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Die Oligarchie – In den vermeintlich demokratischen USA bestimmt eine Minderheit von 300.000 Superreichen das Geschehen

Kassel 03.05.2020 Gastbeitrag von Daniele Ganser | Exklusivabdruck aus „Imperium USA“. Sind die USA ein reiches Land? Geht es den Einwohnern gut? Diese Fragen sind so sinnlos wie Angela Merkels Diktum „Deutschland geht es gut“. Es kommt immer darauf an, auf welche US-Amerikaner man schaut. 100 Millionen Arme leben gleichsam auf einem völlig anderen Planeten als die Minderheit der Millionäre und Milliardäre. Letztere lenken nicht nur die Geschicke der Nation, indem sie über die politische Ausrichtung, über Gesetzgebung und Kriegsführung bestimmen — sie prägen auch entscheidend das Bild, das sich die Ärmeren von der Realität machen. Intelligente Vertreter der Mittelschicht werden gegen Geld angeheuert, um dem Volk die Narrative der Reichen über die Medien nahezubringen. So wählen die Marginalisierten sehr oft gegen ihre eigenen fundamentalen Interessen und nehmen ihre zunehmende Entrechtung widerstandslos hin.

Wenn die Welt heute von „Amerika“ spricht, es bewundert oder fürchtet, dann ist in der Regel das Territorium der USA gemeint, und nicht eines der Länder aus Südamerika wie Chile oder Brasilien, obschon alle Menschen, die dort leben, ohne Zweifel Amerikaner sind. Für eine präzise Analyse ist es aber unabdingbar, dass man nicht pauschal von „Amerika“, sondern spezifisch von den USA und den dort wohnhaften 330 Millionen US-Amerikanern spricht. Und selbst das ist noch nicht präzise genug. Denn die meisten US-Amerikaner haben überhaupt keinen Einfluss auf die internationale Politik. Es sind nur die Superreichen, eine kleine Gruppe von rund 300.000 US-Amerikanern, welche die US-Außenpolitik steuern und vom US-Imperialismus profitieren.

Die USA sind keine Demokratie, sondern eine Oligarchie, ein Land in dem die Reichen regieren.

Wer die bestehende große Kluft zwischen Arm und Reich in den USA ignoriert, verdeckt die Tatsache, dass auch Millionen von US-Amerikanern unter den Folgen des US-Imperialismus leiden, weil die Regierung das Geld in Rüstung und Krieg investiert, statt der Unterschicht und Mittelschicht ein würdiges Leben zu ermöglichen.

300.000 Superreiche lenken das Imperium

„Die heutige Ungleichheit ist nahezu beispiellos“, protestierte im Jahre 2019 Noam Chomsky, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Vereinigten Staaten, der viele Jahre am Massachusetts Institute of Technologiy (MIT) in Boston lehrte. Über Jahrzehnte hat die Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in den USA darin bestanden, den Reichen Vorteile zu verschaffen. Dieses Prinzip hat die Politik dominiert. Daher konzentriert sich heute die wirkliche Macht „in einem Bruchteil von einem Prozent der Bevölkerung“, so Chomsky. Diese „Superreichen“, wie Noam Chomsky sie nennt, lenken das Imperium. „Sie bekommen einfach, was sie wollen, sie bestimmen im Grunde, was läuft“ (1).

Diese Einschätzung deckt sich mit den Resultaten von anderen US-Forschern. Gemäß dem Politologen Jeffrey Winters, der an der Northwestern University in Illinois lehrt, steuern die Superreichen mit ihrem Geld die Politik und die Medien in den USA. Zu den Superreichen gehören gemäß Winters nur ein Zehntel von einem Prozent der US-Bevölkerung, also 300.000 Menschen. Diese Superreichen sitzen entweder selber im Weißen Haus und im Parlament, das in den USA aus Senat und Repräsentantenhaus besteht und als Kongress bezeichnet wird.

