Wissenschaftsrat empfiehlt neues BSL-4-Labor – Marburg Centre for Epidemic Preparedness entsteht auf dem Campus Lahnberge der Philipps-Universität Marburg
Kassel 26.04.2021 (pm) In wenigen Jahren soll auf dem Campus Lahnberge der Philipps-Universität Marburg (UMR) ein neues Labor der höchsten Sicherheitsstufe (BSL-4) für die Forschung an hochpathogenen Viren entstehen. Für den Bau hat sich jetzt der Wissenschaftsrat ausgesprochen. Die endgültige Entscheidung fällt in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) Anfang Juli 2021. Die Empfehlung des Wissenschaftsrats gilt als wegweisendes Zeichen für den Bau. Die Erforschung hochpathogener, also hochgradig krankheitserregender Viren gewinnt stetig an Bedeutung, weil Virusepidemien und -pandemien die Gesellschaft vor große Herausforderungen stellen. Momentan wird das an der COVID-19-Pandemie deutlich, die politische, soziale und ökonomische Systeme maximal belastet, wird mitgeteilt.
Die Universität Marburg will die Forschung zu epidemischen und pandemischen Viren im Marburg Centre for Epidemic Preparedness (MCEP) weiter vorantreiben, um besser auf künftige Virus-Epidemien reagieren zu können. Im neuen Forschungsbau der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (Biosafety Level 4, BSL 4) wird die sehr erfolgreiche Marburger Spitzenforschung an hochpathogenen und neu auftretenden Viren unter deutlich verbesserten Bedingungen fortgeführt und erweitert.
„Die Empfehlung des Wissenschaftsrates ist ein wichtiges und ermutigendes Zeichen“, sagt Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause. „Die Marburger Virologie unter ihrem Leiter Prof. Stephan Becker trägt seit Jahren mit hohem Verantwortungsbewusstsein durch Grundlagenforschung und Transfer zur Bewältigung großer epidemischer Krisen bei. Ich freue mich sehr, dass die Spitzenforschung zu hochpathogenen Viren in Marburg diese Anerkennung erfährt.“
„Das neue BSL-4-Labor wird unseren Forschungsarbeiten einen deutlichen Impuls verleihen. Die bessere Geräteausstattung und das verbesserte Raumangebot schaffen hervorragende Rahmenbedingungen für unsere Forschung zur Bekämpfung neu auftretender Viren“, sagt Prof. Dr. Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie an der Philipps-Universität.
Ende 2023 soll der Bau des neuen Forschungslabors in direkter Nachbarschaft zum derzeitigen BSL-4-Labor beginnen. Nach der aktuellen Planung soll das neue BSL-4-Labor im Lauf des Jahres 2026 in Betrieb gehen. Die Gesamtkosten für das neue Forschungslabor werden derzeit auf etwa 44 Millionen Euro veranschlagt. Darin enthalten sind etwa sechs Millionen Euro für Erstausstattung und Großgeräte.
Nach der Fertigstellung des Neubaus soll das derzeit bestehende BSL-4-Labor nach langjährigem Betrieb generalüberholt und weiter für die Forschung genutzt werden.
Hintergrund: Erforschung hochpathogener Viren
Im Jahr 1967 führte der Ausbruch eines von Affen übertragenen und für den Menschen tödlichen Virus (Marburg-Virus) dazu, die Erforschung von hochpathogenen Viren an der UMR fest zu etablieren und in den folgenden Jahrzehnten konsequent auszubauen.
Hochpathogene Viren mit epidemischem/pandemischem Potenzial haben ihren Ursprung häufig im Tierreich und können nach Übertragung auf Menschen (Zoonosen) schwerste bis tödliche Erkrankungen auslösen. In jüngster Zeit kommt es vermehrt zu Virusepidemien und -pandemien, die durch teilweise neuartige, zoonotische Viren ausgelöst werden (z.B. Ebola-Virus, Zika-Virus, MERS- und SARS-Coronavirus).
Hochpathogene Viren dürfen nur in Forschungsgebäuden der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL-4) untersucht werden. In diesen Laboren wird unter Vollschutz mit von außen belüfteten Sicherheitsanzügen gearbeitet, so dass die Infektionsgefahr für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler minimiert wird. Das Labor selbst steht permanent unter Unterdruck und verfügt über ein umfangreiches System der Abwasser- und Abluftdekontamination, so dass von diesen Laboren keine Gefahr für die Umwelt ausgeht. Von den vier deutschen BSL-4 Laboratorien sind drei an Bundes/Landesministerien angesiedelt, nur das Marburger Labor wird von einer Universität betrieben.
Wissenschaftsrat empfiehlt drei hessische Forschungsbauten
Drei geplante Forschungsbauten in Hessen mit Gesamtkosten von rund 140 Millionen Euro sollen ab 2022 mit Förderung aus Bundesmitteln entstehen. Das hat der Wissenschaftsrat empfohlen. Es handelt sich um je ein Forschungsbauprojekt der Philipps-Universität Marburg, der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Hochschule Geisenheim. Nach Billigung durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz im Juli 2021 werden sich Bund und Land die Kosten teilen.
„Der Wissenschaftsrat spricht eine solche Empfehlung nur bei Forschungsprogrammen mit herausragender wissenschaftlicher Qualität und von überregionaler Bedeutung aus. Das zeigt einmal mehr, dass wir im Wissenschaftsland Hessen verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, die Spitzenleistungen in der Forschung ermöglichen“, erklärt Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Die Empfehlung durch den Wissenschaftsrat ist ein großes Lob für die exzellente Arbeit der Forscherinnen und Forscher. Unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind das Herz der Wissensgesellschaft und damit der Stärke und Innovationskraft unseres Landes. Investitionen in die Forschung stellen sicher, dass wir Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit und für die Zukunft finden.“