Kaufkraftverluste: Um 1,7 Prozent steigende Tariflöhne 2021 deutlich unter Inflationsrate
10.02.2021 (pm) Die Tariflöhne in Deutschland steigen im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 1,7 Prozent. Dies ergibt sich aus der vorläufigen Jahresbilanz des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Preissteigerung 3,1 Prozent bringt 1,4 Prozent Reallohnverlust
Angesichts einer für das Gesamtjahr 2021 zu erwartenden Steigerung der ergäbe sich hieraus ein ungewöhnlich starker Reallohnverlust von 1,4 Prozent. Allerdings wird in vielen Tarifbranchen der Kaufkraftverlust durch die Zahlung einer steuer- und abgabenfreien Corona-Prämie abgemildert. Die hierbei erzielte Steuerersparnis ist, je nach Einkommen, Haushaltsgröße und Steuerklasse, individuell recht unterschiedlich und kann in den vom WSI-Tarifarchiv berechneten Tariflohnsteigerungen nicht berücksichtigt werden. Die individuelle Lohnentwicklung dürfte daher für viele Tarifbeschäftigte positiver ausfallen als der Durchschnittswert ausweist. Insgesamt profitieren die unteren Einkommensgruppen besonders stark von den Corona-Prämien.
Anstieg der Tariflöhne 2021 um 1,7 Prozent niedriger als in 2020
Im Jahr 2021 wurden für mehr als 12 Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge abgeschlossen. Hinzu kommen für weitere 6 Millionen Beschäftigte Tarifsteigerungen, die bereits 2020 oder früher vereinbart wurden. Die älteren Tarifverträge sehen dabei mit durchschnittlich 2,0 Prozent etwas höhere Tarifsteigerungen vor als die 2021 getätigten Neuabschlüsse, bei denen die durchschnittlichen Tarifzuwächse bei 1,5 Prozent liegen. Der sich hieraus insgesamt ergebende Anstieg der Tariflöhne von 1,7 Prozent liegt etwas niedriger als im Vorjahr 2020 (2,0 Prozent) und deutlich unterhalb der beiden Boomjahre 2018 und 2019 (3,0 bzw. 2,9 Prozent).
2021 oftmals Corona-Prämie statt Tariflohnerhöhung
In vielen Tarifbranchen wurde 2021 auf eine prozentuale Erhöhung der Tariflöhne verzichtet und stattdessen eine Corona-Prämie vereinbart, die zwischen 90 Euro in der Süßwarenindustrie und 1.300 Euro im öffentlichen Dienst bei den Ländern liegt. Aufgrund einer bis März 2022 befristeten Sonderregelung im Einkommenssteuergesetz (§3, 11a), müssen für diese Prämien weder Steuern noch Abgaben bezahlt werden.
„Die Tarifrunde 2021 wurde nach wie vor durch den ungewissen Verlauf der Corona-Pandemie und die damit verbundenen ökonomischen Unsicherheiten geprägt“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Im Ergebnis führt dies zu eher moderaten Tariflohnzuwächsen. Während 2020 die Beschäftigten aufgrund einer damals sehr niedrigen Inflationsrate jedoch ein kräftiges Reallohnwachstum verzeichnen konnten, übersteigen hohe Inflationsraten in diesem Jahr erstmals seit langem wieder deutlich die Tariflohnzuwächse.“
2022 bei den Preisen wieder eine Normalisierung?
Nach Ansicht von Schulten „sind die hohen Inflationsraten im zweiten Halbjahr 2021 auf eine Reihe von Sondereffekten wie die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung, den Wiederanstieg der zuvor stark zurückgegangenen Energiepreise und bestehender Engpässe bei den internationalen Lieferketten zurückzuführen. Für 2022 ist bei den Preisen eher wieder mit einer Normalisierung zu rechnen, während die Tariflöhne etwas kräftiger steigen könnten. Für das von einigen an die Wand gemalte Schreckgespenst einer Lohn-Preis-Spirale findet sich in den Tarifdaten bislang keinerlei Grundlage“, sagt der Tarifexperte.