Oder sie können dort anrufen, ein Treffen mit dem Präsidenten oder Senator arrangieren und ihre Wünsche einbringen, was die Armen nicht können. Die Superreichen können einen Teil ihres Geldes in Politik, Medien und Think-Tanks investieren, was für arme US-Amerikaner undenkbar ist. „Es ist nicht mehr plausibel (wenn es das überhaupt je war) zu argumentieren, dass die Politik in den USA durch die Bevölkerung auf demokratische Weise gesteuert wird, wobei jeder Bürger eine gleichstarke Stimme hat“, erklärt Winters.

„Reichtum und Einkommen spielen eine zentrale Rolle“ (2).

In der Innenpolitik haben die Vertreter der Superreichen wiederholt die Steuern für die Reichsten gesenkt oder Schlupflöcher kreiert. Es kümmert die Superreichen nicht, wenn der Staat immense Schulden anhäuft, die er nicht zurückbezahlen kann, solange ihr Vermögen nicht gefährdet ist. Während der Finanzkrise von 2008, als die Lehmann Brothers Bank Pleite ging, hat der Staat im Sinne der Superreichen interveniert und Milliarden von Dollars zur Rettung von Banken und Investoren ausgegeben, was die Staatsverschuldung in die Höhe trieb. Doch Hausbesitzern aus der Mittelklasse wurde nicht geholfen, was in einer Oligarchie zu erwarten ist. Auch wenn ein Unternehmer aus der Mittelschicht mit seiner Firma Pleite geht, hilft ihm der Staat nicht. Nur die Superreichen können auf die Hilfe des Staates zählen, weil sie die Schlüsselstellen des Staates kontrollieren.

In der Außenpolitik haben sich die Superreichen Absatzmärkte für US-Produkte und Zugang zu billigen Rohstoffen und Arbeitskräften gesichert. Wenn das US-Imperium in einem fremden Land die Regierung stürzt, stehen dahinter die Interessen der 300.000 Superreichen und ihrer Konzerne, welche sprichwörtlich über Leichen gehen, um ihre Profite zu sichern.

Es ging in der US-Außenpolitik nie um Demokratie, Freiheit oder Menschenrechte. Krieg dient der Wirtschaft und befriedigt die Gier der Superreichen.

US-Regierungen haben darauf hingearbeitet, den Zugang zu Erdöl- und Erdgasquellen und anderen Rohstoffen zu sichern, Rivalen zu schwächen und Absatzmärkte für die Produkte der US-Konzerne zu eröffnen. Die imperiale Macht dient dem Geldadel. Eine Kritik am US-Imperialismus richtet sich daher nicht an die armen Menschen in den USA, die auf Parkbänken übernachten, sondern an die Superreichen.

Diese Zusammenhänge sind auch in den USA bekannt. „Durch das ganze zwanzigste Jahrhundert und bis in den Anfang des einundzwanzigsten hinein haben die Vereinigten Staaten immer wieder die Macht ihrer Streitkräfte und ihrer Geheimdienste eingesetzt, um Regierungen zu stürzen, die den amerikanischen Interessen ihren Schutz verweigerten“, erklärt US-Journalist Stephen Kinzer.

„Jedesmal bemäntelten sie ihre Einmischung mit dem schönfärberischen Hinweis auf Sicherheitsbedürfnisse der Nation und den Kampf für die Freiheit. In den meisten Fällen indes lagen ihren Aktionen hauptsächlich ökonomische Motive zugrunde — vor allem der Anspruch, amerikanische Geschäftsinteressen rund um die Welt zu untermauern, zu befördern und zu verteidigen und jede Störung von ihnen fernzuhalten“ (3).

Auch der US-Soziologe Peter Phillips, der an der Sonoma State University in Kalifornien unterrichtet hat, kommt in seiner Forschung zum Schluss, dass die Superreichen in den USA die Medien, die Regierung und das Militär kontrollieren. Die Militärallianz NATO, der auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien und andere europäische Länder angehören, ist gemäß dem Soziologen Phillips nur ein Instrument, um die Investitionen der Superreichen zu schützen. Krieg ist ein Geschäft, und durch den Verkauf von Kriegsmaterial können besonders hohe Renditen erzielt werden.

