Fritz Winter. documenta-Künstler der ersten Stunde – Verleihung des Fritz-Winter-Preises
Kassel 12.11.2020 (pm) Aufgrund der coronabedingten Schließung von Museen kann die Sonderausstellung »Fritz Winter. documenta-Künstler der ersten Stunde« in der Neuen Galerie in Kassel diese Woche nicht eröffnen. Auch die eigentlich zur Ausstellungseröffnung am 12. November 2020 geplante Verleihung des Fritz-Winter-Preises findet zu einem späteren Zeitpunkt statt. Stattdessen entwickelt die Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) zurzeit ein digitales Angebot, dass in kurzen Videoclips Einblicke in die Ausstellung geben wird.
Auf Initiative der Fritz-Winter-Stiftung und der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen rekonstruiert die Schau die zentralen Beiträge des Künstlers zu den ersten drei documenta-Ausstellungen 1955, 1959 und 1964. Die Ausstellung basiert auf den umfangreichen Beständen der Museumslandschaft Hessen Kassel und der Fritz-Winter-Stiftung, die seit ihrer Gründung im Jahr 1981 an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen beheimatet ist.
Prof. Dr. Martin Eberle, Direktor der MHK: »Auf der ersten documenta-Ausstellung 1955 hatte Fritz Winter (1905–1976) einen spektakulären Auftritt: Mit seinem sechs Meter breiten Gemälde Komposition vor Blau und Gelb wurde er als einer der wichtigsten Vertreter der abstrakten Malerei gefeiert. Wir freuen uns sehr, dass wir das für die documenta konzipierte Kunstwerk erstmals wieder in Kassel ausstellen können und hoffen natürlich sehr, dass unsere Besucher*innen auch noch die Möglichkeit erhalten es zu besichtigen.«
Der Künstler hatte das Werk gemeinsam mit Arnold Bode, dem Gründer der documenta, als zentrale Rauminstallation für den Malereisaal im Museum Fridericianum entwickelt, wo es den Anschluss der westdeutschen Malerei an die internationale Kunstentwicklung demonstrierte. Die Ausstellung „Fritz Winter. documenta-Künstler der ersten Stunde“ zeigt Winters künstlerischen Weg und seine vielfältigen Verbindungen mit der documenta-Stadt Kassel anhand von rund 90 Kunstwerken aus Malerei, Grafik und Bildwirkerei.
Jutta Ebeling, Vorstandsvorsitzende der Hessischen Kulturstiftung: »Fritz Winter hat mit seiner am Bauhaus geschulten, abstrakten Formensprache einen maßgeblichen Beitrag zur Positionierung zeitgenössischer Kunst im Deutschland der Nachkriegszeit geleistet. Es freut mich, dass wir in der Neuen Galerie in Kassel die Gelegenheit bekommen, die Formensprache der Abstraktion in Fritz Winters Werk zu studieren und mehr über seine Lehrtätigkeit an der Werkakademie in Kassel oder sein Engagement für die Institution documenta zu erfahren. Ich hoffe, dass die Corona-Maßnahmen einen Besuch der Neuen Galerie bald wieder zulassen.«
Fritz Winter hatte am Bauhaus in Dessau als Schüler von Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer gelernt. Unter den Nationalsozialisten wurde sein Werk als „entartet“ diffamiert. Seine 1944 entstandene Werkgruppe „Triebkräfte der Erde“ wurde nach dem Krieg als herausragendes Beispiel abstrakten Formenreichtums rezipiert. 1949 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe der Gegenstandslosen, später ZEN 49, in München, die für eine künstlerische und moralische Erneuerung eintrat. Zeitlebens variierte er Klees Credo „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar“ und wurde so zur idealen Mittlerfigur zwischen den Protagonisten der Vor- und Zwischenkriegsmoderne und der jüngeren Generation. Am 1. Mai 1955 trat der Künstler eine Professur an der fortschrittlichen Werkakademie in Kassel an, wo er bis 1970 lehrte. In den folgenden Jahren arbeitete er eng mit documenta-Gründer Arnold Bode zusammen und war zunehmend in die Entscheidungs- und Organisationsstrukturen der Großausstellung eingebunden.
Mit Fritz Winter gilt es, einen zentralen Protagonisten der frühen documenta-Geschichte wiederzuentdecken – und einen Maler, der die Sprache der gegenstandslosen Kunst in Deutschland seit den 1920er-Jahren maßgeblich erweitert hat.
Die Ausstellung ist eine Kooperation der Museumslandschaft Hessen Kassel, der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und der Fritz-Winter-Stiftung an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
Die Präsentation wird maßgeblich unterstützt durch das Fritz-Winter-Haus, Ahlen, das bedeutende Leihgaben zur Verfügung stellt, und das documenta archiv, dessen Archivalien eine begleitende Dokumentation ermöglichen. Das Projekt wurde großzügig gefördert von der Hessischen Kulturstiftung und dem Museumsverein Kassel e.V. sowie der Volksbank Kassel Göttingen eG.