Speicherung von Kohlenstoff im Ökosystem und Substitution fossiler Brennstoffe Klimaschutz mit Wald
Kassel 25.02.2021 Gastbeitrag von E. D. Schulze | J. Rock | F. Kroiher | V. Egenolf | N. Wellbrock | R. Irslinger | A. Bolte | H. Spellmann Ein Team von Wissenschaftlern aus dem Max-Planck-Institut für Biochchemie in Jena ist erneut der Frage nachgegangen, ob Waldwildnis oder naturnahe Waldbewirtschaftung unter mitteleuropäischen Verhältnissen die effizientere Option für den Klimaschutz ist. Vordringliches Ziel des Klimaschutzes ist die Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe. Welchen Beitrag kann hier der Wald leisten? Unsere Arbeit vergleicht den Nutzen einer nachhaltig bewirtschafteten Waldlandschaft in Europa mit dem einer potenziellen Waldwildnis-Landschaft und kommt zu überraschenden Einsichten.
Die “Fridays for future”-Bewegung hat die öffentliche Debatte über den Klimaschutz sehr belebt. Vordringliches Ziel eines effektiven Klimaschutzes ist die Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe [1]. Die geplante Schließung der deutschen Braunkohlereviere ist hierfür ein deutliches Zeichen. Darüber hinaus müssen auch die Landnutzungsformen alle Einsparungspotenziale nutzen, um die anspruchsvollen politischen Ziele bei nach wie vor wachsendem Gesamtenergiebedarf zu erreichen. Kontrovers wird in diesem Zusammenhang die Nutzung der Wälder diskutiert, weil hier sehr unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. Es geht nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um Artenvielfalt, die Gemeinnützigkeit von Eigentum, die Rechte der Eigentümer sowie die Nachhaltigkeit der Nutzung. Im Folgenden sollen verschiedene Optionen für den Beitrag des Waldes zum Klimaschutz dargestellt werden.
Der Weg des Holzes vom Wald über dessen Verarbeitung in Holzprodukten bis hin zu seinem mikrobiellen Abbau oder seiner energetischen Nutzung führt über viele Stationen. Neben der Bereitstellung von Holz erfüllt der Wirtschaftswald weitere Ökosystemleistungen, insbesondere die Regulation der Stoffkreisläufe, Trinkwasserbereitstellung, Artenvielfalt und Erholung. Seine Funktion im Klimaschutz zu klären, ist Ziel dieser Arbeit. Alternativ könnte die Waldfläche auch für eine technische Energieerzeugung genutzt werden. Bei der Waldbewirtschaftung werden in der Regel unterschiedliche menschliche Ansprüche auf derselben Fläche umgesetzt. Diese Ansprüche reichen von der Bereitstellung von Holz, über die Versorgung mit sauberem Wasser, bis hin zur Erholungsnutzung. Trotz einer vorliegenden, umfangreichen Analyse zum Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft [2] werden aktuell in der Öffentlichkeit und in der Forstwirtschaft fünf verschiedene Optionen diskutiert, wie der Wald noch effektiver zum Klimaschutz beitragen kann:
Option 1: Im Wald wird auf Holznutzung verzichtet, um ihn eigendynamisch wachsen und sterben zu lassen. Tote Biomasse verrottet dabei im Wald und setzt photosynthetisch gebundenen Kohlenstoff über mikrobielle Atmung wieder frei.
Option 2: Holz wird geerntet und an Holzverwender und Energieerzeuger geliefert. Bis zur Hiebsreife der Bäume verbleibt auch bei Holznutzung ein großer Teil des Zuwachses im Wald und führt zu einem Aufbau der in der Biomasse gespeicherten Kohlenstoffvorräte.
Option 3: Das geerntete Holz wird in Produkten gespeichert und ersetzt konkurrierende Bau- und Werkstoffe, die mit hohem Energiebedarf hergestellt werden (materielle Produktsubstitution).
Option 4: Das Holz wird direkt oder nach vorheriger Verwendung in Holzprodukten energetisch genutzt und ersetzt den Verbrauch fossiler Brennstoffe (energetische Substitution).
Option 5: Waldfläche wird zur Energieerzeugung mit Windkraft- oder Solaranlagen genutzt. Dies wäre eine Änderung der Landnutzung bzw. eine Einschränkung der Waldbewirtschaftung.