Das primäre Ziel der Superreichen bestehe darin, stets eine Rendite von 3 bis 10 Prozent oder mehr auf ihren Investitionen zu erzielen, egal welcher Schaden dabei für die Gesellschaft entstehe, erklärt Phillips. Die Superreichen investieren weltweit in alles, was die angestrebte Rendite bringt, darunter Agrarland, Erdöl, Immobilien, Informationstechnologie, Gentechnologie, Kriegsindustrie und Tabak (4).

Für ihre Investitionen nutzen die Superreichen Banken und Investitionsfirmen wie Black Rock, Barclays Bank, JPMorgan Chase und Goldman Sachs, welche den Superreichen helfen, ihren Reichtum zu vergrößern. Die Superreichen teilen den Glauben, dass der Kapitalismus nicht nur gut für sie selber, sondern auch für die Entwicklung der ganzen Welt sei. Fehlentwicklungen wie Umweltzerstörung, Ausbeutung und Krieg werden zwar auch von den Superreichen registriert, spielen aber für die Investitionsentscheide nur eine sekundäre Rolle, weil primär die Rendite auf dem eingesetzten Kapital zählt.

„Diese Konzentration von Reichtum hat zu einer Krise der Menschheit geführt. Armut, Krieg, Hunger, Entfremdung, Medienpropaganda und Umweltzerstörung sind derart stark angestiegen, dass dadurch das Überleben der Spezies Mensch gefährdet wird“, warnt der Soziologe Phillips (5).

Immer mehr Menschen verstehen, dass es bei der imperialen Politik nie um Werte geht, sondern immer nur um Macht und wirtschaftliche Interessen. Dies trifft auch auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu. Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hatte 2010 gewagt, dies offen auszusprechen. Auf dem Rückflug von einem Besuch der Bundeswehr in Afghanistan sagte er in einem Interview, ein Land wie Deutschland, „mit dieser Außenhandelsorientierung“, müsse wissen, dass „im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren“. Diese Aussage kostete ihn sein Amt.

„Er sprach aus, was andere westliche Politiker täglich denken und praktizieren“, so der deutsche Journalist Jürgen Todenhöfer. Der Bundespräsident verstieß gegen das eiserne „Heuchelei-Gebot“, erklärt Todenhöfer, das seit langem Grundkonsens der westlichen Zivilisation ist: Stets an die eigenen Interessen denken, nie davon reden! Statt von „Interessen“ und „Außenhandelsorientierung“ hätte Köhler einfach von „Werten“ sprechen müssen. Dann wäre er Bundespräsident geblieben, glaubt Todenhöfer.

„Egal, ob Amerikaner oder Europäer, stets ging es ihnen um Macht, Märkte und Geld. Um ihren Wohlstand, ihre sozialen Errungenschaften, ihre Freiheit. Nie um die Freiheit der anderen“ (6).

In den USA werben die Superreichen gut ausgebildete Menschen aus der oberen Mittelschicht an, welche gegen Bezahlung die Interessen der Superreichen öffentlich vertreten und verteidigen. In modernen Gesellschaften finden sich diese Akteure in den Medien, Stiftungen, Think-Tanks, Anwaltskanzleien, Beratungsfirmen und Lobbies. Die Armen können jedoch nicht in Politiker, Anwälte, Journalisten und Lobbies investieren. Es ist für diese Bevölkerungsgruppe nicht möglich, von ihrem Einkommen einen Teil abzuzweigen und damit Politik zu machen. „Es gibt keinen Zweifel daran“, kommentiert der Politologe Jeffrey Winters, „dass die reichsten US-Haushalte über enormen Reichtum verfügen, mit dem sie die Politik beinflussen können, während die meisten Amerikaner das nicht können.“ Politik ist in den USA zu einem Privileg der Reichen geworden (7).

