Vadim Neselovskyi: „Suite Odesa“ mit dem Jazz-Pianisten und Komponisten im Erwin-Piscator-Haus
23.04.2022 (pm/red) Die Marburger Schlosskonzerte veranstalten am 10. Mai zusätzlich zum geplanten Saisonprogramm ein Benefizkonzert für die Ukraine: ein Jazzkonzert von und mit Vadim Neselovskyi. Die Ticketeinnahmen werden vollständig an die Nothilfe Ukraine von „Aktion Deutschland Hilft“ gespendet. Unterstützt wird die Veranstaltung von Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und dem Fachdienst Kultur der Stadt Marburg.
Vadim Neselovskyi „vereint klassisches Formbewusstsein, europäische Klangästhetik und die Freiheit der Improvisation“ – so der Deutschlandfunk im JazzFacts-Portrait des Pianisten und Komponisten. „Neselovskyis Musik pendelt zwischen bittersüßen, elegischen Ton-Poemen und quirligen, tänzerischen, ungemein vitalen Augenblicken. Die Symbiose aus Jazz, einer klassischen Musizierhaltung und osteuropäischem Temperament ist tönender Ausdruck der Biografie eines Weltbürgers, dessen multikulturelle Erfahrung und Identität sich in seiner Klangkunst manifestiert“.
Der in Düsseldorf und New York lebende Jazz-Pianist Vadim Neselovskyi widmet sein persönlichstes Werk seiner Heimatstadt Odesa – so die transliterierte ukrainische Schreibweise der Hafenstadt am Schwarzen Meer. Um Kriegsbetroffenen in der Ukraine zu helfen, arbeitet der Künstler seit dem ersten Tag des Kriegs an Benefizkonzerten. „Ich mache nichts anderes mehr seitdem“, sagt er. „Ich kann leider nicht mit Waffen umgehen. Ich möchte helfen mit dem, was ich am besten kann.“ Also spielt er seine „Suite Odesa“ an verschiedenen Orten in Amerika und Europa und verzichtet auf Gage. Bei seinem 2021 entstandenen Projekt lädt er das Publikum ein zu einem musikalischen Spaziergang durch die legendäre Stadt.
Dass die drittgrößte Stadt der Ukraine sich nun auf Angriffe durch die russische Armee vorbereite, sei für ihn genauso unglaublich wie überhaupt die Tatsache, dass es zu diesem Krieg kommen konnte, sagt Vadim Neselovskyi. Er telefoniere täglich mit Freunden und Musikerkollegen in der Ukraine. Mancher übernachte im Wohnungsflur, weil dies sicherer sei im Fall eines Raketeneinschlags. „Man hört Explosionen in der Ferne. Das am Telefon zu erfahren, ist schon traumatisierend“, sagt der 44-Jährige.
Einst als Wunderkind jüngster klassischer Klavierstudent in der damals noch sowjetischen Ukraine, hörte er die richtungsweisende Musik von Keith Jarrett und Chick Corea nur über CDs, die Seeleute in die Hafenstadt mitbrachten. Als Vadim 17 Jahre alt und bereits ein fertig ausgebildeter klassischer Pianist war, emigrierte er mit seinen Eltern als jüdischer Kontingentsflüchtling nach Deutschland. Er beschloss, Jazz im Land seines Ursprungs zu studieren und ging an die Berklee School in Boston.
Mit seinen vielfältigen Talenten zog Vadim Vadim Neselovskyi die Aufmerksamkeit des großen Lehrers und Vibraphonisten Gary Burton auf sich, der ihn in sein legendäres Generation Quintet holte. Auf Vorschlag von Herbie Hancock bekam er später ein Vollstipendium am Thelonious Monk Institute. John Zorn lud ihn ein zu The Book Beriah, dem letzten Akt seines Vierteljahrhundert-Projektes Masada. Seine erste Solo-CD produzierte 2013 kein Geringerer als Fred Hersch. Inzwischen unterrichtet Vadim Neselovskyi selbst an der Berklee School of Music in Boston.