Auch wenn es in diesem Beitrag vor allem um die Holzmenge geht, sind die Nutzungsmöglichkeiten von der Vielfalt der Holzgewächse abhängig. Die Nutzung der Baumartenvielfalt unterliegt aber nach Menge und Art großen Veränderungen.
In der Forstnutzung von Soravia (1877) [3] werden 63 G ehölzarten beschrieben: 52 Arten wurden medizinisch genutzt, aus 40 Arten wurden Gegenstände gefertigt, 32 Arten waren für die Herstellung von Farben nötig, Brennholz wurde aus 32 Gehölzen gewonnen. Etwas mehr als ein Jahrhundert später ist von dieser Vielfalt der Nutzung wenig übriggeblieben [4]. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts wurden viele der Verwendungen ersetzt durch Metall, Plastik und chemische Produkte.
Zwanzig Gehölzarten wurden zu Zierpflanzen und sechs der früher verwendeten Arten stehen inzwischen auf der „Roten Liste“, wiederum 25 Gehölzarten werden nur noch im Landschaftsschutz eingesetzt. Der bewirtschaftete Wald besteht heutzutage zu über 70 Prozent aus nur vier Baumarten (Fichte, Kiefer, Buche und Eiche).
Das Beispiel zeigt, dass der Wald in der Vergangenheit intensiver und vielfältiger genutzt und nicht geschützt wurde. Historische Nutzungsformen wie Hute- oder Niederwälder mit hoher Baumartenvielfalt werden kaum noch praktiziert, andere Waldtypen sind auf Sonderstandorte zurückgedrängt. Dies ist einerseits bedauerlich, andererseits hat diese Änderung in der Nutzung der Baumarten keine Auswirkung auf die Klimawirksamkeit des Waldes. Mit abnehmender Zahl genutzter Baumarten steigt jedoch das Risiko klimabedingter Schäden.
Die Erfassung der Leistungen des Waldes für den Klimaschutz folgt den IPCC-Guidelines [5]. Der Fluss von Kohlenstoff aus lebender und toter Biomasse vom Wald über Holzprodukte und Energienutzung zurück in die Atmosphäre lässt sich schematisch beschreiben. Dabei werden die Widersprüchlichkeiten der tatsächlichen Kohlenstoffflüsse und des Holztransportes zur Verwendung,
und deren Verrechnung in der Klimaschutzleistung deutlich. Waldbewirtschaftung gehört hier zum Sektor „LULUCF“ (Land Use, Land-Use Change, and Forestry).
Der Kohlenstoff im Holz, der aus dem Wald entfernt wird, gilt als unmittelbar „emittiert“. Um Doppelzählungen bei Emissionen zu vermeiden, werden im Sektor „Energie“ Emissionen aus Holz bei dessen Verbrennung nicht erneut erfasst und dem Sektor „Energie“ nicht zugerechnet.
In Kürze
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- Nachhaltig bewirtschaftete Wälder enthalten in Deutschland zum Zeitpunkt der Ernte gleich hohe Mengen an Holzbiomasse pro Hektar Waldfläche wie nicht bewirtschaftete Wälder. Nachhaltige Bewirtschaftung orientiert sich an der natürlichen Entwicklung eines Waldes.
- Holzprodukte vermeiden den Einsatz von Bau- und Werkstoffen mit hohem Energiebedarf in der Herstellung („Produkt-Substitution“) und ersetzen fossile Brennstoffe als Energieträger („Energie-Substitution“).
- Die Atmosphäre wird bei der energetischen Nutzung von Holz nicht zusätzlich belastet, denn Holz enthält rezent durch Photosynthese gebundenen Kohlenstoff, der alternativ auch durch Verrottung freigesetzt würde.
- Waldbewirtschaftung und Holzverwendung verbessern die Treibhausgasbilanz Deutschlands zurzeit um etwa 11 % bis 14 %.
- Die Effizienz der Flächennutzung für energetische Zwecke im Wald könnte durch Wind- und Solaranlagen erhöht werden. Dies würde aber zu Beeinträchtigungen anderer Wald-Ökosystemleistungen führen und ist daherumstritten.
