebenfalls Kupfer und andere endliche Rohstoffe zu seiner Herstellung, es benötigt die Versiegelung des Bodens durch betonierte Parkflächen und Straßen, wie gehabt. Und auf lange Zeit wird es nicht genug ’sauberen‘ Strom geben.
Wirkliche Alternativen
Ein radikaleres Umdenken ist nötig, dazu nur wenige Stichpunkte: Auf individueller Ebene sollten kleine Autos gekauft werden. Auf der politischen Ebene sollte der Schmusekurs mit der Autoindustrie beendet und das sofort Machbare, wie etwa eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/Std., realisiert werden. Das spart Sprit und rettet Leben. Der Schienenverkehr muss ausgebaut und billiger werden. Oberleitungsbusse und Straßenbahnen sollten wieder eingeführt werden. Radfahren muss erleichtert werden, so wie bereits in unseren Nachbarländern. Generell muss endlich die Wachstumsideologie überwunden werden, da wir auf einem endlichen Planeten leben. Arbeitszeitverkürzung, durch die Arbeit auf mehr Personen verteilt wird, kann dabei Arbeitslosigkeit verhindern. Auch die Gewerkschaften sollten sich stärker in diese überfällige Diskussion um einen gesellschaftlichen Umbau einbringen! Und die UNO sollte auf globaler Ebene die Standards regulieren.
Die Demonstration gegen den Autowahn beginnt am Samstag, dem 14.9. um 11.30 h an der Hauptwache und vereinigt sich später mit der Fahrrad-Sternfahrt, um vor den Toren der IAA zu enden. Aufgerufen haben 19 Organisationen.