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Von der  Weisheit früherer Generationen – Brüder Grimm-Preis der Philipps-Universität an Prof. Dr. Maria Tatar von der Harvard University

Kassel 17.12.2019 (wm/red) Die Philipps-Universität Marburg ehrt die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Maria Tatar mit dem Brüder Grimm-Preis 2019. Durch ihre wissenschaftliche Forschungsleistung sowie ihr editorisches und essayistisches Werk gehört Maria Tatar zu den bedeutendsten Stimmen der Literatur- und Kulturgeschichte im deutschsprachigen wie im internationalen Raum. Die Verleihung des mit 5.000 Euro dotierten Brüder Grimm-Preises fand am Freitag, 13. Dezember 2019, in der Aula der Alten Universität in Marburg statt.

Der Abend war ganz Tatar und den Brüder Grimm gewidmet, ihrer Verbindung zu Marburg und ihrem Wirken in die ganze Welt hinein. „Viele Orte in Hessen rühmen sich damit, einen besonderen Bezug zu den Brüder Grimm zu haben. In Marburg wurde der Grundstein für ihre wissenschaftliche Tätigkeit gelegt“, sagte Prof. Dr. Katharina Krause, Präsidentin der Philipps-Universität. Hier entstanden die Ideen für die Sammlung der Kinder- und Hausmärchen, hier begründeten sie ihre Sprachforschung. „Mit Fug und Recht gibt es diesen wichtigen Wissenschaftspreis und ich freue mich, dass wir heute eine bedeutende Wissenschaftlerin in Marburg begrüßen und auszeichnen dürfen“, sagte Krause. „Der Weg aus den USA nach Marburg ist weit – doch es war uns ein besonderes Anliegen, Prof. Dr. Maria Tatar persönlich in Marburg begrüßen zu dürfen. Wie keine andere hat sie unseren Blick für die Zweiseitigkeit des Märchens geschärft. Wir freuen uns sehr, dass sie unserem Wunsch gefolgt ist“, sagte Prof. Dr. Marion Schmaus, Dekanin des Fachbereichs Germanistik und Kunstwissenschaften in ihrer Laudatio.

Tatar wurde 1945 in Deutschland geboren. 1952 migrierte ihre Familie in die USA. Doch die Werke der deutschen Brüder Grimm begleiteten sie dennoch weiter auf ihrem Weg. „Ungefähr seit ich fünf Jahre alt war, hegte ich eine große Faszination für die Geschichten der Brüder Grimm. Sie wurden mehr und mehr zu meinen großen Helden“, sagte Tatar und bedankte sich für die Ehrung mit dem Brüder Grimm-Preis. Neben der Magie, die Märchen innewohnt, gibt es auch auffällige Anstößigkeiten wie Mord, Schwangerschaft, Kannibalismus oder Verstümmelung. „Für Kinder sind Märchen ein faszinierendes Tor zur Erwachsenenwelt“, sagte Tatar in ihrer Festrede. Doch die dargestellte Not, Gewalt und die Konflikte deutet Tatar auch als eine Resonanz auf historisch bedingte Erfahrungen von Hunger, Armut und Krieg.

„Märchen artikulieren Ängste und Konflikte. Diese symbolischen Geschichten helfen uns, Erlebtes zu verarbeiten und im Realen, im hier und heute zu navigieren – auch weil sie uns mit der Weisheit früherer Generationen verbinden“, sagte Tatar und betonte dabei auch die wichtige Rolle volkskundlicher Erzählungen beim Schaffen transkultureller Verbindungen. „In vielen Ländern ersetzen sie lokale Traditionen und spielen dadurch kulturell eine so zentrale Rolle, dass sie ‚dein‘ Volksgut und ‚mein‘ Volksgut in ein globales ‚unser‘ verwandelten – natürlich auch mithilfe brillanter Übersetzungen und einer sich entwickelnden Filmkultur“, sagte Tatar, die das Nachleben der Grimm-Märchen auch in vielen zeitgenössischen Filmen und Serien erkennt.

So handelt ihr jüngster Blog-Eintrag unter anderem von der Grimm’schen Formel, die Regisseur, Autor, Schauspieler und Kameramann Quentin Tarantino in Filmen wie „Django Unchained“, „Inglourious Basterds“ oder „Once Upon a Time… in Hollywood“ nutzt. „In vieler Hinsicht sind einige Sammlungen, insbesondere die Grimmschen Kinder- und Hausmärchen, inzwischen transnationale Erfolgsgeschichten“, sagte Tatar und würdigte damit das große Werk der Brüder Grimm.

Brüder Grimm-Preis

Die Philipps-Universität Marburg verleiht den Brüder Grimm-Preis in der Regel alle zwei Jahre für hervorragende Leistungen auf den Forschungsgebieten der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, insbesondere den Sprach- und Literaturwissenschaften, der Volkskunde, der Rechtsgeschichte und der Geschichtswissenschaft. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Zu den früheren Preisträgern gehören unter anderem die Historikerin Heide Wunder (2017), die US-amerikanische Autorin Ruth Klüger (2014) und Prof. Dr. Heribert Prantl aus der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung (2012).

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