Diese rechnerische Anrechnung aller Emissionen aus Holz bei der Forstwirtschaft ist ein wesentlicher Kritikpunkt an den bisherigen Anrechnungsregeln, da die Emissionen dem Wald und die Reduktion des Verbrauchs fossiler Brennstoffe anderen Wirtschaftszweigen zugeschrieben werden. Verschiedene Interessengruppen möchten darüber hinaus bei der Waldbewirtschaftung ihre jeweils eigenen Schwerpunkte realisiert sehen, oftmals ohne für ihre Anliegen Verfügungsrechte zu haben. Die Zersplitterung der Verantwortlichkeiten und das Bemühen verschiedener Sektoren, ihre Einflussnahme auszuweiten, um die Anrechnung „ihres“ Beitrages zum Klimaschutz zu maximieren, erschwert eine Gesamtbeurteilung der Leistungen des Forst- und Holzsektors für den Klimaschutz.
Das Wachstum eines Waldes
Das Wachstum eines Waldes hängt von der Baumart, der Struktur und dem Alter der Bestände sowie den Standorten ab [22]. Ein Baum bildet alljährlich einen neuen Jahrring, der den wasser- und nährstoffleitenden lebenden Teil des Holzes (den Splint) erweitert. Gleichzeitig stirbt im Stamminneren der Splint kontinuierlich ab und bildet zusätzliches Kernholz [23]. Die Menge an Kohlenstoff, die aus der Atmosphäre entnommen wird, entspricht aber nicht dem Zuwachs eines einzelnen Baumes, sondern dem Zuwachs aller Bäume auf einer Fläche, die sich aus vorherrschenden, mitherrschenden und unterdrückten Individuen zusammensetzen. Die gleiche Bodenfläche kann entweder von vielen kleinen oder wenigen großen Bäumen besiedelt werden. Bei der Buche sind es mehr als 300.000 Sämlinge/ha in einer Naturverjüngung, die sich im Hochwald auf etwa 300 Stämme/ha im Alter von 120 Jahren reduzieren. Trotz aller Verbindungen zwischen den Bäumen
über Wurzelverwachsungen oder über Mykorrhizapilze sterben schwächere Bäume kontinuierlich ab (der Prozess wird als Selbstausdünnung bezeichnet). Nur die höchsten und vitalsten Bäume überleben. Dabei steigt der lebende Anteil des Holzes in Wurzel und Splint im Verhältnis zur Blattmasse [22]. Bei der Buche steigt die lebende Biomasse im Holz (Splintbiomasse) von ca. 40 t Csplintholz ha–1 im Alter 30 auf ca. 140 t Csplintholz ha–1 im Alter von 120 Jahren an, gleichzeitig sinkt die Blattmasse von ca. 2 t C ha–1 im 30jährigen Bestand auf ca. 1 t C ha–1 im 140jährigen Bestand [23]. Somit steigt das Verhältnis von atmenden Geweben zu photosyntheseleistenden Geweben ständig an, während der Zuwachs sinkt. Änderungen im Holzvorrat entsprechen dem Zuwachs minus aller Verluste durch Absterben oder Nutzung.
Speicherung von Kohlenstoff in lebender und toter Biomasse im Wald (Option 1 und 2)
In der Treibhausgas-(THG)-Berichterstattung werden entweder die Zu- und Abgänge zu verschiedenen Speichern (im Wald: lebende und tote pflanzliche Biomasse, Böden, Holzprodukte) oder die Veränderung der Größe dieser Speicher über die Zeit bilanziert [6]. Die Holzbiomasse der Baumbestände wurde in Deutschland zuletzt durch die Bundeswaldinventur (BWI) 2012 und die Kohlenstoffinventur 2017 auf einem Teilnetz der BWI 2012 erfasst [7]. Beide weisen Vorräte und Vorratsänderungen im Baumbestand und die damit korrelierenden Kohlenstoffmengen aus. Nach den Ergebnissen der zweiten und dritten Bundeswaldinventur (2002 bzw. 2012) in Deutschland betrugen der Holzzuwachs 1.252 Mio. m³ und die Abgänge (Nutzungen + Mortalität) 1.091 Mio. m³, so dass der Holzvorrat von 3.436 Mio. m³ auf 3.663 Mio. m³ anstieg. Zwischen 2012 und 2017 erhöhte sich dieser Holzvorrat noch einmal um 205 Mio. m³ und erreichte eine Rekordhöhe von 3.868 Mio. m³. Damit waren im Jahr 2017 1.230 Mio.Tonnen Kohlenstoff in der lebenden Biomasse gebunden.