Es gibt 100 Millionen Arme in den USA

Die Armen in den USA leben zwar im selben Staat wie die 300.000 Superreichen, aber trotzdem in einer völlig anderen Welt. Durch die extrem hohen Rüstungsausgaben von über 700 Milliarden Dollar pro Jahr ist viel Geld aus zivilen Projekten abgeflossen, wo es weit sinnvoller eingesetzt werden könnte. „Die Überschuldung des Bundeshaushaltes, der Verfall der Städte, der Zusammenbruch des Sozialsystems, die hohe Analphabetenquote, die für europäische Verhältnisse unvorstellbar hohe Mordrate, die vielen Familien und Halbfamilien, die unterhalb der Armutsgrenze leben, die Zahl der in Gefängisanstalten einsitzenden Menschen sind das Spiegelbild dieser Entwicklung“, mahnt Andreas von Bülow, der in Deutschland als Bundesminister für Forschung und Technologie diente (8).

Die USA haben über 2 Millionen Gefängnisinsassen, mehr als jedes andere Land der Welt.

Die Sorgen in der US-Unterschicht sind groß. In den meisten US-Bundeststaaten wird nach einem halben Jahr kein Arbeitslosengeld mehr bezahlt. Viele Langzeitarbeitslose leiden unter Armut. Um die Not der Unterschicht zu lindern, verteilt das US-Landwirtschaftsministerium Lebensmittelmarken, so genannte Food Stamps. Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 16 und 60 Jahren dürfen sich um Food Stamps bewerben, wenn sie sich um Arbeit bemühen, aber ihr Haushaltseinkommen trotzdem unterhalb der Armutgrenze liegt. Die Gruppe der Menschen, die solche Food Stamps beziehen, ist erstaunlich groß. Im Jahr 2018 waren es 40 Millionen Menschen oder 12 Prozent der US-Bevölkerung (9).

Seit den 1960er-Jahren ist die Anzahl der Menschen, die Lebensmittelmarken beziehen, stetig angewachsen, obschon viele Menschen aus Scham oder Unwissenheit keinen Antrag stellen. Wer weniger als 1.000 Dollar pro Monat verdient und alleine lebt, darf einen Antrag stellen, ebenso ein Vierpersonenhaushalt, der weniger als 2.000 Dollar pro Monat zur Verfügung hat. „Niemand muss hier verhungern, wir sind nicht Äthiopien“, erklärt Joel Berg, der Suppenküchen in New York koordiniert.

„Aber die Situation ist dramatisch. Nur in der Großen Depression in den 30er-Jahren ging es den Menschen in diesem Land dreckiger“ (10).

Eine alleinstehende Person erhält maximal Food Stamps im Wert von 190 Dollar pro Monat auf eine spezielle Kreditkarte überwiesen, mit der sie in den dafür gekennzeichneten Läden in der Schlange anstehen kann, um die Food Stamps einzulösen. „Die Schlangen sind ein Symbol geworden für das neue, ärmere Amerika“, kommentiert Die Welt die soziale Misere. In den Speisekammern besteht nur die Wahl zwischen zwei verschiedenen Produkten, zwischen Apfel- oder Orangensaft etwa. Zigaretten und Alkohol kann man mit den Essensmarken nicht kaufen. Hanna Lupien, die in New York die Armen versorgt, sagt, die Situation sei dramatisch. Der Vorwurf, viele Bedürftige seien zu faul zum Arbeiten, stimme nicht, so Lupien.

„Man trifft hier keine unwilligen Menschen, sondern Eltern, die ihre Kinder satt kriegen wollen. Wie oft habe ich schon den Satz gehört: Ich habe vier Tage nichts gegessen, weil ich alles meinen Kindern gegeben habe“ (11).

Die Armut in den USA kann nicht mehr länger übersehen werden. Auch Nobelpreisträger Angus Deaton, der an der Universität Princeton Wirtschaftswissenschaften lehrte, kritisiert die große Kluft zwischen den Superreichen und der Unterschicht und fordert, dass die Lage der Schwächsten in den USA unbedingt verbessert werden müsse. „Es gibt Millionen von Amerikanern, deren Leiden auf Grund von materieller Armut und schlechter Gesundheit gleich groß oder schlimmer ist als das von Menschen in Afrika oder Asien“, beklagt Deaton. Die USA sollten daher ihr großes Problem mit der Armut nicht länger verstecken, sondern ihrer eigenen Unterschicht helfen, bevor sie sich in die Politik von anderen Ländern einmischen (12).

