Deutsche Oberklasseautos: Nachhaltigkeit spielt bei Vermarktung nur eine Nebenrolle
Kassel 21.11.2019 (pm/red) Deutsche Automobilhersteller werben auf den Produktwebseiten für ihre Oberklassefahrzeuge vor allem mit emotionalen Begriffen statt mit Nachhaltigkeits- und Umweltargumenten. Für ihre Oberklassemodelle „made in Germany“ verwenden Audi, BMW, Mercedes und Porsche bei der Kommunikation auf ihren Produktwebseiten vorwiegend Begriffe, die das Fahrerlebnis betreffen – im Vergleich zum US-amerikanischen Elektroautopionier Tesla, der nach außen in erster Linie Sicherheit und autonomes Fahren kommuniziert. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse des ZEW Mannheim.
Für ihre Untersuchung haben die ZEW-Wissenschaftler/innen Janna Axenbeck, Irene Bertschek und Thomas Niebel die Texte auf Produktwebseiten von Automobilherstellern analysiert. Dabei wurden jeweils die 50 am häufigsten verwendeten Eigenschaftswörter identifiziert und nach Gewichtung angeordnet. Die Analyse beschränkt sich dabei auf Fahrzeugmodelle, die mit der vollelektrischen Oberklasselimousine Model S des US-Herstellers Tesla vergleichbar sind und im August 2019 auf dem Markt erhältlich waren. Konkret betrifft das den Audi A7 Sportback und A8, die 6er und 7er Limousine und das 8er Coupé von BMW, die Mercedes CLS- und S-Klasse sowie den Porsche Panamera, wird mitgeteilt.
Den Ergebnissen zufolge dominieren in den Werbetexten der deutschen Autobauer die Adjektive „sportlich“, „schnell“, „dynamisch“ und „komfortabel“. Begriffe, die Nachhaltigkeit, Sauberkeit und Effizienz vermitteln, kommen darin nicht vor. Damit unterscheiden sie sich deutlich von den Produktwebseiten von Tesla. Dessen Wortwahl für das Model S suggeriert weder Umweltbewusstsein noch Fahrvergnügen. Der Autobauer aus Kalifornien, der zu den Vorreitern im umweltschonenden Fahrzeugbau zählt und ausschließlich elektrisch angetriebene Modelle vertreibt, verspricht zwar nachhaltiges Fahren ohne Verzicht auf Komfort, legt den Fokus auf seinen Produktwebseiten aber eindeutig auf Sicherheit und autonomes Fahren. Das Thema Nachhaltigkeit wird nur implizit durch den Begriff „elektrisch“ angesprochen.
Lediglich jene deutschen Fahrzeugmodelle, die nicht der Oberklasse angehören, wie etwa der vollelektrische Kleinwagen BWM i3, werden auf ihren Produktwebseiten als nachhaltig beworben. „Bei Produktbeschreibungen im Oberklassesegment setzen die deutschen Automobilhersteller in erster Linie auf Komfort, Luxus und Schnelligkeit“, sagt Prof. Dr. Irene Bertschek, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Digitale Ökonomie“ und Professorin für „Ökonomie der Digitalisierung“ an der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Sie pflegen damit ein Image, das nicht für Nachhaltigkeit oder die Vermeidung von Umweltverschmutzung steht. Die zunehmende Anzahl an Neuzulassungen im Oberklassesegment spricht dafür, dass dieses Image auch die Präferenzen der Kundinnen und Kunden widerspiegelt.“
Der Verkehrssektor war im Jahr 2016 für fast 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in der EU verantwortlich, 72 Prozent davon entfielen auf den Straßenverkehr und wurden zu zwei Dritteln von Pkw verursacht. Angesichts der globalen Klimakrise stehen Automobilhersteller unter politischem und gesellschaftlichem Druck, die Umweltbilanz des Autofahrens zu verbessern. Dennoch stiegen 2018 die durchschnittlichen CO2-Emissionen neu zugelassener Pkw an.
Gleichzeitig nahm auch die Anzahl an neu zugelassenen Fahrzeugen aus dem Oberklassesegment in Deutschland zu, die üblicherweise für Komfort und Schnelligkeit und weniger für Umweltschutz stehen. Anders als beim assistierten Fahren kommt die Umstellung auf umweltfreundlichere Antriebe nur schleppend voran. Hybrid- und Elektromotoren werden beispielsweise nicht von allen Herstellern angeboten und sind im Schnitt teurer als vergleichbare Verbrennungsmotoren.