Die jährliche Speicherrate in der lebenden Biomasse betrug zwischen 2012 und 2017 1,1 Tonnen C m3 ha–1 Jahr–1. Da der Flächenanteil der zuwachsstarken Altersklassen 21 bis 60 Jahre um 7 Prozent sank, ist der Zuwachs in der Periode 2012– 2017 gegenüber der Periode 2002 bis 2012 von 11,3 auf 10,7 m3 ha–1 Jahr–1 zurückgegangen. In der lebenden Biomasse und im Totholz wurden aber dennoch pro Jahr netto 13,2 Mio. Tonnen Kohlenstoff zusätzlich im Wald akkumuliert [8].
„Nachhaltigkeit“ ist das „Zauberwort“, das H. C. von Carlowitz 1732 in seiner „Anweisung zur wilden Baumzucht“ geprägt hat: „Wird derhalb die größte Kunst, Wissenschaft, Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darin beruhen, wie eine sothane Conversation und Anbau des Holzes anzustellen, dass es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weil es eine unentbehrliche Sache ist, ohnwelche das Land in seinem Esse (lat. = Wesen) nicht bleiben mag.“ Das Ziel von Carlowitz war es, sogenanntes Grubenholz für den Bergbau zu liefern, das die Schachtanlagen des Herzogs von Sachsen sicherte.
Carlowitz sagt nichts zu den anzustrebenden Bestandesvorräten. Es wurde nur festgelegt, dass die Nutzung nicht den Zuwachs auf Betriebsebene übersteigt. Damit werden die Holzvorräte auf Betriebsebene konstant gehalten. Es geht nicht um das Leben eines einzelnen Baumes, sondern um Waldbestände auf Landschaftsebene. Die Höhe des angestrebten Vorrates wird betrieblich festgelegt.
Die Ursachen für die periodischen Zu- und Abnahmen der Holzvorräte im Wald sind vielfältig. Primär wirken sich die Altersstruktur und Baumartenzusammensetzung aus.
Darüber hinaus beeinflussen Standort- und Umweltbedingungen, Kalamitäten sowie hohe oder niedrige Marktpreise die Höhe der Vor- und Endnutzungen und damit die Bestandesvorräte.
Allgemein sind die älteren und höheren Bestände mit hohen Holzvorräten stärker durch biotische und abiotische Risiken (Holzfäulepilze, Borkenkäfer, Windbruch) gefährdet. Vor diesem Hintergrund treffen Waldeigentümer ihre Entscheidungen ab einer Betriebsgröße von 50 ha auf der Basis von Betriebsgutachten und ab 100 ha auf der Basis von Forsteinrichtungswerken, die auf 10 Jahre die Produktion und Nutzung vorausplanen und einer hoheitlichen Prüfung unterliegen. Übernutzungen werden damit verhindert. Ein Zwang zur Holznutzung besteht nicht. Die forstbetrieblichen Ziele decken sich in der Regel nicht mit dem Ziel der Option 1, allein Vorräte zu erhöhen. Es ist vielmehr das Ziel der überwiegenden Zahl der Eigentümer, nachhaltig zu wirtschaften und dadurch Einkommen zu generieren.