Die Kluft zwischen Arm und Reich zeigt sich auch beim Vermögen. Gemäß einer Studie der US-Notenbank FED aus dem Jahre 2017 haben 100 Millionen Menschen in den USA oder rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung keine oder fast keine Ersparnisse.

Diese Menschen können nicht für Notfall-Kosten von 400 Dollar aufkommen. Sie haben also zum Beispiel nicht genügend Geld, um ihr Auto reparieren zu lassen, wenn es kaputt geht oder um einen größeren Schaden im Haus oder der Wohnung zu beheben. Sie würden in einem Notfall von Freunden Geld ausleihen, einen Kredit aufnehmen oder etwas verkaufen, das sie besitzen, sagten die Befragten, von denen etwa die Hälfte Food Stamps bezieht.

Jeder zweite aus dieser Gruppe, so fand die FED-Studie, war nicht in der Lage, die Rechnungen des letzten Monats vollständig zu begleichen, und viele sagten, er oder sie habe im letzten Jahr notwendige medizinische Versorgung nicht in Anspruch genommen, da er oder sie sich diese nicht leisten konnte. Zudem hat von den arbeitenden Erwachsenen ein Viertel oder 60 Millionen Menschen „keinerlei Pension oder Ersparnisse für das Alter“, so fand die FED-Studie. Die Angst vor Altersarmut ist daher bei den Betroffenen groß (13).

Es gibt 540 Milliardäre in den USA

Weltweit gab es im Jahr 2017 insgesamt 18 Millionen Dollarmillionäre, das sind weniger als 0,25 Prozent der Weltbevölkerung und entspricht in etwa der Bevölkerung der Niederlande. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat es so viele Dollarmillionäre gegeben. Von diesen wohnten die meisten, nämlich mehr als 5 Millionen, in den USA. Auf Platz zwei folgte mit 3 Millionen Millionären Japan. Je eine Million Millionäre lebten in Deutschland und in China. In der Schweiz lebten rund 400.000 Millionäre, weitere 300.000 Millionäre lebten in Indien. Einige Millionäre sind gierig, brutal und rücksichtslos und beuten andere Menschen aus, um noch reicher zu werden.

Doch andere Millionäre sind klug und einfühlsam und engagieren sich für eine bessere Welt. Es besteht die Hoffnung, dass sich zumindest ein Teil der Millionäre der Friedensbewegung anschließen wird, wenn ihre materiellen Bedürfnisse gestillt sind und sie nach Sinn in ihrem Leben suchen. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass einige Schweizer Millionäre die Anliegen der Friedensbewegung mit ganzem Herzen unterstützen. Diese Menschen verfügen über hohe Bildung und totale finanzielle Unabhängigkeit. Sie wollen keine weiteren Kriege und lehnen Kriegspropaganda ab (14).

An der Spitze der Pyramide der reichsten Menschen stehen schließlich die Milliardäre. Sie verfügen über ein Vermögen von mehr als 1.000 Millionen Dollar. Gemäß dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes gab es im Jahr 2017 weltweit rund 2.000 Milliardäre. Davon waren 540 US-Amerikaner, 250 Milliardäre waren Chinesen und 120 Milliardäre waren Deutsche. In Indien gab es 84 Milliardäre, in Russland 77 Milliardäre und in der Schweiz gab es laut Forbes 32 Milliardäre.

In den USA leben also mehr Milliardäre als in jedem anderen Land der Welt.

Die 400 reichsten US-Milliardäre werden von Forbes jedes Jahr mit Foto und Name in einer Liste aufgeführt. Derzeit liegt Amazon-Chef Jeff Bezos mit einem Vermögen von über 100 Milliarden Dollar auf Platz eins. Er ist damit der reichste Mann der Welt. Auf Rang zwei der Forbes-Liste folgt Microsoft-Gründer Bill Gates. Auf Rang drei liegt derzeit der Investor Warren Buffett. Der Milliardär Mark Zuckerberg, CEO von Facebook, rangiert auf Platz vier (15).