Treibhausgasmonitoring und -anrechnung
Die Klimarahmenkonvention (KRK) verlangt, dass das Monitoring der Emissionen und der Bindung der Treibhausgase (THG) unabhängig davon erfolgt, wer für Änderungen in der Treibhausgasbilanz verantwortlich ist. Das Protokoll von Kyoto (KP) [20, 21] führte für die Unterzeichnerstaaten
rechtlich verbindliche Ziele zur Reduktion der Emissionen ein. Die Übernahme der Verantwortung für den anthropogenen Teil des Kohlenstoffkreislaufs erfolgt jedoch nach teilweise anderen Regeln als die Berichterstattung nach der KRK, weshalb man Werte aus beiden Systemen nicht gleichsetzen kann. So führt die nach sieben Sektoren differenzierende Berichterstattung dazu, dass Kohlenstoff in Holz, das den Wald verlässt, als emittiert gilt und deshalb bei der Energieerzeugung nicht als „Input“ verbucht wird. Diese Vereinfachung ist für die Berichterstattung [5, 6] der Nationalstaaten nicht bedeutsam. Für die Beurteilung von Sektorübergreifenden Maßnahmen (wie Waldbewirtschaftung mit Holznutzung bis zur Energiegewinnung) ist die sektorale Betrachtung jedoch ungeeignet, weil die Emissionsoptimierung in einem Sektor zu Mehremissionen in anderen Sektoren führen kann. Zwei Aspekte sind wichtig: Das KP lief Ende 2020 aus und wird de facto durch das Übereinkommen von Paris (ÜvP) und eine EU-Verordnung LULUCF-VO) abgelöst. Die exakten Regeln für die Anrechnung von THG-Vorratsänderungen sind noch nicht festgelegt, werden sich aber auf die Methodik der IPCC 2006 Guidelines [5] stützen. In Zukunft werden für Deutschland Zahlen zum Komplex Wald aus vier verschiedenen Systemen (KRK, KP, ÜvP und LULUCF-VO) vorliegen, die aufgrund der Systemunterschiede nicht unmittelbar vergleichbar sind. Es gibt eine Pflicht zur permanenten Verbesserung der Inventare, d. h. mit besseren Methoden oder neuen Datenquellen müssen auch die Werte der zurückliegenden Jahre neu berechnet werden. Es sind daher nur die jüngsten Berichte gültig [6].
Bestandesvorräte und Bodenkohlenstoff im bewirtschafteten und nicht bewirtschafteten Wald
Ein Vergleich der maximalen und mittleren Holzvorräte im deutschen Wald auf bewirtschafteten und nicht bewirtschafteten Flächen gibt Auskunft über das aktuelle, reale Potenzial beider Nutzungsformen. Nadelwälder haben im Mittel höhere nutzbare Vorräte als Laubwälder.
In Fichtenbeständen gibt es statistisch keine Unterschiede in den mittleren und maximalen Vorräten bewirtschafteter und nicht bewirtschafteter Bestände. Im Laubwald sind die mittleren Vorräte bei Bewirtschaftung zwar niedriger, die maximalen Vorräte zum Zeitpunkt der Ernte unterscheiden sich aber nicht zwischen bewirtschafteten und nicht bewirtschafteten Beständen.
Ein signifikanter Unterschied zwischen Wirtschaftswald und nicht bewirtschaftetem Wald besteht im Zuwachs. Der Wirtschaftswald hat höhere Zuwächse, die gleichbedeutend mit einem höheren Beitrag zum Klimaschutz sind. Ein Nutzungsverzicht führt zu wirtschaftlichen Verlagerungsprozessen, wobei der Holzbedarf durch Importe aus anderen Regionen der Welt gedeckt wird, deren Nachhaltigkeitsstandards oft geringer sind, oder das Holz durch andere Materialien ersetzt wird, die in ihrer Herstellung emissionsintensiver sind.
Kohlenstoff wird nicht nur im Holz, sondern auch im Mineralboden und im Auflagehumus gespeichert, wobei der höhere Anteil im Mineralboden gelagert ist. Weder in der organischen Auflage noch im Mineralboden gibt es signifikante Unterschiede zwischen bewirtschafteten und nicht bewirtschafteten Beständen. Dies widerspricht Untersuchungen, die auf einzelnen Versuchsflächen
erfolgten [9], aber nicht die Bedingungen auf der Landschaftsebene repräsentieren. Die zweite Bodenzustandserhebung (BZE II ) in Deutschland zeigt, dass der Bodenkohlenstoff im Wald bei der derzeitigen Bewirtschaftung zunimmt (ca. 0,41 t C ha–1 Jahr–1) [10].
Speicherung von Kohlenstoff in Holzprodukten und der Produktsubstitution (Option 3)
Die Verarbeitung von Holz hat zweierlei Auswirkungen auf den Klimaschutz: (1) Es wird die Menge an Kohlenstoff beeinflusst, die in Holzprodukten festgelegt ist (Produktspeicher), und (2) es werden Bau- und Werkstoffe ersetzt, die bei der Herstellung mehr fossile Energie benötigen als Holzprodukte (Produktsubstitution, stoffliche Substitution). Nach derzeitigen internationalen Abkommen wird zurzeit nur der Produktspeicher als Beitrag des Forst- und Holzsektors zum Klimaschutz angerechnet. Die Produktsubstitution wird als Abnahme im Verbrauch fossiler Brennstoffe registriert, aber nicht als solche ausgewiesen, oder gar zugunsten der Forst- und Holzwirtschaft angerechnet. Holzprodukte umfassen ein breites Spektrum an Verwendungen, die vom Bauholz über Möbelholz bis hin zum Toilettenpapier reichen. Neben der Nutzung als Sägeholz werden Holz geringerer Qualität und Holzabfälle aus der Verarbeitung (z. B. Sägemehl) in Spanplatten verarbeitet oder energetisch genutzt. Vom Nadelholz wird derzeit in der ersten Verarbeitungsstufe 84 Prozent stofflich genutzt, während beim Laubholz der Großteil (70 Prozent) unmittelbar energetisch genutzt wird [11–13]. Angestrebt wird eine Kaskadennutzung, bei der Holz über mehrere Verwendungsstufen für verschiedene Produkte wiederverwendet und erst am Ende dieser Nutzungskette energetisch genutzt wird. Ziel ist es, den Produktspeicher in Zukunft zu erhöhen, um den darin gespeicherten Kohlenstoff, der über die Photosynthese aus der Atmosphäre entnommen wurde, längerfristig und in größeren Mengen zu binden.
Ein wichtiger Parameter zur Beurteilung der Wirksamkeit des Produktspeichers ist dessen mittlere Lebensdauer. Für Produkte aus Buchenholz ist wegen des zurzeit hohen Brennholzanteils die mittlere Lebensdauer mit drei Jahren niedriger als die mittlere Zeitdauer, mit der Buchenholz im Wald verrottet (11 Jahre). Für Fichte sind die Abbauraten von Produkten und verrottenden Baumstämmen etwa gleich (22 Jahre). Nadelholz verrottet langsamer, und es wird in genutzter Form länger gespeichert als Laubholz [11]. Die Untersuchung des Lebenszyklus von Holz zeigt, dass der Produktspeicher (Holzmenge in Produktform) bei derzeitiger Verwendung über längere Zeiträume fast konstant bleibt. Der Produktspeicher ist ein Zwischenspeicher vor der energetischen Endverwertung.
Eine Erhöhung des Produktspeichers kompensiert die Treibhausgase in der Atmosphäre, ohne den Verbrauch fossiler Brennstoffe direkt zu reduzieren. Grundsätzlich sind alle Holzprodukte auch aus anderen Bau- und Werkstoffen herstellbar. Der Käufer entscheidet, ob Holz oder ein anderes Material verwendet wird. Die Nutzung von Holzprodukten vermeidet aber Bau- und Werkstoffe, die in ihrer Herstellung einen höheren Energieaufwand erfordern (Produktsubstitution). So verursacht die Herstellung eines Holzhauses einen 35 bis 50 Prozent geringeren Energieaufwand als ein funktionsäquivalenter Massivbau [2].
Die Produktsubstitution wird mit einem Faktor geschätzt, der die Einsparung von Kohlenstoffemissionen (in Tonnen Kohlenstoff) je Tonne Kohlenstoff im Holzprodukt beschreibt. Die bisher ermittelten durchschnittlichen Substitutionsfaktoren [14–16] liegen zwischen 1,2 und 2,1 t C/t C und besitzen eine große Unsicherheit. Auf der Basis dieser Faktoren werden in Deutschland jährlich zwischen 28 und 53 Millionen Tonnen CO2-Äqv aus fossilen Quellen vermieden. Das sind 2,8 bis 4,9 CO2-Äqv ha–1 Jahr–1 inklusive des Verbrauchs fossiler Brennstoffe bei der Verarbeitung. Die Produktsubstitution wird nicht in der Treibhausgasbilanz nach den IPCC Richtlinien [5] ausgewiesen. Die Produktsubstitution reduziert den Verbrauch fossiler Brennstoffe und hat damit
eine andere Qualität als die Speicherung. Die Herstellung neuer Stoffe aus Holz, die auf einer Vergasung der Biomasse oder einer Umstrukturierung der Zellulose beruhen, wurde hier nicht berücksichtigt.