Auch die Gebrüder Charles und David Koch finden sich auf der Forbes-Liste unter den Top Ten mit einem geschätzten Vermögen von je 50 Milliarden Dollar. Mit ihrem Netzwerk aus Think-Tanks, gesponserten Lehrstühlen und Interessengruppen wie Americans for Prosperity sind sie ein bekanntes Beispiel, wie Milliardäre Einfluss auf die Politik nehmen können. So haben die Kochs zum Beispiel den Politiker Mike Pence, der unter Donald Trump als Vizepräsident ins Weiße Haus einzog, mit Millionen Dollars unterstützt. Eine „schwerreiche Clique hat sich des Staates bemächtigt“, kritisierte daher Zeit Online den Einfluss der beiden Milliardäre. Auch US-Präsident Donald Trump, der im Januar 2017 ins Weiße Haus einzog, ist ein Milliardär. Er wird von Forbes mit einem Vermögen von mehr als 3 Milliarden Dollar eingestuft und rangiert auf Platz 259 der reichsten US-Amerikaner. Dies sah Trump indes als Beleidigung an, sein Vermögen sei mehr als doppelt so groß, behauptete er (16).

Die Superreichen bestimmen die Politik

Louis Brandeis, Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, hatte einst weise gesagt:

„Wir können in diesem Land eine Demokratie oder großen Reichtum, konzentriert in den Händen von wenigen haben, aber nicht beides“ (17).

Der Präsident ist der oberste Befehlshaber der US-Streitkräfte und daher der formell mächtigste Mann im Lande. Der Präsident führt die Kriege und steht im Fokus der Medien und auch der Historiker. Doch hinter dem Präsidenten ziehen die Superreichen die Fäden und bestimmen, wer überhaupt ins Weiße Haus einzieht. Die Präsidentschaftswahlen, die in den USA alle vier Jahre mit viel Getöse und einem erbitterten Kampf zwischen Republikanern und Demokraten durchgeführt werden, erlauben dem Volk nur, aus einer Auswahl von Reichen ihren Favoriten auszuwählen.

Niemals könnte jemand aus der Mittelschicht oder gar Unterschicht zum Präsidenten gewählt werden, wenn er nicht von den Superreichen unterstützt wird, weil diesen Bevölkerungsgruppen die finanziellen Mittel für den Wahlkampf fehlen.

Zu konkreten Sachfragen, also zum Beispiel zum Angriff auf den Irak 2003, werden die US-Bürger nicht befragt, ihre Meinung zählt nicht, weil die USA keine direkte Demokratie sind. Solche Entscheide fällt der Präsident alleine zusammen mit seinem mächtigen Nationalen Sicherheitsrat (NSC) und dem Kongress, und dies immer in enger Abstimmung mit den Wünschen der Superreichen, die sowohl das Weiße Haus wie auch den Kongress steuern.

Der frühere amerikanische Präsident Jimmy Carter bestätigte im Herbst 2015, dass in den USA die Superreichen die Fäden der Macht in der Hand halten. „Heute sind die USA eine Oligarchie. Politische Bestechung entscheidet darüber, wer als Präsidentschaftskandidat nominiert und zum Präsidenten gewählt wird“, so Carter resigniert.

„Und dasselbe gilt für die Gouverneure der Bundesstaaten wie auch für die Senatoren und die Abgeordneten des Kongresses.“

Über die Vergabe der Gelder bestimmen die Superreichen, wer Präsident wird und wer in den Kongress einzieht. Alle US-Präsidentschaftskandidaten müssen mindestens über 300 Millionen Dollar für den Wahlkampf verfügen, erklärte Carter im Gespräch mit der bekannten US-Fernsehjournalistin Oprah Winfrey. So viel Geld können Menschen aus der Unterschicht und Mittelschicht niemals aufbringen. Nicht nur das Weiße Haus, sondern auch der Senat mit seinen 100 Abgeordneten wie auch das Repräsentantenhaus mit seinen 435 Abgeordneten seien fast vollständig in den Händen der Superreichen.

Zwischen den Demokraten und den Republikanern gebe es diesbezüglich keine Unterschiede, so Carter, und eine einflussreiche dritte Partei gibt es in den USA nicht. „Die Stelleninhaber, sowohl Demokraten wie auch Republikaner, sehen diesen unbeschränkten Geldfluss als großen Vorteil für sich. Wer schon im Kongress sitzt, kann seinen Einfluss teuer verkaufen“, erklärt Carter. „Wir sind jetzt eine Oligarchie geworden statt einer Demokratie“, beklagt Carter.

„Und ich glaube, das ist der größte Schaden an den fundamentalen ethischen und moralischen Standards des amerikanischen politischen Systems, den ich je in meinem Leben gesehen habe“ (18).

US-Wähler haben kaum Einfluss auf die Politik

Im April 2014 berichtete die BBC mit Bezug auf eine Studie der Universität Princeton, dass die USA „eine Oligarchie, keine Demokratie“ mehr sind. Es war eine jener seltenen Meldungen, bei der die europäischen Medien die USA korrekt als Oligarchie bezeichneten. „Die USA werden durch eine reiche und mächtige Elite dominiert“, erklärte die BBC richtig. Die Autoren der Princeton-Studie, die Professoren Martin Gilens und Benjamin Page, hatten die Situation in den USA sehr systematisch untersucht.

Sie hatten einen Zeitraum von zwei Dekaden (1981 bis 2002) ausgewertet, in welchem durch öffentliche Umfragen die Meinung der US-Bevölkerung zu insgesamt 1.779 verschiedenen Sachfragen erhoben und dokumentiert worden war. Für jede der Sachfragen konnten Gilens und Page angeben, ob die US-Bevölkerung mehrheitlich dafür oder dagegen war. Zudem verwendeten die Forscher nur Umfragen, bei denen auch das Einkommen der Befragten erhoben worden war, also die Klassenzugehörigkeit.

Diese Daten glichen sie mit den tatsächlichen Entscheiden der US-Politiker ab und fanden heraus, dass die Entscheide der Politiker gar nicht mit den Wünschen der Masse der Bevölkerung übereinstimmten, und dass die Wünsche der Unterschicht und Mittelschicht ignoriert werden (19).

„Die Wünsche des durchschnittlichen Amerikaners scheinen nur einen ganz kleinen, fast nicht vorhandenen und statistisch nicht signifikanten Einfluss auf die Politik zu haben“, fanden die Forscher der Universität Princeton. Daher könne man nicht von einer Herrschaft des Volkes sprechen, so Gilens und Page.

„In den USA, so zeigen unsere Resultate, regiert nicht die Mehrheit — zumindest nicht in dem Sinne, dass sie tatsächlich einen Einfluss auf politische Entscheide hätte. Wenn eine Mehrheit der Bürger eine andere Meinung hat als die wirtschaftlichen Elite oder organisierte Lobbies, dann verlieren sie in der Regel.“

Es seien die Superreichen und ihre Lobbies, welche in den USA über die Politik entscheiden:

„Unsere Studie kommt zum Schluss, dass die Mehrheit der Amerikaner wenig Einfluss auf die Entscheide hat, welche unsere Regierung fällt. Wir Amerikaner zeichnen uns zwar durch viele Merkmale aus, die für ein demokratisches System kennzeichnend sind, darunter regelmäßige Wahlen, Rede- und Versammlungsfreiheit und eine breite Wahlberechtigung“, so Gilens und Page. „Aber wir glauben, dass wenn die Politik durch mächtige Wirtschaftsorganisationen und eine kleine Zahl von sehr reichen Amerikanern dominiert wird, auch der Anspruch von Amerika, eine Demokratie zu sein, wirklich in Gefahr ist“ (20).

Große Unterschiede zwischen Reich und Arm existieren nicht nur in den USA, sondern in vielen Ländern, auch in China. Wird es im 21. Jahrhundert gelingen, eine gerechtere Welt aufzubauen? Die Menschen gestalten das Miteinander selber, gemäß ihrem Bewusstsein. „Die Grundbedürfnisse aller Menschen der Erde nach Nahrung, Wasser, Obdach und Kleidung könnten befriedigt werden, wenn nicht das irrwitzige, habgierige Verlangen nach mehr, die Gier des Ego, für ein solches Ungleichgewicht bei der Verteilung der Ressourcen sorgen würde“, erklärt der in Kanada wohnhafte deutsche Bestsellerautor Eckhart Tolle. Für den Frieden in der Welt sei es unabdingbar, so Tolle, dass durch Achtsamkeit die Identifikation des Menschen mit dem eigenen Ego und der Gier überwunden werde (21).