Energetische Nutzung von Biomasse (Option 4)
Die Verwendung von Holz als Brennstoff gehört zu den ältesten Nutzungen durch den Menschen. Auch heutzutage wird relativ viel Holz direkt energetisch genutzt (Brennholz, Hackschnitzel, Pellets). In der Holzverarbeitung anfallende Rest- und Abfallstoffe werden ebenso energetisch verwendet (z. B. in Trocknungsanlagen) wie Holzprodukte am Ende ihres Lebenszyklus. Die energetische Nutzung
von Produkten nach ihrem Gebrauch gelingt nur zum Teil, z. B. über Sperrmüll oder Altholz bei Bausanierungen. Andere Holzprodukte verrotten vor Ort, wie z. B. ein Zaunpfahl auf einer Wiese. Aktuell werden nur etwa 54 Prozent der Holzprodukte energetisch genutzt [11]. Die Quantifizierung der Energieholzmengen ist problematisch, weil ein Teil des Holzeinschlages nicht erfasst und als „Zugabe“ bei der Holzvermessung mit dem Holz aus dem Wald transportiert wird (Rinde, Übermaß). Ein anderer Teil wird für den privaten Gebrauch geerntet und statistisch nicht berücksichtigt [11]. Die offizielle „Holzeinschlagsstatistik“ ist daher unvollständig. Vom jährlichen Gesamtzuwachs werden im deutschen Wald mehr als 70 Prozent genutzt. Der Anteil der industriellen Nutzung am jährlichen Gesamtzuwachs beträgt etwa 46 Prozent.
In der Diskussion über die energetische Nutzung von Holz wird oft angemerkt [17, 18], dass das Holz eine geringere Energiedichte als fossile Brennstoffe hat und damit die Atmosphäre mehr belasten würde als die Nutzung fossiler Brennstoffe. Hierbei wird vernachlässigt, dass in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern das ausgestoßene CO2 in absehbarer Zeit wieder gebunden wird, während eine Neubildung fossiler Brennstoffe Millionen von Jahre dauert. Durch die Ökosystematmung werden im nicht bewirtschafteten Wald etwa 92 Prozent und im Wirtschaftswald 75 Prozent des photosynthetisch gebundenen Kohlenstoffs in relativ kurzer Zeit mikrobiell abgebaut. Der Abbau des Totholzes und der Abbau von Schlagabraum (Zweige und Äste) bei Bewirtschaftung speisen die Ökosystematmung.
Durch energetische Holznutzung wird die chemisch gebundene Energie im Holz nicht durch Mikroorganismen, sondern durch den Menschen genutzt. Nur dadurch werden energiereiche, fossile Brennstoffe ersetzt. Dies betrifft fast 10 Prozent des gesamten CO2-Kreislaufes. Die Emission bei der Biomasseverbrennung wird durch geringere Ökosystematmung ausgeglichen. Waldbewirtschaftung
und Holzverwendung verbessern die jährliche Treibhausgasbilanz Deutschlands zurzeit um etwa 11– 14 Prozent, die sich näherungsweise zu gleichen Teilen auf den Waldspeicher (lebende und tote Biomasse sowie Waldboden) und die Holzverwendung (Produktspeicher, stoffliche und energetische Substitution) verteilen.
Die Nutzung der Waldfläche für Windkraft und Solaranlagen (Option 5)
Die Photosynthese nutzt etwa ein Prozent der eingestrahlten Sonnenenergie. Das sind ca. 4 Prozent der Leistung, die auf gleicher Fläche durch Windkraftanlagen, und 0,1 Prozent der Leistung, die durch Solaranlagen erzeugt werden könnte [11]. Solarzellen sind unter Laborbedingungen in der Lage, bis zu 34 Prozent der Sonnenenergie zu nutzen.
Zur Erreichung der ambitionierten Klimaschutzziele in Deutschland besteht daher die Frage, ob nicht für diesen Zweck Waldflächen für den Bau von Windkraft und Solaranlagen umgewandelt werden sollten (Option 5). Eine Ausweitung von Windkraftanlagen in Wäldern hat vor allem Auswirkungen auf die Tierwelt (v. a. Insekten, Fledermäuse und Vögel) und das Landschaftsbild. Der Flächenverbrauch ist vergleichsweise gering, aber nicht zu unterschätzen [11]. Solaranlagen erscheinen technisch sinnvoller, erfordern aber die Rodung des vorhandenen Waldes mit einem Verlust von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere. Sie werden daher eher kritisch gesehen. Ökonomisch bleiben diese alternativen Landnutzungsformen für den Eigentümer aber solange interessant, bis er die Ökosystemleistungen jenseits der Holznutzung angemessen vergütet bekommt. Die Diskussion ist daher noch nicht abschließend geführt.