Quellen und Anmerkungen:

(1) Noam Chomsky: Requiem für den amerikanischen Traum. Die 10 Prinzipien der Konzentration von Reichtum und Macht (Ullstein 2019), Seite 10 und 162
(2) Jeffrey Winters und Benjamin Page: Oligarchy in the United States? Perspectives on Politics 7 (04), Dezember 2009, S. 738 und 741
(3) Stephen Kinzer: Putsch! Zur Geschichte des amerikanischen Imperialismus (Frankfurt/Main 2006), Seite 9.
(4) Peter Phillips: Giants. The Global Power Elite (Seven Stories Press 2018).
(5) Peter Phillips: Exposing the Giants: The Global Power Elite. Global Research 30. August 2018
(6) Jürgen Todenhöfer: Die Welt-Eroberer. Rubikon 14. März 2019. Siehe auch: Jürgen Todenhöfer: Die große Heuchelei. Wie Politik und Medien unsere Werte verraten (Propyläen 2019).
(7) Jeffrey Winters und Benjamin Page: Oligarchy in the United States, Seite 735 und 736
(8) Andreas von Bülow: Im Namen des Staates. CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste (Piper 2003), Seite 21
(9) Kim Bode: Millionen sind in den USA auf Gratis-Essen angewiesen. NZZ am Sonntag 24. August 2014. Sowie: Thorsten Schröder: Auf Kosten der Armen. Zeit Online 21. Mai 2018
(10) Martin Greive: Essensmarken. Trauriges Hunger-Schauspiel in US-Supermärkten. Die Welt 9. Juni 2012
(11) Martin Greive: Essensmarken. Die Welt 9. Juni 2012
(12) Angus Deaton: The US Can No Longer Hide From Ist Deep Poverty Problem. New York Times 24. Januar 2018
(13) Board of Governors oft he Federal Reserve System: Report on the Economic Well-Being of U.S. Households in 2017. Mai 2018, Seite 2 und 3.
(14) Capgemini: World Wealth Report 2018. Juni 2019. Seite 11
(15) 2018 Forbes 400. The Definitive Ranking of the Wealthiest Americans. 3. Oktober 2018
(16) Kerstin Kohlenberg: Geld stinkt nicht, es regiert. Zeit Online 7. Juni 2017
(17) Martin Gilens: Affluence and Influence. Economic Inequality and Political Power in America. (Princeton University Press 2014) Introduction
(18) Jimmy Carter on whether he could be president today: »Absolutely not«. Oprah Winfrey Network (OWN), 22. September 2015. Sowie: Eric Zuesse: Jimmy Carter Is Correct That the US is no Longer a Democracy. Huffpost 3. August 2015
(19) Study: US is an oligarchy, not a democracy. BBC News 17. April 2014
(20) Martin Gilens und Benjamin Page: Testing Theories of American Politics. Elites, Interest Groups, and Citizens. Publiziert in: Perspectives on Politics, Volume 12, Issue 3, September 2014, S. 564–581. Siehe vor allem S. 575 und 576 und 577. Siehe auch: Martin Gilens: Affluence and Influence. Economic Inequality and Political Power in America (Princeton University Press 2014).
(21) Eckhart Tolle: Eine neue Erde (Arkana 2005), Seite 57

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Imperium USA“ von Daniele Ganser. Veröffentlicht in Rubikon – Magazin für die kritische Masse unter einer Creative Commons-Lizenz.

Daniele Ganser, Dr. phil., ist Schweizer Historiker, spezialisiert auf Zeitgeschichte seit 1945 und Internationale Politik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Friedensforschung, Geostrategie, verdeckte Kriegsführung, Ressourcenkämpfe und Wirtschaftspolitik. Er leitet das „Swiss Institute for Peace and Energy Research“ in Basel.

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