Schlussfolgerung
Die offizielle Klimaschutzbilanzierung für den Wald istunvollständig. Die Bedeutung der Waldbewirtschaftungund der Holzverwendung für den Klimaschutz kommt nicht zum Ausdruck. Der Verzicht auf Holznutzungen („Stilllegung der Waldnutzung“) zum weiterenAusbau des Kohlenstoffspeichers im Wald ist mit hohen Risiken behaftet und nicht dauerhaft. Es kommt zusätzlich zu Verlagerungseffekten durch Waldnutzung in Wäldern außerhalb Deutschlands, um den Holzbedarf zu decken.
Die Bereitstellung von Holz für die holzbe- und verarbeitende Industrie ermöglicht die Nutzung von Holzprodukten als Ersatz von Bau- und Werkstoffen, die in ihrer Herstellung energieintensiver sind und mehr Emissionen verursachen (stoffliche Substitution). Die energetische Nutzung von Holz ersetzt fossile Brennstoffe (energetische Substitution) und belastet bei nachhaltiger Waldbewirtschaftung nicht zusätzlich die Atmosphäre, weil der im Holz gebundene Kohlenstoff alternativ durch Verrottung freigesetzt wird. Stoffliche und energetische Substitution werden bisher nicht als Leistung einer Waldbewirtschaftung angerechnet. Die Forderung nach Anerkennung dieser Leistungen wurde bereits 1999 gestellt [17, 18]. Bei Umwandlung von Wald z. B. in Solaranlagen würde sich die Effizienz der Energiegewinnung pro Hektar Landfläche erheblich steigern, aber viele Ökosystemleistungen des Waldes würden drastisch beeinträchtigt. Sofern die Landnutzungsart von Waldflächen nicht geändert wird, leistet eine nachhaltige Bewirtschaftung und die stoffliche und energetische Nutzung des dabei geernteten Holzes langfristig
einen größeren Beitrag zum Klimaschutz als die natürliche Waldentwicklung ohne Holznutzungen.
Zusammenfassung
Optionen für den Beitrag des Waldes zum Klimaschutz verfolgen den Weg des Holzes vom Wald bis zur energetischen Verwertung. Nachhaltig bewirtschafteter Wald kann mit der Bereitstellung von Holz 6 bis 8 Tonnen CO2 ha–1 Jahr–1 Emissionen aus fossilen Brennstoffen vermeiden, während nicht bewirtschafteter Wald durch die Speicherung von Kohlenstoff im Ökosystem Emissionen aus fossilen Brennstoffen kompensiert, aber keine fossilen Brennstoffe einspart.
Literatur
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[3] Soravia P, 1877, Technologie botanico della Provincia di Belluno, Belluno Reprint 1987.
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[5] IPCC Guidelines, 2006, https://www.ipcc-nggip.iges.or.jp/ public/2006gl/vol4.html
[6] NIR, 2020, https://unfccc.int/sites/default/files/resource/deu-2020- nir-15apr2020.zip
[7] BWI (Bundeswaldinventur). https://www.bundeswaldinventur.de/, Ergebnisse unter https://bwi.info
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[10] N. Wellbrock, A. Bolte, Status and dynamics of forests in Germany. Ecol. Studies Vol 237, Springer Verlag, Heidelberg, 2019, 384.
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[19] E. D. Schulze et al., The climate mitigation potential of managed versus unmanaged spruce and beech forest in Central Europe. In: JCM Pires and AL da Cunia Concalves (eds) Bioenergy with carbon capture and storage, Elsevier, The Hague, 2019, 131–149.
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[21] UNFCCC-COP21 (2015), http://unfccc.int/resource/docs/2015/cop21/eng/l09r01.pdf
[22] E. D. Schulze et al., Plant Ecology, 2. Edition. Springer, Heidelberg, 2019, 926.
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